Veröffentlicht: 20.06.11
Campus

Turm zu Babel aus Papierklötzen

Ein Studententeam der ETH Zürich hat einen unkonventionellen Baustoff entwickelt: «Backsteine» aus gepresstem Papier. Damit bauten sie auf dem Campus Hönggerberg eine temporäre Mauer. Ein Film, der den Weg von der Idee bis zur Umsetzung zeigt, wird unter anderem darüber entscheiden, ob ihr Projekt den internationalen Wettbewerb «Tower of Babylon» gewinnen wird.

Samuel Schläfli
Studierende während des Aufbaus ihres «Tower of Babylon» - ein Symbol für Nachhaltigkeit und die Werterhaltung von vermeintlichen Abfallmaterialien. (Bild: Aurel Martin)
Studierende während des Aufbaus ihres «Tower of Babylon» - ein Symbol für Nachhaltigkeit und die Werterhaltung von vermeintlichen Abfallmaterialien. (Bild: Aurel Martin) (Grossbild)

Wer am Wochenende vom 11./12. Juni auf dem Hönggerberg am Gebäude des Architekturdepartements vorbei spazierte, wunderte sich vielleicht über zwölf Studierende, die gemeinsam eine spiralförmige Mauer aufbauten. Wird im Architekturstudium neuerdings auch das Mauern gelernt? Nein, das Handwerk war vielmehr der vorläufige Abschluss eines ETH-Beitrags für den internationalen Studierendenwettbewerb «Tower of Babylon» (siehe Kasten).

Campus-Altpapier als Rohstoff

Zwölf Studierende der ETH Zürich, darunter Architekten, Umweltwissenschaftler und Bauingenieure, traten mit dem Bauwerk gegen vier Teams aus Indien, den USA, China und Singapur an. Die Aufgabenstellung: Innerhalb eines Semesters ein Bauwerk aus lokalen Materialien zu planen und umzusetzen. Dieses sollte Nachhaltigkeit in einem globalen Kontext thematisieren und zugleich ein Symbol für das Land, die Region und den lokalen Hochschul-Campus schaffen. Jedem Team standen dafür maximal vier Monate Zeit und insgesamt 1000 US-Dollar für Material zur Verfügung.

Von April bis Anfang Juni entwickelte das ETH-Team in stundenlangen Treffen eine Idee sowie einen Entwurf für ihren «Turm zu Babel» (siehe ETH Life vom 5.5.11). Bald waren alle von der Idee begeistert, den täglich anfallenden Papierabfall an der ETH für ihren Turm zu verbauen. «Wir wollten Wege finden, um den Wert des Abfalls durch eine Serie von Umwandlungen solange wie möglich zu erhalten», sagt Pascal Hendrickx, Sprecher des Studierendenteams. Er sammelte zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen in wenigen Tagen 720 Kilogramm Altpapier und Karton in den Departementen Chemie und Architektur. Das entspricht gemäss der Abteilung für Sicherheit, Gesundheit und Umwelt in etwa der Altpapiermenge, die an einem halben Tag an der gesamten ETH Zürich anfällt.

Stampfen mit selbst gebastelter Handpresse

Mit dem Papier fertigten die Studierenden anschliessend in Handarbeit einen unkonventionellen Baustoff: Klötze aus Altpapier, in der Form ähnlich wie Backsteine. Das Team zerstückelte dafür den gesammelten Papierabfall mit einem grossen Shredder. Die Papier- und Kartonschnipsel rührten sie anschliessend in einem grossen Kessel mit Wasser zu einem Papierbrei an. In einer selbst gebauten Presse aus Betonverschalungs-Brettern wurde die Pappe anschliessend portionsweise zu «Backsteinen» gepresst. 450 Stück insgesamt, die anschliessend während zwei bis drei Tagen getrocknet wurden. Mehr Zeit hatten die Studierenden nicht, da der Wettbewerb vorsah, dass sowohl Baustoffproduktion als auch Auf- und Abbau in derselben Woche stattfinden. Mit den noch feuchten Papierklötzen baute das Team am vorletzten Sonntag ihren «Tower of Babylon» auf, eine spiralförmige Mauer von drei Metern Höhe und 6.6 Metern Länge. Das Endprodukt ist weder ein Turm noch besticht es durch eine aussergewöhnliche Form oder gestalterische Ambitionen. «Für uns lag der Fokus nicht auf dem Entwurf des Baus, sondern darauf, aus Abfall mit Handarbeit ein Baumaterial zu schaffen», erklärt Hendrickx. Auch wenn die Mauer vielleicht bescheiden wirke, das Team habe berechnet, dass sich mit dem jährlichen Papierabfall der ETH Zürich eine Mauer von 80 Meter Höhe und 180 Meter Länge bauen liesse. Mit demjenigen der Stadt Zürich sogar eine von 500 auf 1140 Meter.

Werterhaltung über Mauer hinaus

Die Papiermauer ist bereits Geschichte. Sie stand nämlich lediglich einen Tag lang. Schliesslich musste nach Wettbewerbs-Vorgaben auch der Abbau noch innerhalb der Aktionswoche stattfinden. Für Hendrickx und seine Kollegen sollen die Papiersteine ihren Wert trotzdem noch eine Weile behalten. Sie wollen diese für den Bau von Möbeln weiterverwenden. Und falls das nicht funktionieren sollte, werden sie als Brikkets zum Heizen genutzt. Im Fokus der vergangenen Tage stand die Dokumentation des Projekts mit einem Film, Fotografien und einer ausführlichen Beschreibung von Idee und Umsetzung. Anhand dieser wird eine international zusammengesetzte Jury aus Künstlern, Architekten und Naturwissenschaftlern bis zum 5. Juli das überzeugendste Bauwerk bezüglich unter anderem der Kreativität, der Qualität, des Bezugs zum Thema «limits – large problems of our society» sowie der Präsentation küren. Erste Bilder der anderen vier Studententeams zeigten zum Teil Entwürfe, die auf den ersten Blick spektakulärer anmuten, als die eigene Papiermauer, sagt Hendrickx. Trotzdem ist er guter Dinge, dass die Philosophie hinter dem eigenen Projekt die Jury begeistern wird.

Das Team hat den gesamten Produktions- und Aufbauprozess für «Tower of Babylon» in einem Video dokumentiert.

Organisation «Tower of Babylon»
Der Wettbewerb wurde von den International Institutional Affairs (IIA) der ETH Zürich basierend auf einer Idee von Stefanie Overbeck initiiert und koordiniert. Er findet innerhalb der «Global Alliance of Technological Universities»statt, einem Verbund von sieben international führenden technischen Hochschulen, zu dem auch die ETH Zürich gehört.

 
Leserkommentare: