Den Flughafen in die Stadt integrieren
Flughäfen und Stadtregionen sind nicht nachhaltig. Das internationale Forschungsprojekt Better Airport Regions will das verbessern. Das Programm wird von der niederländischen Forschungsförderungsorganisation NWO mit 900‘000 Euro unterstützt. Christian Salewski, Projektleiter der beteiligten Forschungsgruppe an der ETH Zürich, erklärt, warum die Flughafenregion Zürich ein Modellfall ist.
Sie arbeiten mit Forschern der TU
Delft und weiteren Partnern am Projekt Better Airport Regions. Wie kam es dazu
und was ist der Beitrag der Zürcher zum Projekt?
Wir
beschäftigen uns an der ETH seit rund vier Jahren im Rahmen unserer
internationalen Forschungsplattform Airports and Cities mit dem Thema Stadt und
Flughafen. Better Airport Regions wurde in diesem Umfeld von uns initiiert und
integriert in ein niederländisches Forschungsprogramm, dessen Ausschreibung
sehr gut zu unseren Forschungsinteressen passte. Wir sind in diesem aktuellen
Projekt verbunden mit der TU Delft, die den Lead hat, mit der Universität
Amsterdam und mit der TU München. Der dortige Projektleiter Mark Michaeli,
Professor für Nachhaltigen Städtebau, hat vormals hier an der ETH gemeinsam mit
mir und Kees Christaanse, Professor am Institut für Städtebau der ETH Zürich,
den Forschungsschwerpunkt aufgebaut.
Ist das Forschungsprojekt eine rein
akademische Angelegenheit oder bestehen auch Verbindungen zur Praxis?
Partner
aus der Praxis sind für das Projekt enorm wichtig. Unsere Partner sind Schiphol
Airport in Amsterdam und Zürich Airport. Regionale Partner in der Schweiz sind
ausserdem die Gemeinde Kloten, die Stadt Zürich und der Kanton Zürich. Auch in
den Niederlanden haben wir verschiedenste regionale und lokale Partner. Nicht
zuletzt fliessen unsere Erkenntnisse auch in Planung und Entwicklung ein, da
Kees Christiaanse auch Masterplanner von Schiphol Airport und Berater des
Flughafen Zürich Kloten ist.
Wo liegt der inhaltliche
Schwerpunkt?
Uns
interessieren die Urbanisierungseffekte, die Flughäfen in städtischen Regionen
auslösen. Und wir wollen untersuchen, wie Flughäfen zu mehr Nachhaltigkeit in
urbanen Regionen beitragen können.
Sind Flughäfen nicht eher ein Problem für die Nachhaltigkeit?
Fliegen ist umweltschädlich. Wenn wir
einen grünen Flughafen haben wollen, dann müssen wir uns bewusst sein, dass der
Flugbetrieb als solcher noch auf lange Zeit hin nicht nachhaltig sein wird,
weil beispielsweise die Entwicklung umweltfreundlicherer Treibstoffe noch auf
sich warten lässt. Dieses Problem können wir als Städtebauer auch nicht lösen.
Was also können Sie als Städtebauer und Stadtplaner beitragen?
Wir betrachten den Flughafen nicht
isoliert, sondern seine Wechselwirkung mit dem urbanen Umfeld. Ein
Flughafen ist beispielsweise auch ein
Anziehungspunkt: Die Stadt wächst, Betriebe siedeln sich an. Noch wichtiger:
Verkehrsinfrastrukturen und andere Infrastrukturen werden erweitert, weil der
Flughafen da ist. Es gibt viele Wechselwirkungen, in denen auch ein Potenzial
für positive Entwicklungen steckt.
Woran denken Sie in diesem Zusammenhang?
Im Projekt Better Airport Regions denken
wir vor allem an Flüsse von Menschen, Transporten, Energie, Abfall, Abwasser.
Es gibt im Städtebau eine Entwicklung hin zu Modellen, bei denen man nicht mehr
einfach ein energiefreundliches Haus plant, sondern ein energiefreundliches
Quartier. Zum Beispiel, indem man die Abwärme einer Anlage als Heizenergie für
ein anderes Gebäude nutzt, indem man Transportwege verkürzt und mehr. Wir
möchten jetzt auch die Flughäfen in solche Überlegungen einbeziehen, konkret am
Beispiel der Flughafenregion Amsterdam.
Welche Rolle spielt der Flughafen Zürich dabei?
Für den Flughafen Zürich haben wir bereits
in den vergangenen Jahren städtebauliche Überlegungen entwickelt, zum Beispiel
im Rahmen des Nationalfondsprojekts NFP 65 die Transformationsszenarien für die
Region Zürich Nord und das Glattal. Der Fall Zürich kann uns
in vielem als Referenzmodell dienen. Hinzu kommt, dass die Entwicklung im
Glattal lange Zeit relativ ungeplant verlief – wir haben hier also eine Art
Freiluftlaboratorium, an dem wir Effekte sehen, die wir an anderen Orten
aufgrund viel höherer Regulation nicht beobachten können.
Welche Effekte sind das beispielsweise?
Wir sehen beispielsweise, dass
Lärmemissionen nicht grundsätzlich dazu führen, dass Gebiete nicht mehr
besiedelt werden. Im Gegenteil, in gewissen Gebieten steigt die Einwohnerzahl
sogar, weil andere Faktoren attraktiv sind. Interessant ist auch die Situation
der Stadt Kloten, auf deren Gebiet sich die zentralen Flughafengebäude
befinden. Hier hat sich der Flughafen, nach dem Hauptbahnhof Zürich übrigens,
zum zweitgrössten Shoppingcenter der Schweiz entwickelt. Wenn Sie aber von
Kloten aus als Fussgänger dorthin wollen, müssen Sie durch Niemandsland, unter
zwei Autobahnen hindurch. Wir überlegen nun, ob sich hier nicht ein Potenzial
für eine bessere städtebauliche Integration des Flughafens in die Gemeinde ergibt.
Was halten Sie vom jüngsten Ausbauprojekt des Flughafens Zürich: Ist ein
Dienstleistungszentrum wie The Circle nachhaltig?
Das Siegerprojekt für dieses
Dienstleistungszentrum fördert durch seine Architektur die Anbindung an die
Stadt. Aus Amsterdam wissen wir auch, dass es wirtschaftlich sein kann,
Dienstleistungsraum direkt am Flughafen zu bieten, da dort die Büromieten so
hoch sind wie mitten in der Innenstadt. Wenn dadurch unnötige Verkehrswege
entfallen, umso besser. Eine andere Frage ist, ob die Dimension des Projekts
stimmt.
Kann Zürich auch von anderen Flughafenregionen lernen?
Im Rahmen der Forschungsplattform Better
Airports untersuchen wir solche 'best practice' Projekte, zum Beispiel das
Landschaftskonzept des Flughafen München. Dort werden Gebiete in nächster Nähe
zum Flughafen, die nicht anderweitig genutzt werden können, als
Landschaftsschutzgebiete entwickelt. Auch interessant ist ein Projekt, das
gegenwärtig vom Flughafen Amsterdam erarbeitet wird: Das Glykol, das zum
Enteisen der Flugzeuge verwendet wird, soll dort mit Hilfe von Algen für die
Erzeugung von Energie genutzt werden, die wiederum hilft, das Rechenzentrum des
Flughafens zu betreiben.
Better Airport Regions
Das Projekt Better Airport Regions ist Teil des niederländischen Forschungsprogramms Urban Regions in the Delta, das von der NWO, der niederländischen Organisation für die Förderung wissenschaftlicher Forschung, ausgeschrieben wurde. Es wird von der NWO mit 900‘000 Euro gefördert.
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