Veröffentlicht: 11.05.11
Science

Teure CO2-Abscheidung aus der Luft

Die American Physical Society hat soeben die Ergebnisse einer zweijährigen Studie publik gemacht. 13 Wissenschaftler, darunter ETH-Professor Marco Mazzotti, nahmen Direct Air Capture als Massnahme gegen den steigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre unter die Lupe.

Peter Rüegg
CO2-Abscheidung an zentralen Quellen wie diesem Kohlekraftwerk in Deutschland ist effektiver, effizienter und viel günstiger als die Umgebungsluft mit Direct Air Capture-Methoden zu «reinigen» (Bild: sualk61 / flickr.com)
CO2-Abscheidung an zentralen Quellen wie diesem Kohlekraftwerk in Deutschland ist effektiver, effizienter und viel günstiger als die Umgebungsluft mit Direct Air Capture-Methoden zu «reinigen» (Bild: sualk61 / flickr.com) (Grossbild)

Im Kampf gegen die CO2-Emissionen sind alle Mittel recht. Eines davon ist Direct Air Capture (DAC). Dabei wird Umgebungsluft angesogen und über ein chemisches Bindemittel, das flüssig oder fest sein kann, geleitet. Das Bindemittel entfernt nur CO2 aus der Luft. In mehreren chemischen Reaktionsschritten entsteht Kalziumkarbonat, aus dem Kohlendioxid konzentriert gewonnen und unter Tag eingelagert werden kann. Das chemische Bindemittel wird in diesem Prozess regeneriert und wiederverwendet. Die CO2-freie Luft schliesslich gelangt zurück in die Atmosphäre.

Das klingt nach einer verlockend einfachen Lösung für ein komplexes Problem. Insbesondere in den USA gab es Stimmen, die sehr laut nach einer solchen technischen Lösung riefen, um den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu senken.

Nicht effektiv, nicht effizient

Ein internationales Gremium aus 13 renommierten Wissenschaftlern, darunter ETH-Professor Marco Mazzotti als einer von zwei europäischen Autoren, zeigen nun aber in der ersten umfassenden wissenschaftlichen Studie über Direct Air Capture auf, dass das Verfahren zurzeit keine Option ist, um den CO2-Gehalt zu reduzieren. Die Wissenschaftler kommen zum Schluss, dass DAC zu ineffektiv und ineffizient ist, um dem Klimawandel entgegen zu treten - und das wird sich nach ihrer Ansicht in den nächsten Jahrzehnten nicht wesentlich ändern. DAC werde bei der Verminderung des CO2-Gehalts nur eine marginale Rolle spielen, halten die Forscher fest.

Mit dieser Studie, an der sie zwei Jahre gearbeitet haben, machen die Wissenschaftler klar, dass es wenig sinnvoll ist, mit grossem technischem Aufwand CO2 aus der Umgebungsluft zu entfernen. Das Treibhausgas lässt sich mit erheblich geringerem Einsatz von Geld und Energie direkt an grossen Quellen, etwa einem Kohlekraftwerk, abscheiden, weil CO2 dort 300mal konzentrierter ist.

Zehnmal höhere Kosten

Zurzeit kostet es 10mal mehr, eine Tonne CO2 aus der Luft zu binden als direkt an einer grossen Quelle abzufangen. «Mit dieser Studie haben wir bewiesen, dass DAC mit Chemikalien nur dann Sinn macht, wenn zuerst alle Emissionen aus Kraftwerken oder industriellen Anlagen vermieden werden», sagt Mazzotti.

DAC braucht zudem selbst Energie, um beispielsweise Pumpen anzutreiben, die die Luft einsaugen und über das Absorptionsmaterial leiten. Solange diese Energie nicht aus sauberen Quellen stammt, ist der Nettoertrag beim eingefangenen CO2 eher schlecht. «Wenn man eine bestimmte Menge CO2 abscheidet, braucht das eine gewisse Menge Energie», erklärt der ETH-Professor. Dies führe zu einer zusätzlichen Menge emittiertem Kohlendioxid, was nicht nur aus Klimasicht unerwünscht ist. Dieses Verhältnis verschlechtert auch die Nettokosten für die Abscheidung aus der Umgebungsluft. «Die Energie für den Betrieb einer solchen Anlage muss deshalb von erneuerbaren Energieträgern kommen, sonst ist es sinnlos», betont der ETH-Professor. Dies gelte insbesondere für die USA, wo noch viel Strom aus Kohle erzeugt wird.

Zum heutigen Zeitpunkt wären DAC-Anlagen auch äusserst materialintensiv. Denn: Eine Grossanlage hat noch niemand gebaut. In Betrieb sind erst einige Laboranlagen und Prototypen. Um aber effektiv zu sein, müssten die Anlagen im industriellen Massstab erstellt werden. Sie müssten von gigantischem Ausmass sein, sagt Mazzotti, und andererseits brauche es unglaublich grosse Mengen des Bindemittels.

Technisch machbar

An der technischen Machbarkeit von DAC zweifelt die Studie nicht. «Es ist machbar, CO2 aus der Luft zu extrahieren, zu binden und im Boden einzulagern», hält Mazzotti fest. Das Problem sei aber, dass Kohlendioxid in der Luft so stark verdünnt sei, sodass man ein Absorptionsmittel brauche, das starke Bindungen mit CO2 eingehen kann. Dieses Bindemittel muss zudem sehr gut rezyklierbar sein, damit Tausende von Zyklen möglich sind. «Diese Chemikalien dürfen nicht verloren gehen, und das ist sehr schwierig zu erreichen», sagt der ETH-Professor. In der Literatur gebe es noch keine Hinweise darauf, dass es bessere Materialien oder Chemikalien für diesen Zweck gebe.

DAC ist vor allem in den USA als mögliche Lösung für den Klimawandel ins Feld geführt worden. Eine Handvoll Leute hat das Verfahren gefördert. Renommierte Zeitschriften veröffentlichen dazu Artikel. Selbst von der ETH ging ein Spin-off weg, der sich auf DAC stützte. Um die weitere Entwicklung und den Ressourceneinsatz abschätzen zu können, erhielt deshalb die American Physical Society (APS) den Auftrag, eine Studie zu erstellen. «Wir haben diese nach wissenschaftlichen Grundsätzen und so ausgewogen und fair wie möglich durchgeführt», sagt Marco Mazzotti.

Technologie für Mitte des 21. Jahrhunderts

DAC werde erst in einigen Jahrzehnten interessant. «Übermorgen sollten wir Kraftwerke haben, bei denen CO2 gar nicht erst entsteht. Oder wir haben keine Kohlekraftwerke mehr», so der Professor. Erst wenn alle Möglichkeiten zur CO2-Vermeidung und -Verminderung ausgeschöpft seien, werde das Verfahren interessant.

Ob DAC-Pläne nun in der Schublade verschwinden, kann Mazzotti nicht sagen. Er persönlich werde nicht daran forschen, aber er ist sich sicher, dass andere Forschungsgruppen an diesem Thema weiterarbeiten werden. Nur: Die Studie macht auch deutlich, dass kleine, stetige Verbesserungen DAC nicht zum Durchbruch verhelfen. Nötig sei ein technologischer Sprung, etwa bei den als Absorber eingesetzten Materialien. Da müsse grundlegend etwas Neues gefunden werden.

Literaturhinweis

Direct Air Capture of CO2 with Chemicals. A Technology Assessment for the APS Panel on Public Affairs, April 28, 2011.