Veröffentlicht: 13.12.12
Campus

Eine Welt aus Teilchen und Fäden

Der ETH-Physiker Niklas Beisert hat den erstmals vergebenen «New Horizons in Physics»-Preis für Nachwuchsforschende in der Höhe von 100'000 US-Dollar gewonnen. Ausgezeichnet wird er für seine neuen Berechnungsmethoden in der Quantenfeld- und Stringtheorie.

Florian Meyer
Der mathematische Physiker Niklas Beisert wird für seine Forschung zur Stringtheorie ausgezeichnet. (Bild: Giulia Marthaler/ETH Zürich)
Der mathematische Physiker Niklas Beisert wird für seine Forschung zur Stringtheorie ausgezeichnet. (Bild: Giulia Marthaler/ETH Zürich) (Grossbild)

Der 11. Dezember 2012 ist für Niklas Beisert ein besonderer Tag geworden. Nicht wenige wollten dem jungen Professor für Mathematische Physik an diesem Tag gratulieren. Einer der Gratulanten war der russische Physiker und Unternehmer Juri Milner. Er war auch der eigentliche Auslöser für den Hochbetrieb. Schliesslich hat er im Juli 2012 die Stiftung für Grundlagenphysik-Preise (engl. «Fundamental Physics Prize Foundation») gegründet. Und diese Stiftung war es, die am Dienstag mit einer Medienmitteilung aufhorchen liess.

Ihr Zweck ist es, wissenschaftliche Durchbrüche in der physikalischen Grundlagenforschung auszuzeichnen und zu belohnen. Und wie sie das macht: Je drei Millionen Dollar erhalten laut Mitteilung der populäre Physiker Stephen Hawking sowie sieben Wissenschaftler, die am Teilchenbeschleuniger LHC des Cern die Entdeckung des lang gesuchten Higgs-Teilchens geleitet haben.

Lukrativster Forschungspreis

Damit nicht genug: Nochmals je drei Millionen Dollar wird derjenige Forschende erhalten, der im März 2013 den Hauptpreis, den «Fundamental Physics Prize», gewinnen wird. Drei Millionen US-Dollar. Das ist dreimal mehr als ein einzelner Nobelpreisträger erhalten kann. Das macht einen «Milnerpreis» derzeit zum finanziell lukrativsten Forschungspreis.

Etwas vergessen ging da, dass die «Fundamental Physics Prize Foundation» am Dienstag auch Preise an drei Nachwuchsforschende unter 40 Jahren vergeben hat: Einer der Gewinner ist eben Niklas Beisert, der seit gut einem Jahr am Institut für Theoretische Physik der ETH lehrt und forscht. Zwar beträgt die Preissumme in der Kategorie «New Horizons in Physics» 100'000 Dollar, für Beisert sind es jedoch auch drei weitere Aspekte, die den Wert der neuen Preise ausmachen.

Ehrung für Grundlagenforschung

Alle Preise der «Fundamental Physics Prize Foundation» stehen explizit auch solcher Grundlagenforschung offen, deren zugrunde liegende Theorien und Modelle nicht empirisch bestätigt sind, oder die nicht einmal auf eine direkte Beschreibung der Natur ausgelegt sind. Das ist beim Nobelpreis ein absolutes Muss. In dieser Hinsicht schliesst Milners Stiftung eine Lücke im Preiswesen.

«Der neue Preis kann jene Physiker ehren, die wichtige Ergebnisse zu Modellen erzielt haben, die zwar mathematisch gehaltvoll und physikalisch motiviert sind, sich aber nicht durch Messungen untersuchen lassen», sagt Beisert, der selber im Grenzgebiet von Mathematik und Physik forscht, «für den Erkenntnisfortschritt ist diese Grundlagenforschung sehr wichtig.»

Da seine Forschungsgebiete, Quantenfeldtheorie, Stringtheorie und Symmetrien, nicht zum Alltagswissen der Bevölkerung zählen, erachtet Beisert die Preise der FPP Stiftung vor allem auch als Unterstützung in der Öffentlichkeitsarbeit: «Dadurch erfahren die Menschen von der aufregenden Forschung, die theoretische und mathematische Physiker betreiben.»

«Vor allem mit Blick auf das Renommee der bisherigen Preisträger und Jurymitglieder ist dieser neue Preis eine ganz grosse Ehre für mich», sagt Beisert und erhält dabei Support vom Leiter des Physik-Departements der ETH, Gianni Blatter. Was die «Fundamental Physics»-Preise der FPP Stiftung so wertvoll mache, ist laut Blatter, dass die Preisträger von den weltweit führenden Spitzenforschern der Grundlagenphysik ausgewählt werden: «Das ist die grösste Anerkennung für einen Forscher, wenn er eine Auszeichnung erhält, die von den einflussreichsten Wissenschaftlern seines Fachs vergeben wird.»

Besonders freut Blatter, dass die «Fundamental Physics»-Preise echte Grundlagenforschung auszeichnen, wohingegen sonst viele Auszeichnungen eher in der angewandten Physik vergeben werden. «In der Grundlagenforschung, wie sie auch Niklas Beisert betreibt, geht es um die ganz grossen, ungeklärten Fragen der Physik, und darum, was die Welt wirklich zusammenhält.»

Methoden der Stringtheorie verbessert

Geehrt wurde Niklas Beisert offiziell für seine «Entwicklung von leistungsfähigen, exakten Methoden, um eine Quanten-Eichtheorie und eine zugehörige Stringtheorie zu beschreiben». Die Stringtheorie bezieht sich auf physikalische Modelle, die zunächst eher hypothethischer Natur sind und die von der Annahme ausgehen, dass sogenannte Strings, also fadenartige Objekte, die Bausteine der Welt sind. Im Gegensatz dazu geht eine Quanten-Eichtheorie, wie zum Beispiel das Standardmodell der Teilchenphysik, davon aus, dass punktförmige Teilchen die Grundbausteine der materiellen Wirklichkeit sind.

Solche physikalischen Modelle sind so etwas wie Gucklöcher in eine hypothetische Realität. Je nachdem, durch welches man schaut, erkennt man unterschiedliche Ausschnitte dieser Welt. Was in einem Guckloch wie ein Punkt-Teilchen aussieht, kann aus einem anderen Blickwinkel betrachtet durchaus als Faden erscheinen.

In dieser Analogie hat Beisert zur Entwicklung von Methoden beigetragen, die es ermöglichen, Abbilder einer bestimmten Welt aus verschiedenen Perspektiven effizient zu berechnen. Insbesondere konnte so belegt werden, dass diese Realität sich sowohl durch Teilchen als auch durch Fäden beschreiben lässt, und dass diese verschiedenartigen Objekte bei Änderung der Perspektive kontinuierlich ineinander übergehen können.

«Diese abstrakten Forschungsergebnisse lassen sich zwar nicht eins zu eins auf unsere Natur verallgemeinern, aber sie verschaffen neue Einblicke in die Sprache, mit der wir die physikalische Wirklichkeit beschreiben», sagt Beisert. Insbesondere wäre es, so Beisert, interessant zu verstehen, wie das Standardmodell der Teilchenphysik aus alternativen Blickwinkeln betrachtet noch aussehen kann.

Gibt es zum Beispiel auch eine Beschreibung durch fadenartige Objekte, also durch eine Stringtheorie? Zur Klärung dieser Frage ist es noch ein langer Weg für die Forschung, aber jetzt ist sie einen kleinen Schritt weiter.