Veröffentlicht: 12.11.12
Science

Braunes Fettgewebe aktivieren

ETH-Forscher um Markus Stoffel haben ein Signalmolekül gefunden, das braune Fettzellen aktiviert und deren Bildung fördert. Dieses Wissen könnte Übergewichtigen helfen, ihr Zuviel an weissem Fett zu verbrennen.

Peter Rüegg
Sich der Kälte auszusetzen – hier ein Winterschwimmer im russischen Murmansk - hilft, die braunen Fettzellen zu aktivieren, damit diese weisses Fett verbrennen. (Bild: Andrey 747/flickr.com)
Sich der Kälte auszusetzen – hier ein Winterschwimmer im russischen Murmansk - hilft, die braunen Fettzellen zu aktivieren, damit diese weisses Fett verbrennen. (Bild: Andrey 747/flickr.com) (Grossbild)

In ihrem wonnigen Speck haben Babys eine ganz besondere Zellsorte: die braunen Fettzellen. Diese bilden an Hals, entlang des Brustbeins und zwischen den Schultern zusammenhängendes Gewebe. Rund fünf Prozent ihres Körpergewichts entfällt auf braunes Fettgewebe, und das zu Recht. Denn braunes Fettgewebe verbrennt Unmengen an Kalorien und Fett, um den Wärmehaushalt des Kleinkindes aufrechtzuerhalten, seinen kleinen Körper zu heizen und vor Unterkühlung zu schützen.

Lange ging die Forschung davon aus, dass nur Babys braunes Fett haben. Dann aber erkannten Wissenschaftler mithilfe bildgebender Verfahren, dass auch Erwachsene dieses besitzen, und zwar an ähnlichen Stellen wie Neugeborene. Mit einer Ausnahme: Bei Menschen mit Übergewicht sind die braunen Fettzellen beinahe verschwunden. Doch gerade weil dieses Gewebe auch viel weisses Fett verbrennt, würde es Übergewichtigen helfen abzuspecken. Denn nach einer Kälteexposition (oder bei einer Diät) produzieren braune Fettzellen besonders viel Wärme – was Fettdepots schmelzen lässt. Doch was reguliert und aktiviert die wünschenswerte Bildung von braunen Fettzellen?

microRNA reguliert die Körperheizung

Auf diese Fragen hat die auf microRNA spezialisierte Forschungsgruppe von ETH-Professor Markus Stoffel nun eine Antwort gefunden. Die microRNA-133, ein kurzes Stück Ribonukleinsäure, ist ein wichtiger Regulator für die Bildung und Aktivierung von braunen Fettzellen. miRNA-133 lagert sich nämlich an eine Boten-RNA an, die den Code für die Bildung des Proteins «Prdm16» trägt. Ohne diesen Transkriptionsfaktor können sich weder Stammzellen in braune Fettzellen umwandeln noch werden bestehende aktiviert: «Prdm16» ist der Schalter, der die Körperheizung aufdreht.

Unter Einfluss von Kälte kommt aber eine andere Signalkette in Gang. Adrenalin wird ausgeschüttet. Dies führt mittels zellulärer Botenstoffe zur vermehrten Bildung von «Prdm16» und zum Abbau von miRNA-133. Ohne seinen Gegenspieler hat das Protein freie Bahn, der Körper kann neue braune Fettzellen generieren und in ihnen viel (weisses) Fett verheizen.

Blockierte miRNA fördert Zelldifferenzierung

Die Rolle von miRNA-133 klärten die Forscher auf, indem sie diese RNA-Sequenz mit einem komplementären RNA-Molekül, einem Antimir, blockierten. Dieses dockt an miRNA-133 an und führt es dem Abbau in der Zelle zu. Der Eingriff förderte die Differenzierung von Vorläuferzellen in braune Fettzellen, und bestehende wurden aktiviert – ähnlich wie nach einer Kälteexposition. Gaben die Forscher aber zusätzlich synthetische miRNA-133-Moleküle in die Zellen geschah das Gegenteil.

«Unsere Entdeckung hat potenziell medizinische Relevanz», sagt Professor Stoffel. Durch die Stimulierung der braunen Fettzellen verbrauche der Körper mehr Energie und verbrenne ohne Umschweife Fett. Dies könne zumindest theoretisch ein Ansatz sein, um Übergewichtige zu therapieren.

Therapie gegen Übergewicht?

Als Therapie kann er sich vorstellen, Übergewichtigen ein Antimir gegen miRNA-133 zu verabreichen, um braune Fettzellen zu aktivieren und den Stoffwechsel anzukurbeln. Die Methode könnte aber einen Nachteil haben: miRNA-133 reguliert auch das Muskelwachstum. Ist es weg, könnte sich der Muskel vergrössern. Stoffel sagt, dass deshalb eine Blockade von miRNA-133 zu einer krankhaften Vergrösserung des Herzens führen könnte, wenn sie nicht spezifisch ins braune Fettgewebe appliziert werde.

Bereits heute werden miRNA getestet und teilweise medizinisch eingesetzt. Ein Antimir gegen Hepatitis C sei in Phase 2 eines klinischen Versuchs, betont der ETH-Professor und zeigt damit auf, dass miRNA-Therapien nicht mehr nur Zukunftsmusik und Hoffnung sind. Um als Therapeutikum verwendet werden zu können, müssen Antimirs aber chemisch verändert werden, damit sie stabil sind. «Der Körper baut diese RNA-Moleküle sonst sehr rasch ab.» Und damit würden sie als Therapeutikum ungeeignet.

Literaturhinweis

Trajkovski M, Ahmed K, Esau CC, Stoffel M. MyomiR-133 regulates brown fat differentiation through Prdm16. Nature Cell Biology, 2012, Published online 11th November. DOI: 10.1038/ncb2612