Veröffentlicht: 27.08.12
Science

Erfolgreich atmen

Wer seine sportliche Leistung verbessern möchte, der sollte auch an seine Atmungsmuskulatur denken. Wer diese gezielt mittraininert, kann vor allem bei längeren Ausdauereinheiten noch einen Zahn zulegen, wie ETH-Forscher jetzt herausfanden.

Christine Heidemann
Gezieltes Atmungsmuskulatur-Training kann die sportliche Leistungsfähigkeit verbessern. (Bild: ETH Zürich)
Gezieltes Atmungsmuskulatur-Training kann die sportliche Leistungsfähigkeit verbessern. (Bild: ETH Zürich) (Grossbild)

Bei Christina Spengler und ihrem Team müssen Sportler tief durchatmen. Und kommen dabei ganz schön ins Schwitzen. Bis zu 30 Minuten müssen sie intensiv ein- und ausatmen. Das kann so anstrengend sein wie ein hartes Rad- oder Lauftraining – aber auch mindestens genauso effektiv für die Atmung. Dabei wird die Atmungsmuskulatur gezielt aktiviert: das Zwerchfell, die Zwischenrippen- und Hilfsmuskulatur am Hals, aber auch die Muskeln am Bauch. «Wie andere Muskeln sollten Sportler auch ihre Atmungsmuskeln regelmässig trainieren, wenn sie ihre Ausdauerleistung verbessern wollen», sagt Christina Spengler, Sportphysiologin am Institut für Bewegungswissenschaften und Sport der ETH Zürich.

Auch die Atmungsmuskeln ermüden

Denn wie die Arm- und Beinmuskulatur können auch die Atmungsmuskeln mit zunehmender Anstrengung ermüden und übersäuern. Dadurch steigt das Laktat im Blut an und löst im Gehirn einen Reflex aus, der das vegetative Nervensystem aktiviert. Infolgedessen verengen sich die Blutgefässe auch in den übrigen beanspruchten Muskeln, beim Laufen und Radfahren vor allem in den Beinen. Die Beinmuskeln müssen also fortan mit weniger Blut und Sauerstoff auskommen, da die Atmungsmuskeln mehr davon brauchen. Das hat zur Folge, dass auch die Abfallprodukte in den Muskeln, die so genannten Metabolite, nicht mehr vollständig abtransportiert werden: Die Muskulatur ermüdet, die Leistungsfähigkeit lässt nach. «Je später also die Atemmuskulatur ermüdet, desto später ermüden auch die Beinmuskeln und desto leistungsfähiger ist der Sportler», erklärt Christina Spengler.

Doch ist jedes Atmungsmuskeltraining gleich effektiv? Und lassen sich die Leistungen bei allen Sportarten ähnlich steigern? Was passiert bei besonders langen oder kurzen Trainingseinheiten oder bei Wettkämpfen? Um das herauszufinden hat die Sportphysiologin mit ihrem Team jetzt 46 unterschiedliche Atmungstrainingsstudien, die mit insgesamt über 800 gesunden, mehr oder weniger sportlichen Probanden durchgeführt worden waren, ausgewertet. Darunter waren Radfahrer, Läufer, Ruderer und Schwimmer.

Weniger Trainierte profitieren mehr

Demnach können grundsätzlich diejenigen am meisten von einem Training der Atmungsmuskulatur profitieren, die noch nicht auf einem sehr hohen Niveau Sport treiben. Bei den besser Trainierten, so Spengler, sei der Effekt etwas geringer. Die Leistungssteigerung macht sich generell eher bei längeren und härteren Ausdauereinheiten bemerkbar. So konnten beispielsweise Probanden, welche die sehr intensiven, so genannten Constant Load-Tests absolvierten, bei denen zum Beispiel Radfahrer bei einer bestimmten Wattzahl bis zur totalen Erschöpfung in die Pedale treten, mit dem Atmungstraining ihre Leistung um bis zu 30 Prozent steigern. Andere Testpersonen, die etwa schnelle 5-Kilometer-Läufe absolvierten, konnten sich dagegen nur um zwei bis drei Prozent verbessern. Insgesamt, so ergab die Analyse der ETH-Sportphysiologen, erhöht sich jedoch die Leistung durch das Atmungstraining ganz unabhängig von der Sportart. Schwimmer profitierten also nicht mehr als Radfahrer.

Trainieren, aber richtig

Den grössten Erfolg versprechen laut den Wissenschaftlern Trainingsgeräte, bei denen die Sportler intensiv mit zusätzlichem Widerstand ein- und ausatmen müssen. «Das ist wichtig», sagt Spengler, «weil nicht nur die Einatmungsmuskeln ermüden, sondern auch die an der Ausatmung beteiligten Muskeln.» Das sei in der Wissenschaft lange nicht genügend berücksichtigt worden. Zudem müssten die Geräte so ausgestattet sein, dass der Sportler entweder einen Teil seiner Atemluft wieder einatmen kann, oder es muss zusätzlich CO2 zugefügt werden. Sonst droht Schwindel, weil der Sportler anfängt zu hyperventilieren. Auch müsse der Atemvorgang kontrolliert werden, so dass zum Beispiel eine Lampe aufleuchtet, wenn ein Athlet nicht stark genug atmet, also nicht sein volles Volumen ausschöpft. «Es muss richtig anstrengend sein, sonst stellt sich keine Leistungssteigerung ein», weiss Christina Spengler, die das Training selbst getestet hat. Um einen Erfolg zu erzielen, sollte man anfangs vier bis fünf Mal in der Woche 20 bis 30 Minuten trainieren.

Atmen Männer und Frauen gleich?

Dennoch: Nicht alle Sportler spüren, dass sich ihre Atmung durch das Training verändert. Manche dagegen fühlen sich plötzlich so befreit, dass sie zum Beispiel viel zu schnell mit dem Rad einen Berg hochfahren. Viele müssen sich erst an das neue Atemgefühl gewöhnen. Aber selbst wenn das Atmungstraining nicht für alle den gewünschten Erfolg bringt: Immer mehr Sportler integrieren es in ihr Trainingsprogramm – manche mit grossem Erfolg, wie etwa die Schweizer Triathlon-Olympiasiegerin Nicola Spirig. Und auch Asthmakranke könnten womöglich davon profitieren. Die Forschungsgruppe testet gerade, wie Asthmatiker auf eine Trainingseinheit reagieren und ob es sich für sie als Aufwärmprogramm eignet.

Interessant sei ausserdem die Frage, ob sich das Atmungstraining, das die Atemnot beim Sport reduziert, auch auf das Schmerzempfinden auswirkt, da das Gehirn Atemnot und Schmerzempfinden an der gleichen Stelle verarbeitet. Und auch die Frage, ob die Atmungsmuskeln von Frauen und Männer unterschiedlich ermüden, hat Christina Spengler noch auf ihrer Agenda. Um alle brennenden Fragen zu beantworten, braucht die Atmungsforscherin ganz sicher eins: einen langen Atem.

Literaturhinweis

Illi, SK, Held U, Frank I, Spengler CM: Effect of respiratory muscle training on exercise performance in healthy individuals: a systematic review and meta-analysis. Sports Medicine. 1 August 2012, Volume 42, Issue 8, 707-724.