Bewusstsein für Chemie im Alltag schaffen
Wenn am Ende dieses Jahres die meisten erkennen, dass sie tagtäglich mit Chemie zu tun haben, würde dadurch viel Akzeptanz für dieses Fach geschaffen, findet Professor Detlef Günther im ETH Life-Interview zum Internationalen Jahr der Chemie.
Herr Günther, was
halten Sie für die grösste Errungenschaft oder wichtigste Entdeckung der
Chemie?
Für mich gibt es nicht die grösste
Errungenschaft oder die wichtigste Entdeckung in der Chemie – diese kann doch
genau Morgen erst gemacht werden. Alle Entdeckungen der Chemie haben einen
extrem grossen Impakt auf unser tägliches Leben und sind wesentliche
Errungenschaften. Schade ist nur, dass das oft nicht immer so wahrgenommen
wird.
Womit
befassen Sie sich in Ihrer Forschung und was wird davon im Alltag spürbar oder
nutzbar?
Wir befassen uns mit der Entwicklung von
analytischen Methoden, um Spurenelemente oder Isotopenverhältnisse in
verschiedensten Stoffen (gasförmig, flüssig, fest) besser und präziser nachweisen
zu können. Wenn wir heute sehen, dass fast alle uns im Alltag umgebenden Stoffe
einer strengen Qualitätskontrolle unterzogen werden, dann leisten wir dazu
einen Beitrag. Oder wenn wir heute über das Klima der Zukunft sprechen, dann
fragen wir sofort auch nach der Vergangenheit, und auch in diesem
Forschungsgebiet haben wir bereits Methoden entwickelt und angewendet, die zur
Rekonstruktion von Klimaereignissen beitragen.
Haben
Sie ein Vorbild in der Chemie? Wenn ja, welches und warum diese Person?
Eine spezifische Person gibt es nicht, aber ich habe mich sehr früh für
die Geschichte der Chemie interessiert und da gibt es einfach klasse Entdecker
und Erfinder mit faszinierenden Geschichten, die zu lesen sich wirklich lohnt.
Wenn man liest, wie schwer es für Marsh
war, einen eindeutigen Nachweis für Arsen zu entwickeln, ist das heute mit den
modernen Methoden der instrumentellen Analytik kaum noch vorstellbar. Die
Popularität von Arsen als Gift war gross und damals ging es um Leben und Tod im
wahrsten Sinne des Wortes.
Warum wollten Sie
Chemiker werden?
Mein Vater schwärmte immer für die Chemie, die er nicht studieren konnte,
weil ihm durch den Krieg eine Klassenstufe fehlte. Ich glaube, er hat mich
ziemlich dafür begeistert und dann hatte ich einfach gute Chemielehrer. Schon in der Schule war ich in der Mischung «exothermer anorganischer
Verbindungen» ziemlich kreativ. Irgendwann
während des Studiums fand ich die Analytik sehr interessant – ich habe es als
den kriminalistischen Teil der Chemie aufgefasst – der Nachweis von Elementen
und Verbindungen. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Entwicklung neuer
Verbindungen und Stoffe und deren Charakterisierung in Bezug auf ihre
Zusammensetzung oder Struktur eine Einheit bilden müssen, um Funktion, Wirkung
und Eigenschaften beschreiben zu können. Die Herausforderungen heute sind
einfach darin zu sehen, dass wir aus immer weniger Material immer mehr wissen
wollen, und da gibt es noch eine Menge an unverstandenen Phänomenen.
Wie
wird sich Ihr Forschungsgebiet entwickeln, wo liegt das Potenzial?
Die Spuren- und Mikroanalytik wird sich
dahin entwickeln, dass wir in ein paar Jahren nicht mehr nur von Nanoanalytik
reden, sondern sie wirklich anwenden werden, um in immer kleinere Probenbereiche
mit noch höherer Präzision reinschauen zu können. Das wird sehr spannend, denn
alle die zu charakterisierenden Stoffe beinhalten weitreichende Informationen
und stimulieren neue Fragestellungen und Forschungsgebiete.
Welche
Forschungsgebiete der Chemie werden in Zukunft besonders wichtig und weshalb?
Ganz sicher wird das Energieproblem eine der grossen Herausforderungen in der
Zukunft und dort benötigen wir eine höhere Effizienz. Also müssen wir aus
Rohstoffen mehr machen und weniger Abfall produzieren. Um dieses Ziel zu
erreichen, wird es die clevere Kombination von ganz vielen wichtigen
Wissenschaftsbereichen brauchen. Die ETH hat ein Energy Center gegründet, in
dem sich 40 Professuren aus 11 Departementen diesem Thema widmen – eine
spannende Herausforderung, die nur interdisziplinär zum Erfolg führen wird.
Welchen Begriff aus der Chemie sollten am
Ende des Internationalen Jahrs der Chemie alle kennen und warum?
Wenn sich «alle» in dem Internationalen Jahr der Chemie nur mal einen Tag bewusst machen
würden, von wieviel Chemie sie umgeben sind und was im täglichen Leben ohne die
Chemie nicht möglich wäre, dann hätten wir für die Aktzeptanz und die Bedeutung
dieser Wissenschaft schon sehr viel erreicht.
Zur Person
Detlef Günther wurde am Laboratorium für Anorganische
Chemie der ETH Zürich im Oktober 1998 zum Assistenzprofessor ernannt, ab Juli 2003
zum ausserordentlichen Professor. Seit Februar 2008 ist er ordentlicher Professor für
Spurenelement- und Mikroanalytik. Zurzeit ist er Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften D-CHAB.
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