Veröffentlicht: 03.05.12
Science

Die Sonnen-Verflüssiger

Der ETH-Spin-off «Sunbiotec» wandelt Landwirtschafts-Abfälle mit Sonnenenergie in flüssige Treibstoffe um. Das ist vor allem für Agrarunternehmen in Ländern mit viel Sonne interessant, zum Beispiel in Brasilien. Dort könnten schon bald Flugzeuge mit Biokerosen von «Sunbiotec» fliegen.

Samuel Schlaefli
Gilles Maag, Postdoc an der ETH und CEO von Sunbiotec, vor einem Laborreaktor, mit dem sich landwirtschaftliche Abfälle in Syngas umwandeln lassen. (Bild: Samuel Schlaefli)
Gilles Maag, Postdoc an der ETH und CEO von Sunbiotec, vor einem Laborreaktor, mit dem sich landwirtschaftliche Abfälle in Syngas umwandeln lassen. (Bild: Samuel Schlaefli) (Grossbild)

Die Sonne ist ein grosszügiger und unerschöpflicher Energielieferant: Die Energie, die die Wüsten unserer Welt in sechs Stunden empfangen, reicht dazu aus, den Strombedarf der Menschheit für ein ganzes Jahr abzudecken. Doch die Sonnenstrahlung hat ihre Tücken: Sie ist ungleichmässig über den Globus verteilt und der Mensch muss sich abhängig von seinem Standort den Wetterlaunen und dem Tag/Nacht-Zyklus fügen. Eine Speicherung wäre also praktisch, ist jedoch aus technischen Gründen schwierig und teuer. Zum Beispiel ist die Energiedichte heutiger Batterien noch immer wesentlich geringer als diejenige von flüssigen Treibstoffen. Um mit Strom gleich weit zu fahren wie mit 50 Liter Diesel, müsste man eine Batterie von 1000 Kilogramm mitschleppen.

Vergasung von organischen Abfällen

Wäre es also nicht sinnvoll, Sonnenenergie anstelle in Batterien in Form von flüssigen Treibstoffen zu speichern? Genau das will der ETH-Spin-off «Sunbiotec». Das Unternehmen ist anfangs Jahr aus dem Labor von Professor Aldo Steinfeld vom Institut für Energietechnik der ETH Zürich hervorgegangen. Steinfeld erlangte bereits im Dezember 2010 mit einem «Solarreaktor», mit dem Wasser und CO2 mithilfe von Sonnenstrahlung in Synthesegas umgesetzt wird, weltweit Bekanntheit (siehe ETH Life vom 4.01.11). Handelte es sich dabei noch um Grundlagenforschung, so präsentiert «Sunbiotec» nun eine marktreife Technologie zur «Verflüssigung» von Sonnenenergie.

Dazu wird ein von Steinfelds Gruppe entwickelter Reaktor (siehe Schema) mit gebündelter Sonnenenergie auf 1200°C aufgeheizt. Bei dieser Temperatur können organische Abfälle, wie Holzschnitzel, Getreidespreu, Klärschlamm oder auch Gummi, unter Beimischung von Wasserdampf vergast werden. Als Endprodukt fällt ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid an, sogenanntes Synthesegas. Dieses kann über die Fischer-Tropsch-Synthese in flüssige Treibstoffe wie Benzin oder Kerosin weiterverarbeitet werden. Als Abfallprodukt bleibt im Idealfall nur ein Häufchen Asche zurück. Die Reaktion als solches ist nichts Neues; der Einsatz von Sonnenenergie jedoch schon: «In herkömmlichen Verfahren wird 30 Prozent der gespeicherten Energie in der Biomasse gleich wieder für die Prozesswärme verbraucht», erklärt Gilles Maag, Postdoc an der ETH und CEO von Sunbiotec. «Wir führen dagegen die Prozesswärme über die Sonne zu und können so das Ausgangsmaterial mit 30 Prozent Sonnenenergie anreichern.»

Den Beweis dafür haben die Forscher letztes Jahr an der «Plataforma Solar de Almeria» (PSA) angetreten, einer thermischen Solaranlage für Forschungszwecke in Spanien. 300 Sonnenspiegel von je 40 Quadratmeter Fläche sind dort auf einen zentralen Punkt in einem 80 Meter hohen Turm gerichtet. Im Rahmen eines gemeinsamen KTI-Projekts testeten das Paul Scherrer Institut (PSI), die ETH und Holcim eine 250 Kilowatt-Pilotanlage. Als Ausgangsprodukt nutzten die Forscher unter anderem feuchte Bagasse, ein Abfallprodukt aus der Zucker- oder Bioethanolproduktion. 140 Kilogramm Füllgewicht wurden von der konzentrierten Sonnenstrahlung bei 1200°C in acht Stunden umgesetzt, wobei die Hälfte des Gewichts auf Wasser entfiel, das die Forscher direkt als Wasserdampf für die Reaktion nutzten. Der Versuch lief noch ohne Fischer-Tropsche-Synthese ab. Das produzierte Syngas hätte aber theoretisch ausgereicht, um 23 Liter Biokerosen herzustellen.

Interesse aus der Papierindustrie

Dass sich Sunbiotec derzeit auf Bagasse und Biokerosen konzentriert, hat mit den guten Kontakten nach Brasilien zu tun. Dort wird Zuckerrohr im grossen Stil angepflanzt wird. Zehn Prozent der Zuckerrohr-Abfälle, die im Nordosten des Landes anfallen, würden laut Berechnungen der Forscher für die Versorgung der gesamten brasilianischen Luftfahrt ausreichen. Zudem werden Forschungsanstrengungen zum Fliegen mit Biokerosen derzeit von der brasilianischen Regierung gefördert. Dies, nachdem heute bereits ein Viertel des brasilianischen Strassenverkehrs mit Biotreibstoffen versorgt wird. Dieser Boom wird regelmässig kritisiert, schliesslich konkurrenzieren die Biotreibstoffe die Nahrungsmittelproduktion.

Dessen ist sich Maag bewusst. Er betont jedoch, dass der Rohstoff für Sunbiotec die Abfälle und nicht die Nahrungsmittel selbst sind. Zudem sei das Verfahren nicht zwangsläufig an die Biotreibstoff-Produktion gekoppelt. Auch die Papierindustrie könnte nämlich einst zu den Kunden von Sunbiotec gehören, da bei der Papierproduktion ebenfalls grosse Mengen an organischen Abfällen entstehen. Auf einer Promotions-Tour in Brasilien traf der Vorschlag bei Papierproduzenten auf Interesse. Eines der Unternehmen wird nun eine Probe von Holzabfällen aus der Papier- und Zellstoffproduktion für Tests im Versuchsreaktor nach Zürich schicken.

13 Millionen Liter Biokerosen pro Jahr

Als nächsten Entwicklungsschritt streben Maag und Steinfeld die Installation eines Ein-Megawatt-Forschungsreaktors in Brasilien an, vergleichbar mit der Versuchsanlage in Almería. An dieser vorkommerziellen Anlage, die bis 2015 stehen soll, will «Sunbiotec» zeigen, dass das Verfahren problemlos aufskaliert werden kann. Maag und Steinfeld hoffen, dass sich an den Investitionen von 17 Millionen Franken unter anderem die Brasilianische Entwicklungsbank und die Agentur für Innovation beteiligen. Denn die Anlage soll auch brasilianischen Forschern langfristig für eigene Tests offen stehen. Für potentielle Kunden, wie Papierhersteller oder Agrarkonzerne, will Sunbiotec künftig Solarfarmen bauen, bestehend aus Spiegeln, einem Solarreaktor und einem Modul für die Fischer-Tropsche Synthese.

Bis 2020 sollen die ersten solchen kommerziellen Anlagen mit 75 Megawatt Leistung in Betrieb sein. Damit könnten nach Berechnungen der Forscher jährlich 50`000 Tonnen Bagasse zu 13 Millionen Liter Biokerosen umgesetzt werden, für einen geschätzten Verkaufspreis von 80 Rappen pro Liter. Die Investitionskosten für die Anlage sind mit 100 Millionen Schweizerfranken hoch. Doch Maag ist überzeugt, dass die Zeit für «Sunbiotec» arbeiten wird: «Der Erdölpreis wird in den kommenden Jahren kontinuierlich ansteigen. Gleichzeitig werden die Kosten für thermische Solaranlagen durch Innovationen und günstigere Produktionstechniken weiter sinken.» Zukunftsmärkte für «Sunbiotec» sieht Maag neben Südamerika vor allem in Asien und «überall dort, wo viel landwirtschaftliche Abfälle anfallen und die Sonne meistens scheint.»