Veröffentlicht: 17.12.12
Science

Ingenieur-Blick auf Zürichs Bauwerke

Masoala-Halle, Viadukt und Prime Tower – das sind nur drei der 51 Bauwerke in Zürich, die im neuen Buch «StrucTuricum» beschrieben und illustriert werden. Der etwas andere Stadtführer ist entstanden aus Bachelorarbeiten von 26 ETH-Studierenden der Bauingenieurwissenschaften.

Franziska Schmid
Der Ampèresteg ist eines der Bauwerke, die im neuen Stadtführer «StrucTuricum» beschrieben werden. (Bild: Thomas Wolf / ETH Zürich)
Der Ampèresteg ist eines der Bauwerke, die im neuen Stadtführer «StrucTuricum» beschrieben werden. (Bild: Thomas Wolf / ETH Zürich) (Grossbild)

Kurz vor Weihnachten legen Professor Thomas Vogel und die Studierenden des Departements Bau, Umwelt und Geomatik ein Buch vor, das sich auch als Geschenk unter dem Christbaum gut macht: In «StrucTuricum» werden insgesamt 51 Bauwerke aus Zürich und der Region beschrieben und mit zahlreichen Bildern illustriert. Was dieses Buch von «normalen» Architekturführern unterscheidet: Die ausgewählten Bauten sind besonders aus Ingenieur-Sicht interessant. Im Buch enthalten sind augenfällige Beispiele wie die RWI-Bibliothek von Calatrava, aber auch versteckte Kostbarkeiten wie die Sportanlage Sihlhölzli oder die Überdeckung Winterthurerstrasse der Universität auf dem Irchel.

Beeindruckende Hallen, raffinierte Brücken, Hochhäuser mit markanten Kernen: Die Bauwerke, die auf jeweils sechs bis acht Seiten kompakt beschrieben werden, sind vielfältig. In «StrucTuricum» wird die Baugeschichte dieser Werke erzählt und wenn immer möglich mit historischen Dokumenten und Skizzen bebildert. So wird auch ein Stück Stadtgeschichte geschildert: Denn wer kann sich schon daran erinnern, wie das Bellevue aussah, bevor 1982 die heutige 130 Meter lange Quaibrücke seeseitig erstellt und quer eingeschoben wurde? Der Leser erfährt zudem, welchen Herausforderungen sich Bauingenieure stellen und welche Lösungen sie finden. Weil es schwierig ist, ein im Grundriss gekrümmtes Bogentragwerk zu bauen, sind die einzelnen Bögen gerade und geben so dem Aussersihler Viadukt sein spezifisches Aussehen. Auch Baumaterialien erhalten ihren besonderen Reiz, egal ob Stampfbeton oder Thomasstahl: In «StrucTuricum» sind das keine abstrakten Fachbegriffe mehr, sondern werden für den Leser zum wesentlichen Bestandteil einzelner Bauwerke.

Die Schönheit der Ingenieurskunst

Das Buch schärft den Blick dafür, wie die Kunst der Ingenieure Bauten auch inhaltlich mitprägen. Beim Ampèresteg, der Zürich-West und Wipkingen verbindet, verändert sich beispielweise die Trägerhöhe. Auf der Seite des Industriequartiers wurde bewusst eine grosse und auf der anderen naturnahen Seite eine kleine Trägerhöhe gewählt, um den Übergang zwischen diesen zwei Welten physisch umzusetzen. Im Buch macht ein Konstruktionsplan klar sichtbar, was gemeint ist. Nach der Lektüre betrachtet man den Ampèresteg mit anderen Augen.

Jedes Bauwerk ist reich bebildert. Detailaufnahmen zeigen ingenieurtechnische Besonderheiten wie Tragwerke und Stahlgerüste. Andere Fotos, zum Beispiel des Prime Towers, dokumentieren den Bauverlauf und decken so die Konstruktion im Innern auf. Der Stadtführer will zu eigenen Begehungen anregen, deshalb ist der Ist-Zustand der Bauwerke meist in grossen, ansprechenden Gesamtbildern festgehalten – so kann sogar ein Heizkraftwerk zum Ausflugsziel werden.

Der erste Ingenieurbauführer von Zürich beschreibt aber nicht nur einzelne – im wahrsten Sinne des Wortes herausragende – Bauwerke, sondern liefert auch noch Vorschläge für Touren quer durch Zürich, ein erklärendes Glossar für Laien sowie Kurzbiografien von für Zürich wichtigen Bauingenieuren und Architekten.

Bachelorstudierende leisten ganze Arbeit

Im Vorwort wird zuerst eine Frage gestellt: «Wissen Sie, was Bauingenieure tun?» Weil viele diese Frage mit einem vagen Jein beantworten müssen, sei es Ziel dieses Projekts, die Leistungen der Bauingenieure an konkreten Beispielen darzustellen und damit verstärkt ins Bewusstsein zu rücken, betont Thomas Vogel. «StrucTuricum» ist aber auch ein Projekt, das zeigt, was gute Lehre bewirken kann. Entstanden ist das Buch aus Bachelorarbeiten von 26 ETH-Studierenden der Bauingenieurwissenschaften, die zwischen 2008 und 2011 verschiedene Bauwerke ausgesucht und analysiert haben.

«StrucTuricum beweist, dass unsere Studierenden mit etwas Hilfe bereits auf Bachelorstufe einen substanziellen Beitrag zu einem grösseren Projekt leisten können», erklärt Thomas Vogel nicht ohne Stolz. Unter den beteiligten Studierenden befanden sich auch fünf angehende Bauingenieurinnen. Zwar stamme keines der beschriebenen Bauprojekte von einer Frauen und auch bei den Biographien seien diese nicht vertreten, aber das sei lediglich eine Frage der Zeit, ist der Professor für Baustatik und Konstruktion überzeugt. Zudem profitieren alle Seiten von diesem Projekt. Wenn ein «Pflichtelement» aus der Lehre plötzlich einen unmittelbaren Nutzen für die Allgemeinheit bekomme, motiviere das nicht nur die Studierenden, sondern sei auch eine Bestätigung für die Dozierenden. Im Fall von «StrucTuricum» ist das Ergebnis ein gut lesbarer Stadtführer, der einen neuen Blick auf Zürichs Bauten erlaubt.

Verlosung

«StrucTuricum – 51 bemerkenswerte Bauwerke in Zürich», hrsg. von Thomas Vogel, u.a., vdf Hochschulverlag AG, 2012, ISBN 978-3-7281-3475-2, CHF 39.–. Auf die ersten 25 Exemplare bietet die Polybuchhandlung folgende Rabatte an: 10 Prozent für externe Kunden respektive 20 Prozent für ETH-Angehörige.
ETH Life verlost noch vor der Weihnachtspause drei Exemplare des neuen Buches. Zur Teilnahme an der Verlosung senden Sie ein E-Mail mit dem Betreff «StrucTuricum» an ethlife@hk.ethz.ch. Einsendeschluss ist Mittwoch, 19. Dezember 2012. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

 
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