Veröffentlicht: 29.06.11
Science

«Roboter müssen leicht zu bedienen sein»

Rodney Brooks ist einer der renommiertesten Robotiker weltweit. Er leitete bis 2007 das Labor für Computerwissenschaft und künstliche Intelligenz am MIT und gründete die beiden US-Unternehmen iRobot und Heartland Robotics. Jetzt war er zu Gast an der ETH – beim ersten Symposium des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Robotik». Mit ETH Life sprach er unter anderem darüber, warum Roboter noch immer Schwierigkeiten haben, einen Haufen Zucker von schmutziger Wäsche zu unterscheiden.

Interview: Christine Heidemann
Rodney Brooks sprach beim ersten Symposium des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Robotik» über die enormen Chancen für den Einsatz von Robotern im täglichen Leben. (Bild: Philippe Neidhart / ETH Zürich)
Rodney Brooks sprach beim ersten Symposium des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Robotik» über die enormen Chancen für den Einsatz von Robotern im täglichen Leben. (Bild: Philippe Neidhart / ETH Zürich) (Grossbild)

Herr Brooks, wie viele Roboter sind bei Ihnen zu Hause im Einsatz?
Ich habe zwei. Den Staubsauger-Roboter «Roomba». Und den ebenfalls bei iRobot entwickelten «Scooba 230» - einen kleinen Roboter, der feucht das Badezimmer reinigt.

Sie sind berühmt für die von Ihnen Anfang der 1980er Jahren propagierte verhaltensbasierte künstliche Intelligenz. Danach agieren Roboter, vereinfacht gesagt, ähnlich wie Insekten, instinktiv, direkt nach ihren Sensordaten, ohne aufwendige Karte. Sind sie zufrieden damit, wie dieses Konzept heute in Robotern umgesetzt wird?
Der verhaltensbasierte Ansatz ist auf dem Vormarsch. Er wird zum Beispiel in den von uns entwickelten Robotern «Roomba» und «Scooba» genutzt, oder in selbständig fahrenden Auto- oder Mars-Robotern. Aber die Technologie ist noch nicht ausgereizt. Daher habe ich mir vor ein paar Jahren überlegt: Entweder ich bleibe am MIT und werde ein grantiger, alter Professor, der sich darüber ärgert, dass seine Ideen nicht umgesetzt werden. Oder ich starte eine Firma und setze sie um.

Sie haben sich für die Industrie entschieden und daher Erfahrung in beiden Bereichen – der Forschung und der Wirtschaft. Wo sehen Sie die grössten Anwendungsgebiete, die grössten Marktchancen für Roboter?
Ganz sicher in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Da wird es auf jeden Fall eine grosse Nachfrage geben, etwa in China, aufgrund der Ein-Kind-Politik. Aber wie man diese Nachfrage in Produkte umsetzen soll, ist noch fraglich. Wir haben die Technologie, aber was sollen wir damit bauen, was wirklich hilft? Ich glaube, es könnte letztlich einmal viele kleine Geräte geben. Mit denen etwa Einkäufe die Treppe hochtransportiert werden können. Denn Menschen wollen länger in ihrer gewohnten Umgebung leben.

Der Roboter als Freund und Helfer?
Ich glaube nicht daran, dass Roboter, wie viele japanische Unternehmen prophezeien, unsere Freunde werden. Es geht darum, dass Menschen länger ihre Würde und Unabhängigkeit bewahren können. Und Roboter können ihnen dabei assistieren.

Wo können uns Roboter noch helfen?
In der Landwirtschaft zum Beispiel. In Traktoren steuern Robotersysteme etwa anhand der gemessenen Feuchtigkeit auf den Feldern die zu verteilende Menge an Dünger oder Samen – wobei die Traktoren selbst ebenfalls robotergesteuert fahren. Und ein weiterer wichtiger Markt ist natürlich das Militär. Da helfen Roboter bei der Bombenentschärfung und Minensuche. Oder sie sind bei Katastrophen wie in Fukushima im Einsatz. Sicherheitssysteme in Autos sind ein weiterer Bereich, der immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Was sind die wesentlichen Kriterien, um Roboter erfolgreich kommerzialisieren zu können, abgesehen vom Preis?
Die einfache Anwendung kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Ich will nicht unnötig viel Zeit damit verbringen, herauszufinden, wie etwas funktioniert. Ein Roboter muss leicht zu bedienen sein, sonst wird er nicht gekauft und genutzt.

Da sind die Entwickler gefragt. Was sind die grössten technologischen Herausforderungen beim Bau von Robotern?
Die Wahrnehmung ist immer noch ein Problem. Wenn ein Roboter ein Haus säubern soll, muss er den Unterschied erkennen zwischen einem Stapel Papier, einem Haufen Zucker und Wäsche. Er muss diese Dinge unterschiedlich behandeln. Er sollte nicht den Zucker in die Waschmaschine stecken. Und auch was das Greifen, die Manipulation von Gegenständen angeht, haben wir noch keine grossen Fortschritte gemacht.

Brauchen wir also wieder eine visionäre, bahnbrechende Idee, wie Ihre zur künstlichen Intelligenz?
Auf jeden Fall nicht von mir, sondern von jüngeren Kollegen (lacht). Nein, im Ernst: Man probiert Dinge aus. Dann lässt man sie für zehn bis 20 Jahre wieder ruhen und probiert noch mal. Das Navigieren von Robotern etwa hat man in den 1960er Jahren probiert, aber es funktionierte nicht gut. Aber in den 1990er hat es dann geklappt; das Problem der Navigation ist grösstenteils gelöst. Man muss alle 20 oder 30 Jahre wieder probieren. Und beim zweiten oder dritten Mal führt es dann zum Erfolg.

Ist ein Programm wie der Nationale Forschungsschwerpunkt «Robotik» in der Schweiz ein vielversprechender Ansatz, um vielleicht schneller zum Erfolg zu gelangen?
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wie sie im Nationalen Forschungsschwerpunkt zwischen den vier Institutionen stattfindet (siehe Kasten) ist sehr wichtig. Vor allem der damit verbundene Austausch von Ideen kann sehr fruchtbar sein.

In welchen Bereichen werden Roboter in 20 Jahren den grössten Einfluss auf unser Leben haben?
Sicher ist, dass Geräte, die die Welt wahrnehmen, berechnen und darin agieren sehr verbreitet sein werden. Aber in welcher Form, lässt sich heute schwer vorhersagen.

Was sind Ihre Träume, Ihre Ziele, wenn Sie an die Zukunft der Robotik denken?
Man könnte sagen, dass ich meinen Traum schon gelebt habe. Von einer Zeit, in der es gar keine Roboter in der Welt gab, bis hin zu Millionen Robotern heutzutage. Andererseits ist für mich die Befreiung der Menschen von stupiden oder gefährlichen Arbeiten ein wichtiger Punkt. Ja, die zunehmende Befreiung der Menschen durch die Robotik ist ganz sicher etwas, was mich glücklich machen würde.

Nationaler Forschungsschwerpunkt «Robotik»

Der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) «Robotik – Intelligente Roboter für eine verbesserte Lebensqualität» wurde Ende 2010 vom Schweizerischen Nationalfonds lanciert. Im Rahmen des Programms wollen Wissenschaftler in den kommenden zwölf Jahren neue, auf den Menschen ausgerichtete Robotertechnologie entwickeln. Das Programm vereint führende Robotik-Experten der ETH und Universität Zürich, der EPF Lausanne und des in Lugano angesiedelten Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence. Die Federführung liegt bei der EPF Lausanne.