Veröffentlicht: 16.04.12
Science

Windkraft mit Vorteilen

Viele Entwicklungsländer sollten wegen den tieferen Kosten auf Windkraftwerke setzen. Dies empfehlen ETH-Forscher in einer neuen Studie zum Einsatz von Klimaschutzfördergeldern aus dem Norden.

Fabio Bergamin
Windpark in Zafarana, Ägypten. (Bild: Flickr / Creative Commons)
Windpark in Zafarana, Ägypten. (Bild: Flickr / Creative Commons) (Grossbild)

Welche erneuerbaren Energiequellen sollen in Entwicklungs- und Schwellenländern gefördert werden? Dieser Frage ist ein Team von Wissenschaftlern um Tobias Schmidt vom Departement Management, Technologie und Ökonomie (D-MTEC) der ETH Zürich nachgegangen. Die Forscher berechneten und verglichen für sechs ausgewählte Länder des Südens, was es kosten würde, einen Zehntel des Strombedarfs mit Windkraft oder Photovoltaik zu erzeugen. Das Ergebnis: Mit einem Förderfranken oder -dollar erzeugt man in allen untersuchten Ländern – Brasilien, Ägypten, Indien, Kenia, Nicaragua und Thailand – am meisten Strom, wenn man das Geld in Windkraftanlagen investiert.

Ihre Studie steht im Zusammenhang mit den Klimaschutzmassnahmen, die Industrieländer Entwicklungsländern in den nächsten Jahren finanzieren werden. Dabei geht es um grosse Summen: Ab dem Jahr 2020 werden jährlich hundert Milliarden Dollar im Namen des Klimaschutzes vom Norden in den Süden fliessen. Darauf haben sich die Staaten an der Klimakonferenz in Cancún 2010 geeinigt. Ein Teil dieses Geldes wird zur Deckung der Mehrkosten von erneuerbaren Energien gegenüber fossilen zur Verfügung stehen. Es ist also als Zuckerbrot für Entwicklungsländer gedacht, damit diese auf die in der Regel teureren grünen Technologien umsteigen. Wo und wie diese Gelder sinnvollerweise investiert werden, ist eine Frage, die derzeit Wissenschaftler und Politiker gleichermassen umtreibt.

Sogar günstiger als Status quo

Die ETH-Forscher verglichen ihre Berechnungen für Wind- und Solarkraft in den einzelnen Ländern auch mit dem gegenwärtigen Strommix, wobei sich Erstaunliches zeigte: In Kenia und Nicaragua wäre die Stromproduktion mit Windkraftanlagen sogar günstiger als die Produktion nach dem Status quo. Nicht nur Klimagründe sprächen dort also für einen grünen Wandel, sondern auch rein wirtschaftliche Gründe, wie die Studie zeigt. Beide Länder setzen heute teilweise auf Dieselgeneratoren. Wegen des derzeit hohen Erdölpreises verteuert dies die Stromherstellung enorm.

«Dass Windenergie in diesen Ländern billiger ist als der gegenwärtige Strommix, stimmt jedenfalls dann, wenn man den Berechnungen den Weltmarktpreis für fossile Energien zugrunde legt», sagt Schmidt. In der Praxis werden Erdgas und Erdöl allerdings vielerorts subventioniert. Ägypten beispielsweise stellt das eigene Erdgas den Stromkonzernen zu etwa dem halben Weltmarktpreis zur Verfügung. Und in anderen Ländern gibt es versteckte Subventionen. Kenia etwa hält den Strompreis stabil tief und deckt die wegen des steigenden Erdölpreises entstehenden Defizite in der Stromproduktion mit Steuergeldern.

«Subventionen reduzieren»

So leitet Schmidt aus seiner Studie auch eine politische Forderung ab. «Subventionen von fossilen Energieträgern müssen reduziert werden», sagt er. Denn solange fossile Energieträger direkt und indirekt so hoch subventioniert würden wie heute und damit fossile Kraftwerke gegenüber der erneuerbaren Energie vergünstigt würden, betriebe man mit den Klimaschutzfördergeldern eine Quersubvention von Erdöl und Erdgas. Dies stelle den Sinn der Klimaschutzfördergelder auf den Kopf. «Es ist daher wichtig, Fördergelder an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, etwa dass die Länder des Südens ihre Subventionen offenlegten, und dass diese bei der Festlegung der Fördergelder berücksichtigt werden.»

Der Umbau der Energieversorgung in den Entwicklungsländern wird allerdings auch mit diesen Geldern nicht von heute auf morgen geschehen. «In den nächsten zehn Jahren werden mit neuen Windkraftwerken noch keine existierenden fossilen Kraftwerke ersetzt», sagt Schmidt. Zunächst werden sie die bestehenden Kraftwerke ergänzen. Denn die Entwicklungs- und Schwellenländer haben parallel zu ihrem Wirtschaftswachstum einen steigenden Strombedarf. «Es geht darum, dass in den nächsten Jahren weniger zusätzliche fossile Kraftwerke gebaut werden. Und zudem darum, einen Grundstein zu legen für einen zukünftigen Ausbau der erneuerbaren Techniken, indem man in diesen Ländern die entsprechenden Strukturen schafft», sagt Schmidt.

Die Studie der ETH-Wissenschaftler ist die erste, in der die Kosten für einen teilweisen Wechsel auf Wind- und Sonnenenergie für einzelne Länder des Südens detailliert berechnet und mit den heutigen Aufwendungen für die Stromproduktion verglichen werden. Bisherige Studien hatten entweder einen breiteren Fokus – beispielsweise die weltweiten Kosten einer Energiewende – oder einen engeren – die Rentabilität einzelner Projekte. Die ETH-Forscher berücksichtigen in ihrer Studie nur Grosskraftwerke. Dezentrale, netzunabhängige Windturbinen und Photovoltaikanlagen schlossen sie aus. Diesen werden sie sich in einer nächsten Studie annehmen.

Literaturhinweis:

Schmidt TS, Born R, Schneider M: Assessing the costs of photovoltaic and wind power in six developing countries. Nature Climate Change, 2012, doi: 10.1038/nclimate1490