Veröffentlicht: 28.01.11
Science

Bewusstsein für Chemie im Alltag schaffen

Wenn am Ende dieses Jahres die meisten erkennen, dass sie tagtäglich mit Chemie zu tun haben, würde dadurch viel Akzeptanz für dieses Fach geschaffen, findet Professor Detlef Günther im ETH Life-Interview zum Internationalen Jahr der Chemie.

per / Redaktion
Der Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Detlef Günther, anlässlich der Verleihung der Auszeichnung «Chemical Landmark» (Bild: P. Rüegg / ETH Zürich).
Der Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften, Detlef Günther, anlässlich der Verleihung der Auszeichnung «Chemical Landmark» (Bild: P. Rüegg / ETH Zürich). (Grossbild)

Herr Günther, was halten Sie für die grösste Errungenschaft oder wichtigste Entdeckung der Chemie?
Für mich gibt es nicht die grösste Errungenschaft oder die wichtigste Entdeckung in der Chemie – diese kann doch genau Morgen erst gemacht werden. Alle Entdeckungen der Chemie haben einen extrem grossen Impakt auf unser tägliches Leben und sind wesentliche Errungenschaften. Schade ist nur, dass das oft nicht immer so wahrgenommen wird.

Womit befassen Sie sich in Ihrer Forschung und was wird davon im Alltag spürbar oder nutzbar?
Wir befassen uns mit der Entwicklung von analytischen Methoden, um Spurenelemente oder Isotopenverhältnisse in verschiedensten Stoffen (gasförmig, flüssig, fest) besser und präziser nachweisen zu können. Wenn wir heute sehen, dass fast alle uns im Alltag umgebenden Stoffe einer strengen Qualitätskontrolle unterzogen werden, dann leisten wir dazu einen Beitrag. Oder wenn wir heute über das Klima der Zukunft sprechen, dann fragen wir sofort auch nach der Vergangenheit, und auch in diesem Forschungsgebiet haben wir bereits Methoden entwickelt und angewendet, die zur Rekonstruktion von Klimaereignissen beitragen.

Haben Sie ein Vorbild in der Chemie? Wenn ja, welches und warum diese Person?
Eine spezifische Person gibt es nicht, aber ich habe mich sehr früh für die Geschichte der Chemie interessiert und da gibt es einfach klasse Entdecker und Erfinder mit faszinierenden Geschichten, die zu lesen sich wirklich lohnt. Wenn man liest, wie schwer es für Marsh war, einen eindeutigen Nachweis für Arsen zu entwickeln, ist das heute mit den modernen Methoden der instrumentellen Analytik kaum noch vorstellbar. Die Popularität von Arsen als Gift war gross und damals ging es um Leben und Tod im wahrsten Sinne des Wortes.

Warum wollten Sie Chemiker werden?
Mein Vater schwärmte immer für die Chemie, die er nicht studieren konnte, weil ihm durch den Krieg eine Klassenstufe fehlte. Ich glaube, er hat mich ziemlich dafür begeistert und dann hatte ich einfach gute Chemielehrer. Schon in der Schule war ich in der Mischung «exothermer anorganischer Verbindungen» ziemlich kreativ. Irgendwann während des Studiums fand ich die Analytik sehr interessant – ich habe es als den kriminalistischen Teil der Chemie aufgefasst – der Nachweis von Elementen und Verbindungen. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Entwicklung neuer Verbindungen und Stoffe und deren Charakterisierung in Bezug auf ihre Zusammensetzung oder Struktur eine Einheit bilden müssen, um Funktion, Wirkung und Eigenschaften beschreiben zu können. Die Herausforderungen heute sind einfach darin zu sehen, dass wir aus immer weniger Material immer mehr wissen wollen, und da gibt es noch eine Menge an unverstandenen Phänomenen.

Wie wird sich Ihr Forschungsgebiet entwickeln, wo liegt das Potenzial?

Die Spuren- und Mikroanalytik wird sich dahin entwickeln, dass wir in ein paar Jahren nicht mehr nur von Nanoanalytik reden, sondern sie wirklich anwenden werden, um in immer kleinere Probenbereiche mit noch höherer Präzision reinschauen zu können. Das wird sehr spannend, denn alle die zu charakterisierenden Stoffe beinhalten weitreichende Informationen und stimulieren neue Fragestellungen und Forschungsgebiete.

Welche Forschungsgebiete der Chemie werden in Zukunft besonders wichtig und weshalb?
Ganz sicher wird das Energieproblem eine der grossen Herausforderungen in der Zukunft und dort benötigen wir eine höhere Effizienz. Also müssen wir aus Rohstoffen mehr machen und weniger Abfall produzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wird es die clevere Kombination von ganz vielen wichtigen Wissenschaftsbereichen brauchen. Die ETH hat ein Energy Center gegründet, in dem sich 40 Professuren aus 11 Departementen diesem Thema widmen – eine spannende Herausforderung, die nur interdisziplinär zum Erfolg führen wird.

Welchen Begriff aus der Chemie sollten am Ende des Internationalen Jahrs der Chemie alle kennen und warum?
Wenn sich «alle» in dem Internationalen Jahr der Chemie nur mal einen Tag bewusst machen würden, von wieviel Chemie sie umgeben sind und was im täglichen Leben ohne die Chemie nicht möglich wäre, dann hätten wir für die Aktzeptanz und die Bedeutung dieser Wissenschaft schon sehr viel erreicht.

Zur Person

Detlef Günther wurde am Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH Zürich im Oktober 1998 zum Assistenzprofessor ernannt, ab Juli 2003 zum ausserordentlichen Professor. Seit Februar 2008 ist er ordentlicher Professor für Spurenelement- und Mikroanalytik. Zurzeit ist er Vorsteher des Departements Chemie und Angewandte Biowissenschaften D-CHAB.

 
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