Veröffentlicht: 01.06.11
Campus

Jetzt wird die Technik sinnlich

Gleitschirmroboter springen wie Basejumper in die Tiefe, Raupenroboter suchen nach Erdbebenopfer und Sportwagen fahren elektrisch. Wenn die Studierenden der ETH ein Jahr lang ihr Wissen kreativ anwenden, wird die Technik sinnlich, spannend und umweltfreundlich. Das zeigten die «Fokusprojekte 2011» im ETH-Hauptgebäude.

Florian Meyer
Studierende und Besucher interessieren sich, wie der sportliche «SunCar» mit Sonnenenergie fahren kann. (Bild: Tom Kawara / ETH Zürich)
Studierende und Besucher interessieren sich, wie der sportliche «SunCar» mit Sonnenenergie fahren kann. (Bild: Tom Kawara / ETH Zürich) (Grossbild)

«Pegasus» und «Paraswift», «Phoenix» und «Traloc » – die Namen klingen verspielt und verwegen, und sie sagen vor allem eines: Die Technik der Zukunft ist sinnlich und attraktiv. Das zeigt sich jedes Jahr, wenn das Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik die studentischen «Fokusprojekte» präsentiert. Und das war auch bei der diesjährigen Vorstellung am Dienstagnachmittag so: Seite an Seite mit den Dozierenden und Studierenden warteten auch Sponsoren, Medienschaffende, Neugierige und ganze Familien gespannt, was für kreative Konstruktionen die künftigen Maschinenbauer, Elektrotechniker und Industriedesigner im letzten Jahr ausgetüftelt haben.

Mit den Worten: «Dies ist die Show der Studierenden, nicht der Professoren», gab der Fokus-Koordinator und ETH-Dozent Roland Haas die Bühne in der Halle des ETH-Hauptgebäudes frei für die Auftritte der siebzig auf sieben Fokusteams verteilten Studierenden. Mit rhetorischem Schliff und multimedialer Kunstfertigkeit führten die Teams durch den Abend und zeigten, dass sie nicht nur technische Fähigkeiten erlernt haben, sondern auch die Kunst, wie man mit klugen Präsentationen das Publikum begeistert.

Roboter so gelenkig wie Schlangen und Ziegen

Es liegt in der Natur ihrer Technik, dass Roboter die Besucher augenfällig faszinieren: Wie kaum ein anderes technisches Artefakt gleichen sie sich in ihren Bewegungsarten und Handlungsweisen immer stärker dem Verhalten biologischer Lebewesen an. Kein Wunder, fragen sich Philosophen, ob Roboter nicht bald schon eine vierte Lebensform neben Pflanzen, Tieren und Menschen darstellen.

Da ist zum Beispiel «Traloc»: Wie eine Raupe kriecht er über Trümmer und Schutt und überwindet mit seinen fünf Körperteilen, vier Gelenken und einer Kopfkamera auch in schwierigem Gelände spielend Spalten, die bis zu einem halben Meter breit sind, und Schwellen, die bis zu dreissig Zentimeter hoch sind.

«Traloc» ist nicht allein: Da ist auch «Paraswift». Mit seiner schalenartigen Haut sieht er auf den ersten Blick aus wie eine Meeresschnecke. Doch «Paraswift» taucht nicht, vielmehr klettert er gewandt die Wand hinauf und entfaltet zuoberst einen Gleitschirm, von dem er sich sanft zu Boden tragen lässt. «Am Schluss wurde es zeitlich ganz schön knapp», gestand Dominik Keusch, Maschinenbauer am Autonomous Systems Lab der ETH, «erst vor zwei Wochen gelang uns der erste Gleitschirmflug.»

Von der Tierwelt inspiriert ist «Pegasus», den ETH-Studierende gemeinsam mit Partnern der TU Delft entwickelten: Dieser Vierbeiner kann dynamisch wie ein Pferd traben und mit seinen teleskopischen Beinen Stösse abfedern. Auf die Idee kam das Team durch ein Foto, das Ziegen in Baumkronen zeigte: «Wenn Ziegen klettern können, dann auch Roboter», sagte Teammitglied Maximilian Schulz.

Alle drei Roboter zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Menschen unterhalten und unterstützen: Die Nachkommen von «Paraswift» könnten dereinst als mobile Scheinwerfer oder Fensterputzer für Hausfassaden arbeiten. Die künftigen «Tralocs» ihrerseits könnten im Gelände Erdbebenopfer auffinden. «Um den Raupenroboter optimal auf Einsätze im Gelände vorzubereiten, besuchten wir ein Rettungsmanöver in einem Übungsdorf des Militärs», erzählen Tobias Bleiker, Elektroingenieur im siebten Semester und Santiago Droll, Maschinenbauer im fünften Semester.

Wärmeflusssensoren für die Geothermie

Intelligente und umweltfreundlichere Energie- und Antriebstechniken zeichnen die weiteren «Fokusprojekte» aus: Das Projektteam «Heat Flux Sensor» entwickelte innovative Sensorkonzepte zur Messung des Wärmestroms bei geothermischen Bohrungen. Um diese Energiequelle zu erschliessen, müssen Fachleute bis zu zehntausend Meter tief durch hartes Gestein bohren. Die ETH hat dazu die «Rock Spallation Drilling»-Technik entwickelt, die Gestein mit einer 700 Grad Celsius heissen Flamme durchbohrt. Eine zuverlässigere Wärmestrommessung könnte die Bohrkosten deutlich senken.

Sportwagen nutzen die Kraft der Sonne

Die Klassiker unter den Fokusprojekten sind die energiefreundlichen Rennwagen, die beim internationalen Ingenieurwettbewerb «Formula Student» starten: In diesem Jahr haben die Studierenden den Elektroboliden «novena» kreiert. Mit zwei hocheffizienten Drehstrommotoren (AC-Motoren) kann «novena» emissionsfrei in 3.2 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen.

Diese Vorgabe setzte sich auch das «SunCar»-Projektteam. Vor allem aber wollte dieses Team ein «umweltfreundliches und gutaussehendes» Strassenauto entwickeln, das mit Sonnenenergie betrieben wird. In rund 42‘000 Arbeitsstunden ersetzten 32 Studierende den Benzinmotor eines Lotus durch zwei Elektromotoren. Diese werden über Photovoltaik und einen Biotreibstoffantrieb mit Energie versorgt.

Auch das «Phoenix»-Projekt orientierte sich am Formula Student-Rennwagen von 2009, um einen Hybrid-Kleinwagen zu entwickeln: Weil sich Rennmotoren für normale Strassenverhältnissen wenig eignen, konstruierten die Studierenden einen alltagstauglichen hybrid-elektrischen Antriebsstrang. Treffen ihre Simulationen zu, könnte «Phoenix» den Treibstoffverbrauch um einen Drittel reduzieren.

Der Innovationsgeist hält fürs Leben

Das «Traloc»-Team erhielt von einem Sponsor den Preis für die beste Anwendung einer CAD-Konstruktionsumgebung. «Für uns ist das eine riesige Genugtuung», freuten sich der Elektroingenieur Tobias Bleiker und Maschinenbauer Jérôme Darbre: «Das Coole am Projekt war, dass wir im Team jederzeit unsere Ideen und auch unser Fachwissen austauschen und unter realen Arbeitsbedingungen anwenden konnten.»

Für Roland Siegwart, Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, liegt der Wert der «Fokusprojekte» in solchen Lernprozessen: «Die Studierenden arbeiten sozusagen in einer Firma auf Zeit und lernen dabei Team- und Managementfähigkeiten. Der Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft ist der Innovationsgeist, den sie sich dabei erwerben.»

Fokusprojekte: Praxisorientiertes Lernen

In den Fokusprojekten des Departements Maschinenbau und Verfahrenstechnik lernen die Maschinenbaustudierenden der ETH Zürich, ihr theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden. Während zweier Semester entwickeln sie, mit Unterstützung durch Studierende verschiedener Fachhochschulen, selbständig ein Produkt. Ausgehend von einer innovativen Produktidee durchschreiten die Teams dabei alle Prozesse der Produktentwicklung: Marketing, Konzeption, Design, Engineering, Simulation, Entwurf und Produktion.

 
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