Zwischen Fondue und Asado
Marlen Müller hat eine kurze Auszeit während ihres Praktikums genutzt, um in die argentinische Schweiz zu reisen. Dort fehlten ihr nur die gut ausgeschilderten Wanderwege und die präzisen Busfahrpläne.
Ich habe eine Woche frei bekommen (Mein Betreuer: «Si si, enjoy Argentina!») und bin mit meiner Zimmergenossin nach San Carlos de Bariloche gefahren. Die 20-stündige Busfahrt durch ewige Steppen, schroff abfallende Bergrücken und bizarr in den Himmel wachsende Felsen hat sich gelohnt, als ich die wunderschöne Seenlandschaft des Nationalparks Nahuel Huapi und die umliegenden 2000er Gipfel von San Carlos de Bariloche erspähte – ein kleines Stück Schweiz auf der anderen Seite der Welt.
Die Zürcher Kantonsflagge flattert vor mir an einer Leine,
zwischen derjenigen von Zug und Luzern, hier in der Colonia Suiza – dem
Schweizer Dorf nahe San Carlos de Bariloche in den Voranden von Patagonien, im
Herzen Argentiniens. Des Weiteren kann man hier Queso Fondue por dos personas
(Chäsfondue für 2) für nur 95 ARS (ca. 21 CHF) essen – Angebot des Tages, und das
günstigste Käsefondue, das ich je hatte! Beim Bestellen einer Cola in einem
Restaurant wird mir auf einmal auf Deutsch geantwortet. Ende des 19.
Jahrhunderts haben sich hier Schweizer Familien aus dem Wallis niedergelassen
und dabei ihre Traditionen importiert.
Während meine Freundin und ich auf den
Bus warten, der uns wieder ins Zentrum von San Carlos de Bariloche bringen
sollte, schaue ich mir die Häuser in der Umgebung genauer an. Vom Hotel «Heidi»
bis «Tirol» ist hier alles vertreten und ich bin mir sicher: Zum Dessert in den
vielen Cafés und Restaurants kann man sich auf einen hausgemachten Strudel
freuen.
Aber nicht nur die Gebäude und Speisen ähneln denen der Schweiz und Österreichs. Auch die umliegenden Berge, Seen und Wiesen erinnern stark an den Ausblick von Rigi-Kulm und Co. Doch vergeblich sucht man hier gut ausgebaute und gewissenhaft beschilderte Wanderwege bzw. minutengenaue Busfahrpläne. Alles ist ursprünglicher und grossräumiger als in der Schweiz und ich war froh, dass ich eine Ortskundige bei mir hatte, mit der ich die Umgebung erkunden konnte.
Ein grosses Stück Fleisch als Geschäftsessen
Neulich hat meine Forschungsgruppe zusammen mit dem Team aus
Buenos Aires ein Geschäftsessen veranstaltet, um Ergebnisse und Ideen
auszutauschen. Wir hatten typischen Asado, ein großes Stück Rindfleisch mit
etwas Salat und Pommes Frites, in einer Parilla (Steak-Haus). Man klärte mich
über die schlechten Zustände an den öffentlichen Universitäten auf. Besonders
bei Erstsemestrigen-Veranstaltungen sind die Hörsäle überfüllt und die
Sauberkeit lässt zu wünschen übrig. Argentinische Universitäten haben keine
Zugangsbeschränkung. Jeder kann sich für irgendeine Studienrichtung
einschreiben. Dadurch gewährt man zwar allen die gleichen Chancen, aber die
akademische Infrastruktur ist dafür nicht gut genug ausgestattet.
Aber momentan ist man guter Dinge. Die Regierung hat erst kürzlich vernehmen lassen, dass zukünftig noch mehr öffentliche Gelder in die Forschung gesteckt werden. Unter Präsidentin Kirchner, die im November in ihrem Amt bestätigt wurde, erlebt die argentinische Forschung einen Aufschwung.
Weitere Themen waren, wie gut mir doch Argentinien gefallen würde und wie stark die Preise für hiesiges Fleisch gestiegen sind– sehr wissenschaftlich! Meine Kollegen haben mir erzählt, dass es nicht mehr jedermanns Sache sei, einen grossen Asado zu machen, so wie es noch vor wenigen Jahren üblich war. Stattdessen gibt man sich mit günstigeren Alternativen wie Hühnchen (Pollos) zufrieden. Asado gibt’s grundsätzlich nur noch zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen am Sonntag oder zum wissenschaftlichen Austausch.
Oktoberfestkultur in La Plata
Kürzlich hat mich eine Arbeitskollegin, die einen Sprachkurs
in Deutsch belegt (sie war für eine Tagung zwei Tage in Düsseldorf und sofort
von der deutschen Sprache begeistert!) zu dem «Bierfest» des deutschen
Instituts der Universidad Nacional de La Plata eingeladen. Man hat mich mit
Oktoberfeststimmung und Après-Ski-Hits empfangen und das Bier wurde aus
Münchner Oktoberfestkrügen getrunken. Ich glaube, dass ich die einzige «richtige»
Deutsche auf dieser Feier war, umso mehr war ich beim Karaoke von Nena und Co.
gefragt. Zwei Stunden später hatten die meisten Gäste Kopfschmerzen von
Rammstein und den Toten Hosen, und es wurde Salsa und argentinischer Pop
aufgelegt. Da begann dann wirklich jeder seine Hüften zu schwingen – back to
the roots!
Zur Person
Marlen Müller (25) studiert an der ETH Zürich im Masterprogramm Computational Biology and Bioinformatics. Zurzeit absolviert sie an der Universität in La Plata, Provinz Buenos Aires, ein IAESTE Praktikum, das sie freiwillig gewählt hat, um eine andere Kultur kennenzulernen und ihre Spanischkenntnisse aufzubessern. Ihr Praktikum dauert bis Ende Dezember 2011.
LESERKOMMENTARE