Veröffentlicht: 21.01.13
Science

Exakte Karte für das Hefe-Proteom

Systembiologen der ETH Zürich und weiterer Universitäten haben eine Methode entwickelt, um eine neue Karte der Gesamtheit aller Hefe-Proteine zu zeichnen – schneller und präziser, als dies je zuvor möglich war. Die neu erstellte Karte hat sich bereits auch bei der Analyse von verschiedenen Stoffwechselprozessen bewährt.

Peter Rüegg
Vermessene Hefezellen: Forscherinnen und Forscher haben eine neue Peptiddatenbank mit Spektraldaten von über 6000 Hefe-Proteinen aufgebaut. (Bild: www.flickr.com/ambergowens)
Vermessene Hefezellen: Forscherinnen und Forscher haben eine neue Peptiddatenbank mit Spektraldaten von über 6000 Hefe-Proteinen aufgebaut. (Bild: www.flickr.com/ambergowens) (Grossbild)

Nicht umsonst werden Proteine als Bausteine des Lebens bezeichnet: Sie sind an praktisch allen chemischen Reaktionen im Körper beteiligt, bilden das Zellskelett und übersetzen den genetischen Code in neue Proteine. Mit ihnen und ihren zahllosen Wechselwirkungen befasst sich die Systembiologie. Sie hat unter anderem zum Ziel, das Proteom, also sämtliche Proteine eines Lebewesens oder einer Zelle, zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfassen.

Um die Proteine zu messen, sind besondere Messverfahren nötig. Als besonders geeignet erwiesen sich massenspektrometrische Methoden. In den vergangenen Jahren haben Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich, namentlich Professor Ruedi Aebersold und SNF-Assistenzprofessorin Paola Picotti, die Entwicklung geeigneter Proteinmessmethoden vorangetrieben. Insbesondere das «Selected Reaction Monitoring» (SRM), das Paola Picotti 2011 den Latsis-Preis der ETH eintrug, hat die Proteom-Forschung entscheidend vorwärts gebracht.

Extrem effiziente Methode

Mit dem SRM hat die ETH-Professorin die Grundlage für Proteom-Analysen von bisher nicht gekanntem Ausmass geschaffen. So lassen sich Proteine detektieren, von denen im Durchschnitt nur gerade 40 Kopien pro Zelle vorliegen. Zudem ist die Methode extrem effizient. Dies ist mit ein Grund, weshalb die Fachzeitschrift «Nature Methods» diese Messmethoden für Proteom-Analysen zur «Methode des Jahres 2012» gekürt hat (s. Kasten).

In einer neuen Arbeit, die soeben in «Nature» veröffentlicht wurde, liefern Picotti, Aebersold und Proteom-Forscher von weiteren Universitäten ein neues Beispiel, wie schlagkräftig SRM tatsächlich ist. Mit einer gemeinsamen Anstrengung haben sie eine neue, fast vollständige Karte des Hefe-Proteoms – 97 Prozent aller Proteine sind darauf enthalten – gezeichnet.

30'000 Peptide untersucht

In einem ersten Schritt berechneten die Forschenden anhand des Hefe-Genoms, wie viele verschiedene Proteine zu erwarten sind. Von diesen 6607 möglichen Proteinen bestimmten sie danach alle Proteinbruchstücke, die sogenannten Peptide. Diese - insgesamt 30'000 verschiedene - liessen die Forscher im Labor synthetisieren. Mit einem Massenspektrometer bestimmten sie schliesslich die Spektren dieser Peptide. Um schnell voranzukommen, massen sie jeweils hundert Peptide gleichzeitig.

Aus den gewonnenen Spektren konnten die Forschenden den individuellen Fingerabdruck für jedes dieser Peptide herausfiltern. Das Resultat ist eine Karte im übertragenen Sinn, in der genau beschrieben ist, wie man jedes einzelne der über 6000 Hefeproteine finden kann. Die so erstellte Spektren-Datenbank benutzen die Forschenden, um damit in einem zweiten Schritt die Proteinmuster in Hefezellen, die bestimmte Prozesse ausführen, genau auszumessen.

Vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten

Um den Nutzen der neuen Peptiddatenbanken zu beweisen, führten Picotti und Forscherkollegen eine so genannte «Quantitative Trait Analysis» an rund 80 Hefestämmen durch. In diesen Stämmen bestimmten sie die am Arginin-Stoffwechsel beteiligten Proteine. Dank der neuen Peptiddatenbanken war es ihnen möglich, in der grossen Zahl von Proben die Proteine gezielt und präzise zu messen sowie ihre Mengen zu bestimmen.

Mit dieser Analyse ist es ihnen auch gelungen, bisher unbekannte «Quantitative Trait Loci», also Genorte, die für die Ausprägung eines bestimmten Merkmals verantwortlich sind, zu entdecken. Weiter konnten sie auch die Vererbung von genetischen Variationen klären, welche die Konzentrationen der mit ihnen verknüpften Proteine beeinflussen. Das Endresultat dieser Studie ist die Verknüpfung der genetischen Variabilität, die in der Erbsubstanz DNS abgelegt ist, mit der Menge bestimmter Proteine, die in der Zelle biochemische Funktionen ausführen.

Paola Picotti ist mit der geleisteten Arbeit sehr zufrieden. «Die neue Hefeproteom-Karte, die neuartige Art, Daten zu generieren und auszuwerten – all dies erweitert unsere Möglichkeiten für Proteom-Experimente beträchtlich», sagt sie.

Gezielte Proteommessung ist «Methode des Jahres 2012»

Die von der Arbeitsgruppe von ETH-Professor Ruedi Aebersold massgeblich mitentwickelten Methoden und Technologien zur gezielten Analyse der Proteine eines Proteoms wurde von «Nature Methods» zur wissenschaftlichen Methode des Jahres 2012 gewählt. Die spezifische technische Umsetzung dieser Methode ist das sogenannte «Selected Reaction Monitoring» (SRM), eine äusserst effiziente und präzise Proteinmessmethode, die weitgehend an der ETH Zürich von Paola Picotti und Ruedi Aebersold entwickelt wurde. Beim SRM wird das Massenspektrometer vor der Messung mit den spezifischen Daten von hypothetisch anzutreffenden Peptiden programmiert. Das Gerät sucht dann in einer biologischen Probe nach diesen Proteinen wie nach einer Nadel im Heuhaufen. Massenspektrometrische Methoden haben gegenüber herkömmlichen Proteinanalysen mit beispielsweise Antikörpern viele Vorteile, wie etwa die Möglichkeit, gleichzeitig mit hohem Durchsatz sehr viele Proteine in beliebigen biologischen Proben zu messen.

Literatur:

Paola Picotti et al. A complete mass-spectrometric map of the yeast proteome applied to quantitative trait analysis. Nature, advanced online publication, 20th January 2013. doi: 10.1038/nature11835

Picotti P, Bodenmiller B, Aebersold R. Proteomics meets the scientific method. 2013. Nature Methods 24, 24-27, Vol. 10, No 1. Januar 2013

 
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