Veröffentlicht: 05.06.12
Science

Faire Lastenverteilung für den globalen Klimaschutz

Diskussionen um ein globales Klimaabkommen drehen sich immer auch um Geldtransfers von Industrienationen an Entwicklungs- und Schwellenländer. Wissenschaftler der ETH Zürich haben nun untersucht, wie faire Transferzahlungen aussehen könnten und liefern eine konkrete Kostenschätzung. Ihre Resultate stellen sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Climate Change vor.

Claudia Naegeli
Wirtschaftliches Wachstum in China bedeutet mehr globale CO2-Emissionen. ETH-Wissenschaftler untersuchten, wie eine faire Lastenverteilung im globalen Klimaschutz aussehen könnte. (Bild: flickr)
Wirtschaftliches Wachstum in China bedeutet mehr globale CO2-Emissionen. ETH-Wissenschaftler untersuchten, wie eine faire Lastenverteilung im globalen Klimaschutz aussehen könnte. (Bild: flickr) (Grossbild)

Ob in Kopenhagen, Cancún oder Durban, die Ergebnisse der letzten drei internationalen Klimaverhandlungen blieben jeweils weit hinter den Erwartungen zurück. Das Problem ist bekannt und scheint dennoch beinahe unlösbar: Die Industriestaaten, welche die Treibhausgas-Emissionen in der Vergangenheit hauptsächlich verursachten, fordern von Entwicklungs- und Schwellenländern, ihren zukünftigen CO2-Ausstoss zu senken. Länder wie China oder Indien sind jedoch nach wie vor auf billige Energieträger wie z.B. Kohle oder Erdöl angewiesen, um ihre Wirtschaft voranzutreiben. Sie fordern deshalb Ausgleichszahlungen, wenn sie sich zum ambitiösen 2-Grad-Ziel bekennen sollen. Obwohl solche Transferzahlungen weitgehend unbestritten sind, ist noch völlig unklar, welche Länder wie viel erhalten bzw. beisteuern sollen. Zudem konnte man sich noch nicht auf einen CO2-Preis einigen, der beziffern soll, wie viel das Verhindern der Emission einer Tonne CO2 wert ist.

Florian Landis, Doktorand am ETH-Centre for Energy Policy and Economics und Thomas Bernauer, Professor am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich, haben nun untersucht, wie faire Transferzahlungen aussehen könnten, und liefern erstmals eine konkrete Kostenschätzung unter der Annahme, dass CO2-Preise regional festgelegt werden. Regionale CO2-Preise haben den Vorteil, dass sie den unterschiedlichen wirtschaftlichen Ausgangslagen der Länder Rechnung tragen.

Mit Klimamodellen Transferzahlungen berechnen

Die Wissenschaftler bestimmten zuerst, welchen wirtschaftlichen Nachteil Regionen haben, wenn sie Emissionen einsparen, und setzten das in Relation zu einem möglichen zukünftigen Nutzen. So konnten sie regionale CO2-Preise schätzen. Für diese Berechnungen teilten die Wissenschaftler die Welt in vier Regionen ein: Afrika und Lateinamerika, Asien, Osteuropa und die ehemalige Sowjetunion sowie die OECD-Staaten. Anschliessend kombinierten sie globale Klimamodelle mit regionalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und untersuchten so, wie sich regionale CO2-Preise unter verschiedenen Emissions-, Klimawandel- und Wirtschaftsszenarien verhalten.

Die Berechnungen zeigten, dass sich die Verhältnisse zwischen regionalen CO2-Preisen unter verschiedensten Annahmen und Szenarien auffallend gleichen. «Dass wir mit allen Szenarien zu vergleichbaren Ergebnissen kommen, ist insofern erstaunlich, als alle unsere Arbeitsgrundlagen mit vielen Unsicherheiten behaftet waren», sagt Florian Landis. Wie sich Emissionen auf den Temperaturanstieg auswirkten und sich dieser dann in wirtschaftlichen Einbussen niederschlage, sei schwer abzuschätzen. Ebenso schwierig sei es, Prognosen zu machen, wie sich die zukünftigen Treibhausgas-Emissionen entwickeln.

Geldtransfers im grossen Stil notwendig

Landis und Bernauer postulieren nun, dass eine Klimapolitik, die zum Beispiel auf den Handel von Emissionsrechten setzt und so zu einem globalen CO2-Preis führt, als Kompromiss zwischen regionalen CO2-Preisen interpretiert werden muss. Von diesem globalen CO2-Preis ausgehend, haben die Forscher ermittelt, welche regionalen CO2-Preise diesem Preis zugrunde liegen könnten. Daraus leiteten sie Transferzahlungen ab, die bewirken sollen, dass die Regionen netto gleich viel in den Klimaschutz investieren, als hätte man regionale CO2-Preise angewandt. Am Beispiel eines durchschnittlichen globalen CO2-Preises von 35 US-Dollar berechnen die Wissenschaftler, was das für die vier Regionen konkret bedeutet. Gemäss den Berechnungen müssten je nach Szenario globale Transferzahlungen zwischen 15 und 48 Milliarden US-Dollar pro Jahr fliessen.

Da die Studie trotz aller miteinbezogenen Unsicherheiten so deutliche Resultate liefert, fällt den Wissenschaftlern die Interpretation leicht: Strebt man nach einer globalen Lösung für das Klimaproblem, muss Geld im grossen Stile umverteilt werden. Landis und Bernauer verstehen ihre Studie deshalb auch als Diskussionsbeitrag, der eine realistische Einschätzung der Transfersummen zulässt. Thomas Bernauer hält fest: «Die bisher diskutierten Summen von 100 bis 200 Milliarden pro Jahr basieren nicht auf einer soliden Analyse der Kosten, Verantwortlichkeiten, Kapazitäten und Interessen. Wir haben versucht, mit Blick auf fundamentale Prinzipien der Fairness einen Ansatz zu entwickeln, mit dem sich die politisch heiss umstrittene Debatte um Transferzahlungen sachlicher und wissenschaftlich fundierter führen lässt.»

Literaturhinweis

Landis F & Bernauer T. Transfer payments in global climate policy. Nature Climate Change, Published online, 3rd June 2012. DOI: 10.1038/nclimate1548

 
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