Veröffentlicht: 29.03.11
Science

«Da waren die Himmelsphären zerschmettert»

«Revolution am Himmel» oder wie die kopernikanische Wende die Astronomie verändert: ETH-Emeritus Harry Nussbaumer vom Institut für Astronomie gibt in seinem jüngsten Buch mit einem unterhaltsamen Mix aus Fakten und Wissen dem Leser einen Einblick in die Welt vor mehr als 400 Jahren und in die Charaktere der grossen Gegenspieler in der Diskussion um die Deutung der Welt.

Simone Ulmer
«Revolution am Himmel» beschreibt die Arbeit Gelehrter von der Antike über die Renaissance bis in die frühe Neuzeit. (Bild: zVg)
«Revolution am Himmel» beschreibt die Arbeit Gelehrter von der Antike über die Renaissance bis in die frühe Neuzeit. (Bild: zVg) (Grossbild)

Als der Astronom Nikolaus Kopernikus 1543 kurz vor seinem Tod sein Werk «De Revolutionibus» Papst Paul III. widmete, hat er sich wohl nicht träumen lassen, dass das Buch 73 Jahre nach seiner Publikation von der Kirche auf den Index gesetzt wird und allen, die seine Lehren weiterverbreiten, die Inquisition droht. Kopernikus verdrängte die Erde aus dem Zentrum, in dem er fortan die Sonne sah. Er ging aber noch weiter: An Stelle der kristallinen Schalen, die das aristotelisch-ptolemäische Weltbild prägten, postulierte er Leere, die den Raum zwischen Planeten, Sonne und Sternen füllte. Tycho Brahe konnte diese «gefürchtete» Leere 1577 durch die Beobachtung eines Kometen belegen – «da waren die Himmelsphären zerschmettert», schreibt Harry Nussbaumer in seinem Buch. Sein Buch «Revolution am Himmel» beginnt in der Antike bei den Wurzeln des galileischen Weltbilds und endet im 17. Jahrhundert. Der als kopernikanische Wende bezeichnete Zeitraum, in dem «die Astronomie sich von der Liebhaberbeschäftigung einiger Gelehrter zur institutionalisierten Forschung und Lehre an speziell dafür geschaffenen Institutionen wandelte» so Nussbaumer, leitete den Anfang der neuzeitlichen Wissenschaften ein.

Im Spannungsfeld der Kirche

«Revolution am Himmel» beschreibt die Arbeit Gelehrter von der Antike über die Renaissance bis in die frühe Neuzeit. Dabei legt der Autor bei den zentralen Figuren der Geschichte der Astronomie wie Nikolaus Kopernikus, Giordano Bruno, Johannes Kepler und Galileo Galilei ein besonderes Augenmerk auf deren Charaktäre und das gesellschaftliche Umfeld, das sie prägte. So wirkten die Wissenschaftler, als Kolumbus Amerika entdeckte, Martin Luther seine 95 Thesen zu Wittenberg an die Kirche von Wittenberg schlug und während des dreissigjährigen Krieges. Es war eine Zeit, in der die Kirche um ihren Machterhalt kämpfte und mit allen Mitteln versuchte, die Wissenschaft zu lenken. Die Gelehrten jener Zeit gerieten nur all zu leicht in Konflikt mit ihrem Glauben und der Kirche. Diese Umstände führten teilweise zu seltsamem Verhalten. So mutmasst Nussbaumer, dass Galilei «wohl den gesamten Kreidevorrat von Florenz geschluckt haben muss», da er dem Leiter der Kongregation für die Verbreitung des Glaubens vorerst nicht widersprach, als dieser nach einer Diskussion mit Galilei seine Ansichten gegen Kopernikus veröffentlichte. Erst zwei Jahre später reagierte Galilei mit einer «durchsichtig getarnten» Streitschrift, die laut Nussbaumer zwei Wahrheiten in sich barg: «Die eine findet er durch Beobachtungen und logische Schlüsse, die andere bezieht er durch die Inquisition.»

Galileo Galileis Doppelzüngigkeit

Nussbaumer geht mit Galilei und dessen «Doppelzüngigkeit», die er mehr als einmal erwähnt, hart ins Gericht. Der Astrophysiker ist überzeugt: Hätte Galilei einen unbestreitbaren Beweis für die Richtigkeit des kopernikanischen Weltbilds gefunden, hätte die Kongregation für die Glaubenslehre einen Ausweg gefunden. Auch kommt Galilei nicht gut weg, wenn Nussbaumer über seinen Austausch mit Kepler schreibt. Obwohl Galilei Keppler nach seiner Meinung fragte, kommentierte er selbst die Arbeiten seines Kollegen nicht. Auch war es Galilei dank seiner Nähe zur venezianischen Glasproduktion möglich, an hervorragende Linsen für sein Fernrohr zu gelangen und damit besondere Beobachtungen und Entdeckungen – etwa der vier Jupitermonde – zu machen. Trotzdem erfüllte er Keplers Bitte um ein derartiges Fernrohr nicht. Kepler, der als erster den Strahlengang des Lichts durch Linsen erklärte, musste hingegen Galilei «sanft» auf dessen Plagiat hinweisen, da Galileo diese Beschreibung für sich beanspruchte.

Doch natürlich spricht Nussbaumer Galilei seine Fähigkeiten als Astronom, als «hervorragender Beobachter» und «Entdecker» nicht ab. So ist Galilei denn auch der Hauptprotagonist des Buches. Aber auch die enormen Leistungen und Fähigkeiten von Kopernikus und vor allem von Kepler, «dem ersten Astrophysiker der Geschichte», werden ausreichend gewürdigt: Kepler begründete das Geschehen im Universum als erster physikalisch und kam beispielsweise der Formulierung der Gravitationskraft in seiner Arbeit bereits sehr nahe. Die Geschichte der Entdeckung der Gravitation und damit die Arbeit von René Descartes und Isaac Newton werden im Buch erzählt.

Graphiken, Fotos und Abbildungen vervollständigen das aufwendig gestaltete Buch «Die Revolution am Himmel». Es ist ein – auch für interessierte Laien verständliches – spannendes Werk, das einen guten Einblick in eine Welt des kulturellen und wissenschaftlichen Umbruchs vermittelt.

Revolution am Himmel von Harry Nussbaumer, 272 Seiten, Vdf Hochschulverlag, 1. Auflage 9. November 2010, ISBN-10:978372813326, ISBN-13: 978-3728133267

Gewinnen Sie ein Exemplar des Buches

ETH Life verlost zwei Exemplare des Buches «Revolution am Himmel». Schreiben Sie bis zum 4. April 2011 unter dem Stichwort «Revolution am Himmel» eine Mail an ethlife@hk.ethz.ch. Die Gewinnerinnen und Gewinner werden per E-Mail informiert. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Das Buch kann auch in der Polybuchhandlung bezogen werden. Bis zum 18. April erhalten die 25 ersten ETH Life-Lesenden dort 10 Prozent Rabatt.

 
Leserkommentare: