Veröffentlicht: 19.03.12
Science

Den Flughafen in die Stadt integrieren

Flughäfen und Stadtregionen sind nicht nachhaltig. Das internationale Forschungsprojekt Better Airport Regions will das verbessern. Das Programm wird von der niederländischen Forschungsförderungsorganisation NWO mit 900‘000 Euro unterstützt. Christian Salewski, Projektleiter der beteiligten Forschungsgruppe an der ETH Zürich, erklärt, warum die Flughafenregion Zürich ein Modellfall ist.

Martina Märki
Christian Salewski untersucht die Wechselwirkung von Flughäfen und städtischer Entwicklung. (Bild: ETH Zürich)
Christian Salewski untersucht die Wechselwirkung von Flughäfen und städtischer Entwicklung. (Bild: ETH Zürich) (Grossbild)

Sie arbeiten mit Forschern der TU Delft und weiteren Partnern am Projekt Better Airport Regions. Wie kam es dazu und was ist der Beitrag der Zürcher zum Projekt?
Wir beschäftigen uns an der ETH seit rund vier Jahren im Rahmen unserer internationalen Forschungsplattform Airports and Cities mit dem Thema Stadt und Flughafen. Better Airport Regions wurde in diesem Umfeld von uns initiiert und integriert in ein niederländisches Forschungsprogramm, dessen Ausschreibung sehr gut zu unseren Forschungsinteressen passte. Wir sind in diesem aktuellen Projekt verbunden mit der TU Delft, die den Lead hat, mit der Universität Amsterdam und mit der TU München. Der dortige Projektleiter Mark Michaeli, Professor für Nachhaltigen Städtebau, hat vormals hier an der ETH gemeinsam mit mir und Kees Christaanse, Professor am Institut für Städtebau der ETH Zürich, den Forschungsschwerpunkt aufgebaut.

Ist das Forschungsprojekt eine rein akademische Angelegenheit oder bestehen auch Verbindungen zur Praxis?
Partner aus der Praxis sind für das Projekt enorm wichtig. Unsere Partner sind Schiphol Airport in Amsterdam und Zürich Airport. Regionale Partner in der Schweiz sind ausserdem die Gemeinde Kloten, die Stadt Zürich und der Kanton Zürich. Auch in den Niederlanden haben wir verschiedenste regionale und lokale Partner. Nicht zuletzt fliessen unsere Erkenntnisse auch in Planung und Entwicklung ein, da Kees Christiaanse auch Masterplanner von Schiphol Airport und Berater des Flughafen Zürich Kloten ist.

Wo liegt der inhaltliche Schwerpunkt?
Uns interessieren die Urbanisierungseffekte, die Flughäfen in städtischen Regionen auslösen. Und wir wollen untersuchen, wie Flughäfen zu mehr Nachhaltigkeit in urbanen Regionen beitragen können.

Sind Flughäfen nicht eher ein Problem für die Nachhaltigkeit?
Fliegen ist umweltschädlich. Wenn wir einen grünen Flughafen haben wollen, dann müssen wir uns bewusst sein, dass der Flugbetrieb als solcher noch auf lange Zeit hin nicht nachhaltig sein wird, weil beispielsweise die Entwicklung umweltfreundlicherer Treibstoffe noch auf sich warten lässt. Dieses Problem können wir als Städtebauer auch nicht lösen.

Was also können Sie als Städtebauer und Stadtplaner beitragen?
Wir betrachten den Flughafen nicht isoliert, sondern seine Wechselwirkung mit dem urbanen Umfeld. Ein Flughafen ist beispielsweise auch ein Anziehungspunkt: Die Stadt wächst, Betriebe siedeln sich an. Noch wichtiger: Verkehrsinfrastrukturen und andere Infrastrukturen werden erweitert, weil der Flughafen da ist. Es gibt viele Wechselwirkungen, in denen auch ein Potenzial für positive Entwicklungen steckt.

Woran denken Sie in diesem Zusammenhang?
Im Projekt Better Airport Regions denken wir vor allem an Flüsse von Menschen, Transporten, Energie, Abfall, Abwasser. Es gibt im Städtebau eine Entwicklung hin zu Modellen, bei denen man nicht mehr einfach ein energiefreundliches Haus plant, sondern ein energiefreundliches Quartier. Zum Beispiel, indem man die Abwärme einer Anlage als Heizenergie für ein anderes Gebäude nutzt, indem man Transportwege verkürzt und mehr. Wir möchten jetzt auch die Flughäfen in solche Überlegungen einbeziehen, konkret am Beispiel der Flughafenregion Amsterdam.

Welche Rolle spielt der Flughafen Zürich dabei?
Für den Flughafen Zürich haben wir bereits in den vergangenen Jahren städtebauliche Überlegungen entwickelt, zum Beispiel im Rahmen des Nationalfondsprojekts NFP 65 die Transformationsszenarien für die Region Zürich Nord und das Glattal. Der Fall Zürich kann uns in vielem als Referenzmodell dienen. Hinzu kommt, dass die Entwicklung im Glattal lange Zeit relativ ungeplant verlief – wir haben hier also eine Art Freiluftlaboratorium, an dem wir Effekte sehen, die wir an anderen Orten aufgrund viel höherer Regulation nicht beobachten können.

Welche Effekte sind das beispielsweise?
Wir sehen beispielsweise, dass Lärmemissionen nicht grundsätzlich dazu führen, dass Gebiete nicht mehr besiedelt werden. Im Gegenteil, in gewissen Gebieten steigt die Einwohnerzahl sogar, weil andere Faktoren attraktiv sind. Interessant ist auch die Situation der Stadt Kloten, auf deren Gebiet sich die zentralen Flughafengebäude befinden. Hier hat sich der Flughafen, nach dem Hauptbahnhof Zürich übrigens, zum zweitgrössten Shoppingcenter der Schweiz entwickelt. Wenn Sie aber von Kloten aus als Fussgänger dorthin wollen, müssen Sie durch Niemandsland, unter zwei Autobahnen hindurch. Wir überlegen nun, ob sich hier nicht ein Potenzial für eine bessere städtebauliche Integration des Flughafens in die Gemeinde ergibt.

Was halten Sie vom jüngsten Ausbauprojekt des Flughafens Zürich: Ist ein Dienstleistungszentrum wie The Circle nachhaltig?
Das Siegerprojekt für dieses Dienstleistungszentrum fördert durch seine Architektur die Anbindung an die Stadt. Aus Amsterdam wissen wir auch, dass es wirtschaftlich sein kann, Dienstleistungsraum direkt am Flughafen zu bieten, da dort die Büromieten so hoch sind wie mitten in der Innenstadt. Wenn dadurch unnötige Verkehrswege entfallen, umso besser. Eine andere Frage ist, ob die Dimension des Projekts stimmt.

Kann Zürich auch von anderen Flughafenregionen lernen?
Im Rahmen der Forschungsplattform Better Airports untersuchen wir solche 'best practice' Projekte, zum Beispiel das Landschaftskonzept des Flughafen München. Dort werden Gebiete in nächster Nähe zum Flughafen, die nicht anderweitig genutzt werden können, als Landschaftsschutzgebiete entwickelt. Auch interessant ist ein Projekt, das gegenwärtig vom Flughafen Amsterdam erarbeitet wird: Das Glykol, das zum Enteisen der Flugzeuge verwendet wird, soll dort mit Hilfe von Algen für die Erzeugung von Energie genutzt werden, die wiederum hilft, das Rechenzentrum des Flughafens zu betreiben.

Better Airport Regions

Das Projekt Better Airport Regions ist Teil des niederländischen Forschungsprogramms Urban Regions in the Delta, das von der NWO, der niederländischen Organisation für die Förderung wissenschaftlicher Forschung, ausgeschrieben wurde. Es wird von der NWO mit 900‘000 Euro gefördert.

 
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