Veröffentlicht: 15.11.12
Science

Pharma investiert in Biotech-Startups

Grosse Pharmaunternehmen übernehmen zunehmend die Rolle von Risikokapitalgebern für Jungunternehmen im Biotech-Bereich. ETH-Forscher konnten nun zeigen, dass sie das neuerdings sehr professionell tun – zum Vorteil der Start-ups.

Maja Schaffner
Start-up-Firmen aus dem Biotech-Bereich erhalten ihr Risikokapital immer häufiger von grossen Pharmakonzernen (Symbolbild). (Bild: iStockphoto)
Start-up-Firmen aus dem Biotech-Bereich erhalten ihr Risikokapital immer häufiger von grossen Pharmakonzernen (Symbolbild). (Bild: iStockphoto) (Grossbild)

Heute haben viele grosse Pharmafirmen sogenannte Corporate-Venture-Abteilungen. Über diese beteiligen sich die etablierten Konzerne an jungen Pionierunternehmen im Biotech-Bereich. Für die Grossen ist das Engagement eine wichtige Strategie, das eigene Unternehmen für Innovationen zu öffnen.

Unterdessen arbeiten die Corporate-Venture-Abteilungen grosser Firmen sehr professionell und sind deshalb zu zuverlässigen Partnern für klassische Risikokapitalgeber und aufstrebende junge Firmen geworden. Laut einer neuen Studie der ETH Zürich sind die Corporate-Venture-Einheiten der Pharmafirmen aktuell an rund 20 Prozent der Deals im Biotech-Bereich beteiligt.

Innovationsbedarf trifft Kapitalbedarf

Der Biotech-Bereich hat seine Besonderheiten: Seit der Finanzkrise haben sich viele klassische Risikoinvestoren aus dem Biotech-Bereich zurückgezogen. «Besonders die frühen Phasen von Firmengründungen sind von diesem Rückzug betroffen», erklärt Boris Battistini, Projektleiter der «Corporate Venturing Research Initiative» (siehe Kasten) und Doktorand am Departement Management, Technologie und Ökonomie der ETH Zürich (D-MTEC). In diesem Hochrisikobereich sei deshalb heute zu wenig Kapital vorhanden. Und das zu einem Zeitpunkt zu dem laut Battistini weltweit zahlreiche sehr interessante Start-ups auftauchen.

Dieses Vakuum beginnen die Pharmaunternehmen zu füllen. Auch sie sind in Schwierigkeiten, denn in absehbarer Zeit läuft der Patentschutz vieler erfolgreicher Medikamente aus, und Fortschritte bei der Bekämpfung bedeutender Krankheiten unserer Zeit lassen auf sich warten. Battistini spricht von einer «Lücke in der Innovations-Pipeline». Die Unternehmen sind daher auf der Suche nach Neuem.

Innovation durch Investition

Pharmafirmen setzen oft auf die Strategie, sich an Jungunternehmen zu beteiligen, die neue Ideen entwickeln. Das bringt nicht nur die Vorteile, dass sie Anteile an den einzelnen Firmen halten, ihre Entwicklung verfolgen und sie möglicherweise später übernehmen können. Sie vernetzen sich durch ihr Engagement als Risikokapitalgeber auch mit anderen Risikokapitalgebern sowie mit den klassischen unabhängigen Beteiligungsgesellschaften.

«In diesem Netzwerk erfahren die Corporate-Venture-Abteilungen frühzeitig von aktuellen Trends und neuen Möglichkeiten», erklärt Battistini. «Sie erfahren, was ausserhalb der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen Neues geschieht, und erweitern damit die eigenen zukünftigen Möglichkeiten.» Battistini versteht diese Horizonterweiterung als Ergänzung zur Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Pharmafirmen selbst.

Professionalisierung des Corporate Venturing

Battistini hat aber auch untersucht, wie die Corporate-Venture-Abteilungen heute im Biotech-Bereich vorgehen. Für ihn zeigt sich vor allem eines: «Die Corporate-Venture-Abteilungen im Biotech-Bereich sind sehr professionell geworden.» Ihr Engagement sei heute zielgerichtet, langfristig, verlässlich und nachhaltig. Sonst könnten sie im «Ökosystem» der Risikokapitalgeber gar nicht bestehen, denn in Start-ups investieren meistens mehrere Kapitalgeber gemeinsam. Und nur ein zuverlässiger Partner ist ein guter Partner, der das nächste Mal wieder mit ins Boot geholt wird.

Vom neuen professionellen Engagement des Corporate Venturing der grossen Pharmafirmen profitieren gemäss Battistini vor allem auch die Jungunternehmer selbst. Einerseits haben sie eher die Chance in diesem sehr harten Umfeld überhaupt an Startkapital zu kommen. Andererseits sind Corporate-Venture-Abteilungen heute meist eigenständige Unternehmensteile. «Start-ups müssen heute keine Interessenkonflikte mit den Pharmafirmen mehr fürchten», sagt Battistini. Auch dass sich das Corporate Venturing wegen kurzfristig geänderter Zielsetzungen der grossen Konzerne plötzlich zurückzieht, sei heute nicht mehr üblich. Die Corporate-Venture-Einheiten hätten gelernt, dass solches Verhalten ihnen selbst schade und die eigenen Geschäfte kaputt mache.

Zusatznutzen für Jungunternehmer

«Für die Jungunternehmer haben die Corporate Venturer zudem ein ganzes Set von Vorteilen», erklärt Battistini. Zu diesen zählt er beispielsweise, dass sie den internationalen Markt kennen, Zugang zu Zulieferern haben, über personelle oder technologische Ressourcen verfügen sowie spezifisches Know-how mitbringen – und all dies je nach Art der Kooperation auch aktiv für das neue, aufstrebende Unternehmen einsetzen. Battistini jedenfalls rät Jungunternehmern dazu, für die Finanzierung ihrer Start-ups auch Corporate Venturing in Betracht zu ziehen.

Corporate Venturing Research Initiative

Das Ziel der «Corporate Venturing Research Initiative» ist es abzubilden, wie Grossunternehmen heute in Jungunternehmen investieren. Dazu arbeiten Wissenschaftler des Departement Management, Technologie und Ökonomie (D-MTEC) der ETH Zürich mit der Management-Consulting-Firma Bain & Company zusammen. Unter der Leitung von Pius Baschera vom Lehrstuhl für Unternehmensführung erhob Projektleiter und Doktorand Boris Battistini bei 48 Unternehmen mit Corporate-Venturing-Abteilungen aus fünf verschiedenen Industriezweigen umfangreiche Daten. Battistini wertet diese Daten gegenwärtig aus. Die Teilergebnisse zum Biotech-Bereich hat er nun zusammen mit der Gruppe von Georg von Krogh, Professor für Strategisches Management und Innovation am D-MTEC, veröffentlicht.

Literaturhinweis

Von Krogh G, Battistini B, Pachidou F, Baschera P: The changing face of corporate venturing in biotechnology. Nature Biotechnology, 2012, 30: 911-915, DOI: 10.1038/nbt.2383

 
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