Veröffentlicht: 11.08.11
Science

Faltengebirge gleiten auf weichen Flächen

Das Zagros-Gebirge ist geologisch gut erforscht. Wie es jedoch dazu kam, dass sich überwiegend Falten mit nahezu konstanten Wellenlängen von 14 Kilometern bildeten, konnten ETH-Wissenschaftler nun erstmals anhand von Computersimulationen zeigen.

Simone Ulmer
Das Salz aus dem Untergrund des Zagros dringt an manchen Stellen durch Spalten im Gestein an die Oberfläche und breitet sich dort ähnlich wie ein Gletscher aus. (Bild: NASA)
Das Salz aus dem Untergrund des Zagros dringt an manchen Stellen durch Spalten im Gestein an die Oberfläche und breitet sich dort ähnlich wie ein Gletscher aus. (Bild: NASA) (Grossbild)

Das rund 1500 Kilometer lange Zagros-Gebirge im Iran bildete sich erst in den vergangenen fünf Millionen Jahren. Reiche Ölvorkommen, mächtige Salzablagerungen, die aus dem Untergrund aufsteigen und als Salzgletscher zu Tage treten, sowie eine intensive Faltung machen dieses Gebirgsmassiv weltweit einzigartig. Insbesondere prägen relativ regelmässig wiederkehrende und gleichmässig erscheinende Falten das Zagros-Gebirge. Wie diese geologische Besonderheit zu erklären ist, konnten Geologen bis anhin nicht herausfinden. Doch Boris Kaus, Assistenzprofessor am Institut für Geophysik an der ETH Zürich, gelang es nun, das Geheimnis zu lüften.

Gebirgsbildung im Computermodel

Kaus hat, in Zusammenarbeit mit seinem Postdoc Philippe Yamato und anderen Wissenschaftlern aus Paris und Zürich, anhand von Computermodellen die Entstehung des Faltengebirges und dessen Gesteinseigenschaften über geologische Zeiträume untersucht. Das Zagros-Gebirge eignete sich besonders, da es eines der am besten untersuchten Gebirge der Welt ist. Seine Geologie ist durch Bohrungen in den Untergrund und seismische Profile gut erforscht.

Die Wissenschaftler versuchten mit ihren Modellen, die geologischen Strukturen, die sich über Jahrmillionen entwickelt haben, nachzubilden. Damit wollten sie herausfinden, wie es zu der besonderen räumlichen Verteilung der Falten mit einer Wellenlänge von etwa 14 Kilometern kommt und warum die Gesteinspakete vor allem gefaltet und nicht übereinander geschoben wurden.

Faltenjura anstatt Zagros-Faltung

Mit den herkömmlichen Modellen und Parametern gelang es den Wissenschaftlern jedoch vorerst nicht, die Falten zu reproduzieren. Immer wieder bildeten sich auf dem Bildschirm Überschiebungen, wie sie im Faltenjura zu finden sind. Faltenjura und Zagros-Gebirge sind sich zwar ähnlich, weil beide während der sogenannten Alpinen Orogenese entstanden und somit geologisch relativ jung sind. Ausserdem verfügen beide über Salzablagerungen an der Basis der Gesteinsschichten. Auf den Salzschichten kamen die überliegenden Gesteinsschichten der jeweiligen Gebirge durch tektonische Kräfte ins Gleiten. Dabei wurden die Gesteinspakete des Zagros gefaltet, die des Juras jedoch mehrheitlich übereinander geschoben.

Überschiebungen scheinen mit den herkömmlichen Modellen einfacher nachzubilden sein, denn bis die Forscher im Modell die charakteristische Faltung des Zagros erhielten, hatten sie alle Parameter variiert und zehn- bis zwanzigtausend Simulationen durchgeführt. Erst als sie die einzelnen Gesteinsabfolgen detaillierter in ihre Modelle einbezogen, gelang die Faltung des Zagros-Massivs.

Die herkömmlichen Modelle betrachteten bis anhin die Gesteinsabfolge generell als spröde. Nach all den erfolglosen Versuchen haben Kaus und sein Team dann aber die Gesteinsabfolgen differenzierter in ihren Modellen berücksichtigt, von unterschiedlich harten bis hin zu weichen, leicht verformbaren Gesteinen. Dadurch entpuppten sich neben dem Salzhorizont noch weitere Gesteinsschichten als Gleitflächen. Offensichtlich beeinflusst, entgegen bisheriger Annahmen, jede einzelne Gesteinsschicht den Faltungsprozess.

Die Wissenschaftler haben zudem eine neue Methode entwickelt, über die in Abhängigkeit der Materialparameter der Gesteine rasch und ohne langwierige Berechnungen die Wellenlänge der Falten abgeleitet werden kann.

Gebirgsbildung unter Wasser?

Mit der neuen Methode zeigen die Forscher, dass hauptsächlich zwei Parameter die Faltung und deren Wellenlänge kontrollieren: Die Fliessfähigkeit der weichen Gesteinslagen und der sogenannte Reibungswinkel, der die Spröde des Gesteins beschreibt. Bei hartem und trockenem Gestein beträgt der Reibungswinkel etwa 30 Grad. In diesem Fall bilden sich Überschiebungen und keine Falten. Um die Falten des Zagros mit einer Wellenlänge von 14 Kilometern zu erhalten, muss der Reibungswinkel laut den Ergebnissen der Forscher etwa 5 Grad gewesen sein. «Das ist ein überraschendes Resultat und ein starkes Indiz dafür, dass während der Gebirgsbildung ein hoher Fluiddruck herrschte», sagt Kaus. Das heisst, dass die Gesteine stark von Wasser durchdrungen waren. Die Forscher vermuten deshalb, dass der Gebirgsbildungsprozess entweder einsetzte, als die Gesteins- und Sedimentschichten noch mit Meerwasser bedeckt waren, oder dass im Gestein sehr viel Wasser vorhanden gewesen sein muss.

Literaturhinweis

Yamato P, Kaus BJP, Mouthereau F& Castelltort S: Dynamic constraints on crustal-scale rheology of Zagros fold belt, Iran, Geology (2011) Vol 39. No 9. p. 815-818. doi:10.1130/G32136.1

 
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