Veröffentlicht: 24.06.11
Science

Licht an, Gen ein

ETH-Forscher haben menschlichen Zellen eine synthetische Signal-Kaskade eingebaut, mit der Gene durch blaues Licht angeknipst und reguliert werden können. Dieser «Gen-Lichtschalter» ermöglicht interessante Therapien, die unter anderem bei Diabetes Typ 2 zum Einsatz kommen könnten.

Peter Rüegg
Blaues Licht schaltet ein in Mäuse implantiertes synthetisches Gen-Netzwerk an, das einen wichtigen Faktor bei der Blutzuckerregulierung herstellt. (Bild: Martin Fussenegger, ETH Zürich)
Blaues Licht schaltet ein in Mäuse implantiertes synthetisches Gen-Netzwerk an, das einen wichtigen Faktor bei der Blutzuckerregulierung herstellt. (Bild: Martin Fussenegger, ETH Zürich) (Grossbild)

Der neuste Coup aus Martin Fusseneggers Labor klingt beinahe nach Science Fiction. Die Forscher um den Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften haben in lebenden Zellen ein genetisches Netzwerk konstruiert, mit der sich gewünschte Gene durch blaues Licht anschalten respektive regulieren lassen. Die Bioingenieure haben indes nicht das gesamte Netzwerk kreiert, sondern lediglich natürliche Signalwege – einen aus dem Auge und einen aus dem Immunsystem - miteinander gekoppelt. Die Zellen werden samt funktionierendem Gen-Netzwerk unter die Haut eingesetzt, das Implantat von aussen mit blauem Licht beleuchtet. Damit können die Forscher das Ziel-Gen sehr präzise steuern, berichtet Erstautor Haifeng Ye aus der Gruppe von Martin Fussenegger in der neusten Ausgabe von «Science».

Der «Gen-Lichtschalter», mit dem die Wissenschaftler das Netzwerk anknipsen, besteht aus Melanopsin, einem Protein, das in der Netzhaut des menschlichen Auges vorkommt und mit Vitamin A einen Komplex bildet. Trifft blaues Licht auf diesen Komplex, setzt sich die erste Signalkaskade in Gang. Diese sorgt dafür, dass sich Calcium in Inneren der Zelle ansammelt. Dieser Vorgang läuft auch natürlicherweise im Auge ab und sorgt im Gehirn für das tägliche Einstellen der inneren Uhr. Die Wissenschaftler haben ihn aber neu verschaltet: mit einem Signalweg, der in der Immunregulation eine wichtige Rolle spielt.

Licht gegen Winterdepressionen

Das Calcium im Zellinneren aktiviert nämlich ein Enzym, welches dem Protein NFAT-P die Phosphatgruppe (P) abspaltet. Dadurch gelangt NFAT in den Zellkern, wo es an eine künstliche Kontrollsequenz bindet und das Ziel-Gen, welches die Forscher eingebracht haben, einschaltet. Das Gen wird aktiv, und die Zelle produziert zahlreiche Kopien des Proteins, für welches das Gen der Bauplan ist. Über die Lichtmenge und –stärke können die Forscher zudem fein regulieren, welche Mengen des Proteins hergestellt werden. Das Gen auszuschalten ist einfach: Licht aus, Gen aus. Denn ohne Licht wird Melanopsin nicht mehr angeregt, kein Calcium mehr in der Zelle angesammelt, und die Signalkaskade ist unterbrochen.

Aufgebaut wird diese künstliche Signalkaskade in menschlichen Zellen, die, geeignet verpackt, in Mäuse implantiert werden. Das blaue Licht erreicht die Zellimplantate entweder über ein hauchdünnes Glasfaserkabel, oder, wenn das Implantat direkt unter der Haut platziert wird, indem die Tiere schlicht und einfach unter eine blaue Lampe gesetzt werden.

Als Lichtquelle dienten den Forschern unter anderem kommerziell erhältliche LEDs oder eine Blaulichtlampe, die gegen Winterdepressionen eingesetzt wird. Dieses Licht schadet der Haut nicht, da es keinen UV-Anteil enthält.

Diabetes-Therapie denkbar

Bei ihren Versuchen mit Zellkulturen und Mäusen testeten die Forscher die lichtgesteuerte Produktion von GLP-1, einem Hormon, welches direkt die Bildung von Insulin kontrolliert und somit den Blutzuckerspiegel reguliert. Und es zeigte den Forschern, dass ihr Ansatz funktioniert: Das durch Licht hoch regulierte GLP-1 half diabetischen Mäusen, die Insulinproduktion des Organismus zu verbessern, zugeführte Glukose rasch aus dem Blut zu entfernen und das Blutzucker-Gleichgewicht im Organismus wieder herzustellen.

Martin Fussenegger kann sich vorstellen, dass in Zukunft die von seiner Gruppe entwickelte GLP-1 Gentherapie die klassische Injektion von Insulin bei Diabetikern ersetzen könnte. So könnte beispielsweise Patienten mit Diabetes Typ 2 ambulant ein Implantat unter die Haut gesetzt werden. Ein schwarzes Pflaster, das LED-Leuchten enthält, schirmt die entsprechende Hautstelle gegen Tageslicht ab. Bei Bedarf, etwa nach einer Mahlzeit, schaltet der Patient mittels Knopfdruck die LED-Lämpchen an und bestrahlt das Implantat ein paar Minuten lang, um die Bildung von GLP-1 anzuregen. Sobald genug davon im Körper zirkuliert, schaltet der Patient die Lämpchen wieder aus. «Das ist noch Science Fiction», betont der ETH-Professor. Es dauere sicherlich noch längere Zeit, bis ein Produkt dieser Art auf dem Markt erhältlich sein werde.

Literaturhinweis

Ye H, Daoud-El Baba M, Peng RW & Fussenegger M. A Synthetic Optogenetic Transcription Device Enhances Blood-Glucose Homeostasis in Mice. Science online Publication 24th june 2011, DOI: 10.1126/science.1203535