Veröffentlicht: 10.04.12
Globetrotter

Vom Meeresboden ins Labor

Michael Strasser und Dominik Dinten
Froh, wieder Boden unter den Füssen zu haben: Michael Strasser und Dominik Dinten nach der zweiwöchigen Forschungsreise auf See (Bild: zVg M. Strasser / ETH Zürich).
Froh, wieder Boden unter den Füssen zu haben: Michael Strasser und Dominik Dinten nach der zweiwöchigen Forschungsreise auf See (Bild: zVg M. Strasser / ETH Zürich). (Grossbild)

Position: Yamashita Pier #3, Hafen von Yokohama. Die Matrosen haben soeben das Forschungsschiff Sonne am Pier im Hafen von Yokohama vertaut, und jeden von uns zieht es sofort an Land. Nach 14 Tagen auf hoher, teilweise stürmischer See haben wir endlich wieder festen Boden unter den Füssen. Jetzt gilt es noch, die letzten Berichte fertig zu schreiben, alle Daten zu sichern und alle Messgeräte und gewonnenen Proben für den Rücktransport sicher im Container zu verstauen.

Etwas erschöpft, aber sehr zufrieden blicken wir auf eine erfolgreiche Expedition zurück: Unsere Ausbeute sind die detaillierte Vermessung von über 1000 km Meeresboden und 17 Schwerelotkerne aus der Epizentrum-Region des Tohoku-Erdbebens, welches Magnitude neun hatte und vor über einem Jahr grosse Teile Japans erschütterte und den grossen Tsunami auslöste, deren Auswirkungen die ganze Welt in Schrecken versetzt hatte. Unsere ersten «An Bord»-Analysen am gewonnenen Kernmaterial dokumentieren, dass das Erdbeben grosse Sediment- und Gesteinsmassen am Meeresboden verschoben, aufgewirbelt und zum Abrutschen gebracht hat. Die geochemischen Analysen des Porenwassers zeigen, dass das chemische Gleichgewicht, welches sich aus dem Abbau von organischem Material in der Sedimentsäule ergibt, durch die Folgen des Erdbebens stark gestört wurde. Diese gemessenen geochemischen Anomalien erlauben es uns, die im Sediment vorhandenen «Fingerabdrücke» enormer tektonischer Kräfte schlüssig dem Erdbeben von vergangenem Jahr zuzuweisen, da Diffusionsprozesse im Porenwasser ältere chemische Ungleichgewichte bereits wieder ausgeglichen hatten.

Ebenfalls haben wir in den Kernen aus dem Japan-Graben ältere Sedimentablagerungen gefunden, die wohl vergangenen Erdbeben ähnlich dem Tohoku-Beben, zuzuweisen sind. Erste Resultate weisen auf mindestens drei ältere Ereignisse hin. Diese werden nun im Labor genauer analysiert und deren Alter wird mit der Radiokarbonmethode und anderen Datierungsmethoden bestimmt. Wir erhoffen uns, herausfinden zu können, wie häufig solche Mega-Beben auftreten. Diese sogenannten paleoseismologischen Daten liefern dann wichtige Grundsteine, um die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Beben innerhalb eines bestimmten Zeitraums abschätzen zu können, auch um die Schutzmassnahmen entsprechend zu verbessern.

So verlassen wir dann, mit Vorfreude auf die bevorstehenden Auswertungen, die «Sonne» und verabschieden uns von der Crew und unseren japanischen und deutschen Kollegen, welche im Verlauf der letzten zwei Wochen an Bord zu guten Freunden wurden. Im September werden wir uns wieder treffen, um die Resultate zusammenzutragen. Vorerst freuen wir uns aber darauf, schon bald wieder zu Hause zu sein und mit unseren Familien Ostern nachzufeiern.

Über die Autoren

ETH-Professor Michael Strasser und sein Masterstudent Dominik Dinten nehmen für zwei Wochen an einer Expedition vor der Küste Japans teil. Von dem Deutschen Forschungsschiff «Sonne» berichteten sie für ETH Life von ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen an Bord. Strasser war bereits zuvor an Forschungsfahrten vor der Küste Japans beteiligt (siehe ETH Life vom 7.01.2012).

 
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