Veröffentlicht: 22.07.11
Science

Wer mehr weiss, spart mehr Geld und Energie

Wenn die Informationen über energiefreundliche Sanierungsmethoden fehlen, verzichten Hauseigentümer auf energetische Umbauten. Dabei könnten sie Energie und Kosten einsparen. Dieser Informationsmangel verzerrt den Markt für Gebäudeerneuerungen. Die ETH-Umweltökonomin Céline Ramseier hat untersucht, was das Entscheidungsverhalten von Hauseigentümern beeinflusst.

Florian Meyer
Ein typisches Wohnhaus aus dem Jahr 1954: Das Mehrfamilienhaus an der Segantinistrasse in Zürich vor dem Umbau. Die energiefreundliche Sanierung lässt die Bausubstanz weitgehend stehen und reduziert zugleich den Energieverbrauch (Bild: kämpfen für architektur ag)
Ein typisches Wohnhaus aus dem Jahr 1954: Das Mehrfamilienhaus an der Segantinistrasse in Zürich vor dem Umbau. Die energiefreundliche Sanierung lässt die Bausubstanz weitgehend stehen und reduziert zugleich den Energieverbrauch (Bild: kämpfen für architektur ag) (Grossbild)

Rund ein Drittel der gesamten Energiemenge der Schweiz verbraucht der Gebäudesektor. Das soll sich ändern: Gemäss den Energiezielen des Bundes soll der Schweizer Gebäudepark dereinst möglichst energieautark und emissionsfrei werden. Wenn nur schon die Einfamilienhäuser vermehrt energiefreundlich umgebaut würden, gingen der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen deutlich zurück.

Über zwei Drittel der Einfamilienhäuser in der Schweiz sind nämlich älter als zwanzig Jahre. Sie werden weitgehend mit fossilen Energieträgern wie Erdöl oder Gas versorgt und sind energetisch nicht effizient gebaut.

Dabei gäbe es verschiedene kostengünstige Lösungen für energetische Hauserneuerungen.

Energiefreundliches Umbauen ist wenig verbreitet

Dank Energieforschungs-Initiativen wie derjenigen der ETH Zürich sind eine Reihe von Innovationen auf den Markt gekommen, die energiefreundliche Gebäudetechniken und Baumaterialien umfassen und nachhaltige Bauprozesse ermöglichen. Mit einer klugen Sanierungsstrategie können Hauseigentümer heute den Energieverbrauch und die Heizkosten auf zwanzig und mehr Jahre hinaus deutlich senken.

Trotzdem setzen sich die technischen und architektonischen Methoden für energetisches Umbauen im Markt für Gebäudeerneuerungen nur teilweise, wenn überhaupt durch: «Nur rund die Hälfte der Hauseigentümer entscheidet sich für eine energetische Erneuerung der Gebäudehülle», sagt Céline Ramseier, diplomierte Umweltnaturwissenschaftlerin und Doktorandin in Ökonomie am Center for Energy Policy and Economics (CEPE) der ETH Zürich. Ramseier zufolge variiert der Anteil der energetischen Erneuerungen jedoch stark nach Bauteil. Bei den Fassadenerneuerungen beispielsweise sei er mit rund 20 Prozent besonders tief, obwohl an Fassaden bedeutende Energieeinsparpotentiale bestünden.

«Aus ökonomischer Perspektive erstaunt die geringe Nachfrage, denn energetische Erneuerungen sind wirtschaftlich interessant. Sie senken die Energiekosten und erhöhen zugleich den Wohnkomfort», erklärt Ramseier, die in der Gruppe von Massimo Filippini, ETH-Professor für Volkswirtschaftslehre und Energiewirtschaft, über Energieeffizienz im Gebäudebereich forscht. Ihre Dissertation finanziert teilweise das Bundesamt für Energie (BFE) im Rahmen des Energieforschungsprogrammes «Energie-Wirtschaft-Gesellschaft».

Energiesparen mit Komfortgewinn und verkürzter Bauzeit

Zusammen mit Silvia Banfi, wissenschaftliche Mitarbeiterin am CEPE, und Massimo Filippini, hat Ramseier untersucht, warum Hauseigentümer, die ihr Einfamilienhaus renovieren wollen, sich für oder gegen eine energetische Erneuerung entscheiden.

Wie ihre Befragung der Einfamilienhaus-Besitzer und Besitzerinnen in den Kantonen Aargau, Bern, Baselland, Thurgau und Zürich ergab, hat die Erneuerungsrate in den letzten 15 Jahren zwar etwas zugenommen. Allerdings stellen viele Erneuerungen immer noch rein werterhaltende Massnahmen dar, welche das Energieeinsparpotential nicht ausschöpfen.

Die Befragung hat weiter gezeigt, dass Hausbesitzende häufig nach Daumenregeln entscheiden und vorzugsweise kurzfristig ausgerichtete, konventionelle Unterhaltsmassnahmen wählen.

An den Kosten allein kann es fast nicht liegen, dass energiefreundliche Sanierungen so spärlich nachgefragt werden. Energetische Sanierungsmethoden sind aus ökonomischer Sicht nämlich oftmals attraktiv. Die Ökonominnen erklären dieses Verhalten einerseits mit den Marktpreisen der Energiedienstleistungen, die nicht alle Kosten spiegeln. Anderseits sind die Informationen über energetische Umbauten unvollständig und auch ungleich zwischen Eigentümern, Handwerkern und Architekten verteilt. Diese Faktoren verzerren den Markt.

Dabei können emissions- und energiearme Sanierungsmethoden die Bauzeiten verkürzen und den Umbau von durchgehend bewohnten Häusern ermöglichen. Das gilt zum Beispiel für die «Retrofit»-Methode, welche die Empa im Rahmen des Kompetenzzentrums für Energie und Mobilität (CCEM) mit verschiedenen Partnern, unter ihnen das CEPE, entwickelt hat (vgl. Galerie).

Gut informierte Eigentümer denken langfristig

Um die Gründe für das Entscheidungsverhalten der Hausbesitzer herauszubekommen, griffen Ramseier und Banfi auf ein virtuelles Entscheidungsexperiment zurück: Hauseigentümer, die ihre Häuser in den vergangenen 15 Jahren nicht renoviert hatten, konnten im Internet jeweils zwischen drei verschiedenen Umbauvarianten auswählen. Ihre Präferenzen geben Aufschluss, wie stark Hausbesitzer langfristige Kosten-Nutzen-Berechnungen und mögliche Energieeinsparungen in ihre Entscheidungen einbeziehen und wie hoch sie den Wohnkomfort gewichten.

Das Experiment zeigt, dass Hausbesitzende in einer Situation, in der sie umfassend über das Einsparpotenzial von energieeffizienten Gebäudetechniken informiert sind, sich auch bei hohen Investitionssummen vermehrt für energetische Erneuerungen entscheiden.

«Möglichst vollständige Informationen über die Vorteile von energetischen Erneuerungen sind der Schlüsselfaktor für die Auswahl der Sanierungsmethode. Im Experiment entwickeln die Hausbesitzer klare Präferenzen für langfristige, energiefreundliche Umbauten», sagt Ramseier und betont, dass eine günstige und professionelle Energieberatung die Wirkung der Fördermitteln für energetische Erneuerungen steigern würde, da informierte Hausbesitzer in der Studie tendenziell häufiger die energiefreundliche Variante wählten.

In ihrem Beitrag im «ETH-Klimablog» beschreibt Céline Ramseier das Potenzial von energetischen Erneuerungen.

Literaturhinweis

Banfi, S., Filippini, M., und Ramseier, C. (2011). «Erneuerung von Einfamilienhäusern; Eine mikroökonomische Analyse für ausgewählte Schweizer Kantone - Schlussbericht». Bundesamt für Energie, 2011.

 
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