Veröffentlicht: 09.01.13
Kolumne

Der Feind aller Sternenbeobachter

Gillian Grün
Gillian Grün, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei focusTerra, dem erdwissenschaftlichen Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich. (Bild: Gillian Grün)
Gillian Grün, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei focusTerra, dem erdwissenschaftlichen Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich. (Bild: Gillian Grün) (Grossbild)

Es gibt kaum einen Zeitpunkt im Jahr, an dem ich nicht den weiten Ausblick von der Polyterrasse der ETH Zürich über unsere Stadt geniesse. Sei es an nebelverhangenen Frühlingstagen, im Sommer, wenn die Dächer in der gleissenden Sonne zu brennen scheinen, oder in der gemütlich-kalten Winterzeit. Besonders in den letzten Monaten blickte ich abends öfters auf die glitzernde Innenstadt und freute mich an der stimmungsvollen Beleuchtung.

Ganz anders ist da mein Freund eingestellt. Für ihn ist besonders eine falsch eingesetzte Gebäudebeleuchtung ein Graus. Als passionierter Hobby-Astrofotograf wünscht er sich dunkle Nachthimmel ohne vom Menschen verursachte «Lichtverschmutzung», die das Licht der Sterne überdeckt. Und das sagt er dann auch bei jeder Gelegenheit, wenn wir auf Reisen in andere Städte unterwegs sind. Ganz schlimm ist zum Beispiel der Times Square in New York. Während ICH staunend an den hektisch blinkenden Mauern emporblicke und fasziniert davon bin, wie viel Licht auf so wenigen Quadratmetern gebündelt werden kann, ärgert ER sich darüber, dass hier die Nacht wörtlich zum Tag gemacht wird. Ein weiterer Dorn im Auge ist ihm der Pariser Eiffelturm. Während ICH diesen mit Romantik getränktem Blick betrachte und mir daran mein vom grauen Herbst gekühltes Gemüt erwärme, fragt ER sich, warum denn von der Spitze des Turmes aus in alle vier Himmelsrichtungen gestrahlt werden muss.

Auch beim Blick über Zürich sehe ich viele Gebäude, die unsachgemäss angeleuchtet werden. Es sind Gebäude, die vom Boden her nach oben bestrahlt werden. Oft scheint dabei das Licht über dem Gebäude oder seitlich am Gebäude vorbei, was zu einem nach oben offenen, kegelförmigen Strahl in den Himmel führt. Diese sogenannte Lichtverschmutzung führt dazu, dass Städte von weither vor dem dunklen Nachthimmel als Lichtkuppeln wahrgenommen werden. Diesbezüglich kann ich die Einwände meines Freundes gut nachvollziehen. Einerseits erschwert der erhellte Nachthimmel für ihn als Astrofotograf die Aufnahme ferner Galaxien und Sternennebel. Auch ist es schade, dass das Wissen über die Objekte an unserem Nachthimmel von Generation zu Generation schwindet. Durch die zunehmende Lichtverschmutzung können wir immer weniger Objekte am Sternenhimmel beobachten und erkennen. Generell stört die helle Nacht den natürlichen Lebensrhythmus von Menschen, Tieren und Pflanzen.

Dabei könnte laut der Vereinigung «Dark Sky» die Lichtverschmutzung massgeblich reduziert werden – ohne das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu senken. Zum Beispiel wäre es besser, Gebäude nicht von unten, sondern von oben zu beleuchten. So ginge möglichst wenig Licht in den Himmel verloren. Weiteres Optimierungspotenzial birgt die Strassen- und Parkbeleuchtung. Wenn kugelförmige Lampen – welche viel Licht zur Seite oder gar nach oben hin abgeben – durch schirmförmig überdachte Lampen ersetzt werden, kann ein erheblicher Teil der nicht nutzbaren Lichtemission reduziert werden. Ein weiterer Faktor ist die zeitliche Regelung der Beleuchtung. Ist es tatsächlich nötig, dass Quartiere die ganze Nacht durch beleuchtet werden? Oder könnte dies durch Bewegungsmelder besser kontrolliert werden? Da die Dunkelheit in der Nacht genauso zu unserer Natur gehört, wie zum Beispiel der Wald und dessen Bewohner, trägt der Schutz vor Lichtverschmutzung genauso zum Naturschutz bei, wie die Pflege des Waldes.

Trotz der Probleme mit der Lichtverschmutzung, möchte ich in der oft trist und grau anmutenden Winterzeit nicht auf die festliche Beleuchtung verzichten – wenn sie dann nicht aufgrund gegenseitigen Übertreffens aus dem Ruder gerät. Ich beobachte, dass das Mysterium des Nachthimmels viel mehr wahrgenommen und geschätzt wird, wenn man aus den grossen Städten in wenig beleuchtete Gebiete kommt. Wer schwärmt denn nicht gerne vom strahlenden Sternenhimmel über dem Ferienhäuschen in den Bergen?

Zur Autorin

Gillian Grün arbeitet seit ihrer Dissertation Ende 2011 als wissenschaftliche Mitarbeitende bei focusTerra, dem erdwissenschaftlichen Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich. Sie ist für den Betrieb der Dauerausstellung zuständig und plant Sonderausstellungen und Veranstaltungen. Als Deutsche in den USA geboren, ist sie in Zürich aufgewachsen. Ihr Studium der Erdwissenschaften brachte sie für Feldarbeit in die USA und nach Neuseeland. Auch privat reist sie gerne und hat Freude daran, neue Landschaften und Kulturen zu erleben. Ihren Doktortitel hat sie im Bereich der Geochemie erlangt. Dabei hat sie anhand von Computersimulationen die Zirkulation geologischer Wässer in einem untermeerischen Vulkan untersucht. Ihre erdwissenschaftliche Ausbildung und ihr gestalterisches Flair möchte sie nun nutzen, um der Öffentlichkeit in focusTerra das Verständnis für Naturphänomene näher zu bringen.

 
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