Intelligente Stromzähler braucht das Land
Intelligente Stromzähler – so genannte Smart Meter – flächendeckend einzuführen in der Schweiz, lohnt sich. Eine neue Studie mit ETH-Beteiligung rechnet bis 2035 mit Mehrkosten von rund 1 Mrd. Franken bei gleichzeitigen Stromeinsparungen von bis zu 2.5 Mrd. Franken.
Der Bundesrat hat erst
kürzlich, an seiner Sitzung vom 23. Mai, die Eckpunkte für einen
Aus- und Umbau der Stromnetze festgelegt. Es ist klar und absehbar, dass das
Stromnetz wachsenden Anforderungen genügen muss, wenn in Zukunft erneuerbare
Energieträger unregelmässig Strom liefern und die Einspeisung erst noch
dezentraler erfolgen wird als heute. Dazu braucht es intelligente Netze (Smart
Grids). Damit diese ihr Potenzial aber voll ausschöpfen können, braucht es auch neue «intelligente» Komponenten auf der letzten Meile. Welche
Kosten und Nutzen sind mit der Smart-Metering-Technologie verbunden? Eine
interdisziplinäre Gruppe legt im Auftrag des Bundesamts
für Energie (BFE) dazu nun eine Studie
vor, die fünf verschiedene Szenarien der Einführung von intelligenten Zählern
in der Schweiz durchrechnet und diese auf Kosten, Nutzen, aber auch
wettbewerbliche, makroökonomische und ökologische Aspekte untersucht. Fazit: In
der Schweiz wäre eine flächendeckende Einführung von Smart Metern über den
Zeitraum von 20 Jahren (2015 bis 2035) aus volkswirtschaftlicher Sicht
rentabel. Den geschätzten Geräte- und Installationskosten von einer Milliarde
Franken steht ein wirtschaftlicher Nutzen in Höhe von 1.5 bis 2.5 Milliarden
gegenüber (vor allem in Form von Stromeinsparungen bei den Endkunden).
Dazu fünf Fragen an Thorsten Staake, Mitautor der Studie und Direktor des «Bits to Energy Lab» von ETH Zürich und Universität St.Gallen:
Herr
Staake, die Studie analysiert Smart Metering im Zusammenhang mit Smart Grids.
Braucht es zwingend intelligente Zähler, um intelligente Netze betreiben zu
können?
Der Begriff Smart Grid kann sich auf alle Spannungsebenen
des Netzes beziehen, also auf die Hoch- und Höchstspannungsleitungen des
Übertragungsnetzes ebenso wie auf das 230V Netz für Haushalte. Bei den höheren
Spannungsherden bringt eine Integration von Sensor- und Kommunikationsmodulen
an wenigen neuralgischen Punkten schon einen grossen Teil des Nutzens. Auf den
unteren Spannungsebenen helfen Smart Meter, die Übertragung auch auf der
letzten Meile intelligent zu machen. Mit Smart Metern lassen sich zum Beispiel Netzkapazitäten besser
ausnutzen, die Versorgungssicherheit steigt, und Kleinsterzeuger wie
Photovoltaik-Anlagen können kostengünstiger eingebunden werden. Für ein Smart Grid
braucht es also nicht zwingend intelligente Zähler, Smart Meter helfen aber,
die Funktionen eines Smart Grids bis in die Haushalte zu bringen.
Was
kann ein intelligenter Zähler, was der herkömmliche Stromzähler nicht kann?
Smart Meter können wichtige Daten wie den aktuellen
Verbrauch und die exakte Höhe der Spannung erfassen und die Daten elektronisch
übertragen. Just diese Datenübertragung fehlt bei den herkömmlichen
Stromzählern. Aus diesem kleinen Unterschied ergeben sich interessante
Möglichkeiten: Man kann zum Beispiel die Verbrauchsdaten den Kunden zeitnah zur
Verfügung stellen, Energiesparkampagnen durchführen, die den aktuellen
Verbrauch als Anknüpfungspunkt nutzen, oder neue Tarife entwickeln, bei denen stundengenau abgerechnet wird. Dazu kommt noch, dass das Ablesen
der Zähler vor Ort entfällt, was Vorteile für die Rechnungsstellung und den
Umzug mit sich bringt.
Sie haben fünf Szenarien durchgespielt, vom heutigen Zustand (Status Quo) bis hin zur flächendeckenden Einführung von Smart Metern. Was heisst flächendeckend und warum empfehlen Sie gerade dieses Szenario?
Flächendeckend heisst, dass ca. 80% der Haushaltszähler sowie der Zähler in Büros und kleineren Betrieben durch Smart Meter ersetzt werden. Nicht von heute auf morgen, sondern über eine Zeitraum von zehn Jahren. Wir empfehlen diese, da wir bei diesem Szenario einen deutlich grösseren volkswirtschaftlichen Nutzen erwarten als bei einer teilweisen Einführung oder wenn wir im Status Quo verharren.
Von
der Einführung der Smart-Metering-Technologie würden vor allem Endverbraucher
profitieren, die Kosten hingegen tragen Netzbetreiber und Produzenten. Wie soll
sich eine Technologie durchsetzen, wenn es Verlierer gibt?
Der gesamtvolkswirtschaftliche Nutzen überwiegt. Den Kosten bei den Netzbetreibern
und Produzenten steht ein deutlich grösserer Nutzen bei den Konsumenten gegenüber, welche
insbesondere von einer Reduktion des Stromverbrauchs profitieren. Man spricht
bei einer solchen Situation von Split Incentives. Um diesen Konflikt
aufzulösen, kann der Regulator für eine gerechtere Verteilung des
Nutzens sorgen, indem beispielsweise die Gewinner
ein Stück des Gewinnes mit den übrigen Akteuren teilen. Wie das konkret
aussehen wird, muss die Politik entscheiden.
Einsparungen
sollen vor allem bei den Haushalten und im Gewerbe möglich sein. Allein, die
Tatsache, dass überall intelligente Geräte installiert sind, heisst noch nicht,
dass sich die Leute auch energiesparend verhalten...
Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Smart Meter führen alleine noch
nicht zu einem energieeffizienteren Verhalten der Bürger. Aber die Daten, die
Smart Meter liefern, eignen sich hervorragend für Energiesparkampagnen. Eine Botschaft wie «in diesem Monat haben Sie fast 50% mehr Strom
verbraucht als ein typischer Haushalt Ihrer Grösse» bleibt haften
und ist auch dann präsent, wenn der Kauf des nächsten Haushaltsgeräts ansteht
oder die Wohnung für einen Kurzurlaub verlassen wird. Und dann sind die Empfänger
einer solchen Botschaft eher bereit, 30 Franken mehr für einen A+++ Kühlschrank
auszugeben oder noch einen Rundgang durch die Wohnung zu machen, um das WLAN
auszuschalten. Es ist die Summe solcher Entscheidungen, die den
Energieverbrauch unserer Gesellschaft beeinflusst.
Literaturhinweis:
Die Studie Folgeabschätzung einer Einführung von «Smart Metering» im Zusammenhang mit «Smart Grids» in der Schweiz kann als PDF-Datei heruntergeladen werden unter: http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/27072.pdf
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