Veröffentlicht: 14.10.11
Science

Mit genetischem Strichcode gegen Holzfrevel

Der massive Raubbau an madagassischen Tropenhölzern gefährdet die einmalige Insel-Flora und -Fauna. Ein Projekt der ETH Zürich und des Zürcher Zoos will mit einer neuen Deklarationsmethode für Holz den illegalen Holzhandel erschweren.

Peter Rüegg
Ein Einheimischer zeigt das begehrte rote Kernholz einer Rosenholz-Art. (Bild: Zoo Zürich, Martin Bauert)
Ein Einheimischer zeigt das begehrte rote Kernholz einer Rosenholz-Art. (Bild: Zoo Zürich, Martin Bauert) (Grossbild)

Mit den Animationsfilmen «Madagascar 1 und 2» eroberten die Filmemacher von Dreamworks Animation Studios die Herzen von Millionen von Zuschauern. Nicht nur die neurotischen Zootiere wurden zu Publikumslieblingen, sondern auch die Lemuren, die in den Filmen eine zentrale Rolle spielen.

Die Realität ist allerdings alles andere als ein Traum. Für die einzigartige Flora und Fauna, die es auf Madagaskar gibt, ist sie ein Albtraum. Illegaler Holzschlag bedroht die letzten Wälder der Insel, Lebensraum von rund 100 verschiedenen Lemuren-Arten. Abgesehen haben es die Holzfäller auf Edelhölzer wie Rosenholz, Palisander oder Ebenholz. Und sie machen auch vor Nationalparkgrenzen wie dem Masoala-Nationalpark nicht Halt. 2009 wurden täglich 100 bis 200 Stämme geschlagen und aus dem Nationalpark entwendet.

Krise heizt Run auf Holz an

90 Prozent des madagassischen Holzes wird nach Asien für die Herstellung teurer Möbel verschifft, 5 Prozent nach Europa und die USA, wo insbesondere die Gitarrenindustrie eine grosse Nachfrage nach den tropischen Hölzern schafft. Das Geschäft mit dem illegalen Holz läuft und setzt dreistellige Millionenbeträge um – jährlich. Mittlerweile sind die dicksten Stämme gefällt und die Holzfrevler schlagen immer dünnere Bäume. Verschärft wurde die Situation durch politische Unruhen, die im März 2009 Madagaskar erschütterten. Die Folge war ein Stopp von internationalen Hilfsgeldern, was den Run auf natürliche Ressourcen beschleunigte.

Mittlerweile hat die Inselregierung auf internationalen Druck hin eine Zusage gemacht, die bedrohten Edelhölzer auf die CITES-Liste der geschützten Arten setzen zu lassen. Das CITES-Abkommen soll dafür sorgen, dass Pflanzen und Tiere nur noch mit einem Herkunftsnachweis international gehandelt werden dürfen – oder gar nicht mehr, wenn eine Art in Anhang 1 aufgeführt ist.

Doch diesen Nachweis, von welcher Art das Holz stammt, zu erbringen, ist für tropische Bäume extrem schwierig. Auf Madagaskar gibt es rund 60 Dalbergia-Arten, acht davon gehören zu den begehrten «Rosenholz»-Arten. Bei diesen Bäumen ist das Kernholz rot, hart und deshalb sehr gesucht. Der Rest, das weichere helle Kambium, wird als unnötiger Ballast weggeschlagen. Die Rosenholz-Arten ohne Blätter, Früchte oder Blüten voneinander zu unterscheiden, ist unmöglich.

Genetische Strichcodes

Professor Alex Widmer vom Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich und Martin Bauert vom Zoo Zürich haben nun ein Projekt gestartet, um den Artnachweis trotz dieser Schwierigkeiten erbringen zu können. Die Idee: eine Methode zu entwickeln, die es ermöglicht, aus Kernholz die Erbsubstanz zu isolieren, zu analysieren und genetische ‚Strichcodes’ für jede Art zu erstellen. Damit wäre es möglich, überall auf der Welt bei Verdacht Holzproben zu nehmen und die Herkunft und Identität genetisch zu bestimmen. «Dies ist eine Methode zur Überprüfung der Deklaration. Illegal geschlagenes Holz kann damit in Zukunft erkannt und beschlagnahmt werden.» Dadurch sollen die Abnehmer des Holzes in die Verantwortung genommen werden können, was die Nachfrage reduzieren und damit den Raubbau eindämmen soll, hofft der ETH-Professor.

Damit dies gelingt, sind einige Hindernisse zu überwinden: «Die DNS aus Holz zu isolieren, ist schwierig», betont Widmers Doktorandin Sonja Hassold, die das Projekt als PhD-Stipendiatin des Zurich-Basel Plant Science Centers durchführt, unterstützt von der Stiftung Mercator Schweiz. Denn im Kernholz ist kaum lebendes Material zu finden, das DNS enthält. Die Erbsubstanz baut sich überdies nach dem Fällen eines Baums ab, zerfällt in teils kurze Stücke, die schwierig zu analysieren sind. Dieser Abbau ist auch abhängig davon, wie lange und unter welchen Bedingungen das Holz gelagert wurde.

Genetische Unterscheidung der Arten schwierig

Zudem ist es nicht klar, ob es nur acht Arten sind. Widmer rechnet damit, dass seine Doktorandin auf ihrer Forschungsreise nach Madagaskar auch Material von bisher unbekannten Arten findet. Der Strichcode-Ansatz müsste also unbekannte Arten erkennen und bestimmen können – für die Wissenschaft ein ungelöstes Problem.

Weitere Schwierigkeit: Tropische Arten sind oft nahe miteinander verwandt, genetische Unterschiede sind deshalb klein, insbesondere bei der Chloroplasten-DNS, welche Biologen für das Barcoding benutzen. Hassold konnte denn auch mit ersten Tests, die sie an Referenzmaterial aus Madagaskar und dem Zürcher Zoo durchgeführt hat, nur drei Gruppen unterscheiden. Die Chloroplasten-DNS der Rosenholzarten genügt nicht, um die Bäume auf Artniveau zu bestimmen.

Die Forscher müssen deshalb auch das Genom des Zellkerns untersuchen und neue genetische Marker oder Mikrosatelliten finden. Die Erbsubstanz aus den Zellkernen der fraglichen Baumarten ist aber weitgehend unerforscht. «Wir müssen deshalb modernste Sequenziermethoden anwenden, um möglichst rasch diese Marker zu entwickeln», sagt Widmer.

Herbarien wichtig

Weiter erschwert wird die Identifizierung der Bäume durch ein Problem, das Hassold erst auf ihrer Sammelreise nach Madagaskar angetroffen hat: Die grossen Bäume sind weitgehend abgeholzt. Zu finden sind meist nur noch Jungpflanzen, denen die Merkmale der «erwachsenen» Bäume – Blüten, Früchte Rinde oder eindeutige Blattformen - fehlen. Dadurch fehlt ihr für DNS-Tests Vergleichsmaterial, was es schwierig macht, einen Strichcode der entsprechenden Baumart zuzuordnen. Vergleichsmaterial aus Herbarien, wissenschaftlichen Sammlungen mit getrockneten Pflanzenbelegen, werden deshalb eine wichtige Rolle spielen.

Die Arbeit könnte sich in Zukunft auch auf weitere Baumarten ausdehnen, denn als Ersatz für die Rosenhölzer geht es nun zunehmend anderen Arten an den Kragen, etwa Bäumen der Gattung Diospyros. Und von diesen weiss die Forschung noch viel weniger. Dennoch ist der ETH-Professor zuversichtlich, dass es ihnen gelingen wird, die Bäume anhand ihrer DNS zu bestimmen und damit einen Beitrag zu leisten, um den sympathischen Animationsfilmhelden und ihren lebenden Vorbildern den Lebensraum zu erhalten.