Veröffentlicht: 01.02.13
Science

Forschungserfolg im Dutzend - Teil 2

Dank zwölf ausgezeichneten ETH-Professorinnen und -Professoren fliessen über 33 Mio. Schweizer Franken vom Europäischen Forschungsrat (ERC) an die ETH Zürich. Sie erhalten alle einen Advanced Grant, mit dem der ERC Projekte von etablierten Spitzenforschenden unterstützt. ETH Life stellt in zwei Teilen die ausgezeichneten Projekte vor.

Franziska Schmid
Oben (v.l.): Ulrike Kutay, Dani Or, Rahul Pandharipande; unten (v.l.) Timothy Richmond, Aldo Steinfeld und Olivier Voinnet (Bilder: ETH Zürich)
Oben (v.l.): Ulrike Kutay, Dani Or, Rahul Pandharipande; unten (v.l.) Timothy Richmond, Aldo Steinfeld und Olivier Voinnet (Bilder: ETH Zürich) (Grossbild)

Jeder der erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerber erhält in den nächsten fünf Jahren bis zu 2,5 Mio. Euro für das eingereichte Projekt. Nachdem ETH Life bereits am Mittwoch die ersten sechs Grantees vorgestellt hat, folgen hier die zweiten sechs in alphabetischer Reihenfolge:

Kernhülle besser verstehen

Ulrike Kutays Forschungsschwerpunkt ist die Dynamik der Kernhülle. Mit ihrem ERC-Projekt möchte die Professorin am Institut für Biochemie noch ungeklärte grundlegende Aspekte von Bildung, Funktion und Dynamik der Kernhülle besser erforschen. Eine Frage lautet: Wie werden Proteine genutzt, um die Kommunikation zwischen dem Genom und anderen Zellbestandteilen zu vermitteln? Dynamische Veränderungen des Zellkerns sind zudem eine Voraussetzung dafür, dass die Mutterzelle genetische Informationen an die Tochterzellen weitergeben kann. Die Forscherin erhofft sich, so die mechanistischen Ursachen bestimmter Erbkrankheiten, die defekte Proteine in der Kernhülle hervorrufen, erklären zu können.

Vielfalt im Boden

Der Amerikaner Dani Or ist seit 2008 Professor für Umweltphysik am Institut für Terrestrische Ökosysteme. In seinem ERC-Projekt geht es um die Erforschung der mikrobiellen Vielfalt im Boden. Professor Or möchte klären, wie Umweltbedingungen (zum Beispiel die interne Organisation des Bodenwassers) die ökologische und funktionelle Vielfalt im Boden erhalten. «Der ERC Grant gibt uns die Möglichkeit, ein Team aufzubauen und komplexe biophysikalische Interaktionen im Boden systematisch zu untersuchen», freut sich Or. Zuerst soll eine individuen-basierte Modell-Plattform entwickelt werden, um das Leben von Mikroben im Boden zu simulieren. Dieser «virtuelle Bodenmikrokosmos» ermöglicht eine systematische Erforschung der mikrobiellen Aktivität unter verschiedenen Umweltbedingungen und klimatischen Szenarien. Das Ziel des Projektes ist die quantitative Vorhersage der Auswirkungen von biophysikalischen Bodenprozessen auf die Wasserqualität, die Schadstoffdynamik im Boden und globale biogeochemische Kreisläufe.

Geheimnisse der algebraischen Geometrie

Der 43-jährige Rahul Pandharipande ist Professor für Mathematik und sein Spezialgebiet die algebraische Geometrie. Es handelt sich dabei um ein Teilgebiet der Mathematik, das - wie der Name sagt - die abstrakte Algebra mit der Geometrie verbindet. Das Gebiet hat deshalb eine zentrale Rolle in der Mathematik, weil unmittelbare Verbindungen zur Zahlentheorie, Darstellungstheorie und Topologie bestehen. Am Ende des 20. Jahrhunderts wurden einige grundlegende Verbindungen zwischen der algebraischen Geometrie von Modulräumen und den Pfadintegralen in der Quantenfeldtheorie erkannt. Heute nutzt die algebraische Geometrie auch Einsichten und Techniken, die aus der Mathematik und der Physik bekannt sind. Im Projekt sollen die Modulräume von Kurven, Flächen und K3-Flächen untersucht werden. Der ERC Grant bringt nun die Forschung entscheidend voran, ist Pandharipande überzeugt: «Eine solide Finanzierung ist ausschlaggebend für die hohe Qualität und letztendlich den Erfolg einer Forschungsgruppe.»

Chromatin als Schlüsselelement

«Der ERC Grant freut mich besonders, weil ich Ende dieses Jahres pensioniert werde und so die Fortsetzung der Arbeit meines Labors gesichert ist. Ich selber habe die Gelegenheit, mehr <Hands-on>-Forschung zu betreiben», sagt Timothy Richmond, der seit 1987 als Professor am Institut für Molekularbiologie und Biophysik forscht und lehrt. Sein ERC-Projekt widmet sich dem Chromatin. Dabei handelt es sich um einen kompakten Komplex von Nukleinsäuren und speziellen Proteinen – das Material, aus dem Chromosomen bestehen. Chromatin ist ausserdem die Substanz, die durch Modifikation ihrer Bestandteile als Träger der vererbbaren epigenetischen Information dient. Durch seine hierarchisch aufgebaute Struktur ist Chromatin in mehr oder weniger stark kondensierte Formen umwandelbar und ist deshalb ein Schlüsselelement bei der Regulation von Prozessen im Zellkern. Das ERC-Projekt soll einerseits die Wirkungsmechanismen der Chromatin Remodeling-Faktoren besser erklären und andererseits neue Einblicke in die Chromatin-Struktur ermöglichen. Beides ist von enormer Bedeutung für zukünftige Entwicklungen im Bereich der modernen Medizin.

Nachhaltige Treibstoffe

Der aus Uruguay stammende Aldo Steinfeld ist seit 2007 Professor für erneuerbare Energieträger und leitet das Labor für Solartechnik am Paul Scherrer Institut. Bei seinem ERC-Forschungsprojekt sollen saubere Treibstoffe aus Wasser (H2O), Kohlendioxid (CO2) und Sonnenenergie effizient hergestellt werden. Ziel ist, dass solares Synthesegas (Syngas), das vorwiegend aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) besteht, weiter zu flüssigen Kohlenwasserstoffen (z. B. Diesel, Kerosin, Benzin) verarbeitet werden kann. Die zugrunde liegende Idee besteht darin, H2O und CO2 mit Hilfe eines thermochemischen Verfahrens bei hohen Temperaturen aufzuspalten. Für diesen Metalloxid-Redox-Kreisprozess müssen neue Materialien, Strukturen und Solarreaktor-Konzepte mit verbesserter Wärmeübertragung und Strömungsmechanik entwickelt werden. «Als nächsten Schritt müssen wir nun talentierte Doktoranden und Postdocs für das Projekt rekrutieren. Da die Herstellung von nachhaltigen Treibstoffen aber ein drängendes globales Problem ist, bin ich überzeugt, dass wir hochmotivierte, erstklassige Kandidaten und Kandidatinnen finden werden», erklärt Steinfeld.

microRNA in ganzen Organismen

Der 41-jährige Olivier Voinnet, Professor für RNA-Biologie, ist kein Novize, wenn es um ERC Grants geht: Er hat bereits 2008 einen ERC Starting Grant erhalten. Ziel seines jetzigen ERC-Projekts ist, miRNA in ganzen Organismen zu untersuchen und dabei zeitliche und räumliche Aspekte zu berücksichtigen. Das Forscherteam verwendet das Wurzelsystem der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), um das Zentralprotein der miRNA Funktion, Argonaute1 (AGO1), in ganzen Geweben zu untersuchen. Mit gezielten genetischen Veränderungen, Protein-Isolierungen und Profilierung von RNAs, die in bestimmten Zellen durch AGO1 wirken, wollen die Forschenden ein genaueres Bild von der Funktion kurzer RNAs erhalten. Ziel ist, das Zusammenspiel der microRNA, des RNA-Silencings und der Stoffwechselwege besser zu verstehen. RNA-Silencing könnte nicht nur dazu genutzt werden, um Nutzpflanzen zu verbessern, sondern auch in der Medizin zur Anwendung kommen. Voinnet sieht in seinem zweiten ERC-Grant eine einmalige Chance: «Der Grant bedeutet, dass ich die völlige Freiheit habe, die Grenzen meines Wissenschaftsbereichs auszuloten. In der Schweiz befinden sich zudem einige der besten RNA-Forscher in der Welt – vielleicht ist es an der Zeit, sich auf nationaler Ebene zu vereinen.»