Veröffentlicht: 13.01.11
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Viertausendmal Max Frisch und mehr

Das Jahr 2011 lädt ein, Max Frisch neu zu entdecken. Das Max Frisch-Archiv an der ETH-Bibliothek hat eine umfassende Bilddatenbank ins Netz gestellt und ist an zahlreichen Aktivitäten zum 100. Geburtstag des grossen Schweizer Schriftstellers beteiligt.

Martina Märki
Max Frisch in typischer Pose, 1972 bei einer Amerikareise. (Bild: Jürgen Becker/Max Frisch-Archiv, Zürich)
Max Frisch in typischer Pose, 1972 bei einer Amerikareise. (Bild: Jürgen Becker/Max Frisch-Archiv, Zürich) (Grossbild)

Das breite Gesicht mit dem dichten Haarschopf in skeptische Falten gelegt, die meist halb geschlossenen Augenlider hinter der markanten Brille verborgen, dazu die unvermeidbare Pfeife – so wurde Max Frisch unzählige Male fotografisch porträtiert, so hat sich sein Bild im Gedächtnis der Öffentlichkeit festgeschrieben. Dass dies ausgerechnet einem passieren muss, der sein ganzes schriftstellerisches Leben lang gegen die Festschreibung der Person angeschrieben hat und – selbst immer auf der Ich-Suche – mit seinen Romanfiguren wie Stiller und Gantenbein die Ich-Versteckspieler par excellence geschaffen hat, ist eine Ironie der Geschichte. Nun bietet das Max Frisch-Archiv Gelegenheit, noch andere Bilder von Max Frisch zu entdecken. Mehr als 4‘000 Fotografien sind im neuen Online-Bildarchiv seit Anfang dieses Jahres öffentlich zugänglich. Im Max Frisch-Archiv liegt weiteres Bildmaterial, das sukzessive in die Bilddatenbank eingearbeitet wird.

Posen und Schnappschüsse

Insgesamt ist das Max Frisch-Archiv im Besitz von einigen tausend Bildern, die das Leben Max Frischs fotografisch dokumentieren. Sie geben einen umfassenden Einblick in die Schaffensprozesse des Schweizer Architekten und Schriftstellers und gestatten auch einen Blick hinter die Kulissen der öffentlichen Person Frisch. Da finden sich, neben den bekannten Schriftsteller-Porträts, Familienfotos, etwa vom jungen Max Frisch als frischgebackener Vater, Fotos von unzähligen Theaterproben und – im Zusammenhang mit Frischs Architekturstudium an der ETH besonders interessant – Bilddokumente zu architektonischen Arbeiten von Max Frisch. «Wir erhalten auch immer wieder Bilddokumente, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind», freut sich die Leiterin des Max Frisch-Archivs, Margit Unser. Erst dieser Tage liess die Fotografin Sigrid Estrada 27 neue Farbbilder aus Frischs New Yorker Zeit 1981 in der Bilddatenbank aufschalten.

Detektivische Feinarbeit

Die Frau, die alle fotografischen Seiten Max Frischs vermutlich am besten kennt, ist Barbara Schmidt. Die Germanistin war von Oktober 2009 bis Dezember 2010 als Projektmitarbeiterin des Max Frisch-Archivs mit dem Aufbau der Bilddatenbank befasst. Dahinter steckte viel detektivische Feinarbeit. «Wenigstens waren viele Fotos schon nach mutmasslichem Jahrgang in Hängeregistern abgelegt,» erzählt die junge Forscherin. «Aber viel mehr Informationen als vielleicht eine zufällig hingekritzelte kleine Bleistiftnotiz auf der Rückseite oder der Stempel eines Fotografen war meist nicht dabei.» So ging es nicht nur darum, herauszufinden, wann, wo und mit wem Max Frisch oder Personen aus seinem Umfeld abgebildet wurden, auch die Abklärung der Urheberrechte nahm immer wieder viel Zeit in Anspruch. Unter Wahrung sämtlicher Urheber- und Persönlichkeitsrechte sind nun rund 4'000 Fotografien öffentlich zugänglich, und nicht nur das. Den Bilddokumenten stellte die engagierte Max Frisch-Forscherin zudem ausführliche biografische Hinweise oder Werkverweise zur Seite, die sie unter anderem in Gesprächen mit Zeitzeugen erhalten hat.

Bilder und Spiegelungen im Jubiläumsjahr

Klickt man sich durch die Bestände des Online-Bildarchivs, erhält man Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen verschiedene Facetten von Max Frischs Leben und Werk vor Augen. «Mit der Bilddatenbank Online ist es sowohl der Frisch-Forschung als auch einer breiten Öffentlichkeit möglich, über den visuellen Zugang einen neuen Blick auf das Wirken von Max Frisch zu werfen», sagt Margit Unser. «Doch dies ist nur ein Weg unter vielen.»

Rund um Frischs 100. Geburtstag lassen zahlreiche Aktivitäten im Jubiläumsjahr den Schriftsteller neu erstehen, und das Max Frisch-Archiv ist an den meisten in irgendeiner Form beteiligt. Noch im Januar werden eine Gedenkmünze und eine Briefmarke lanciert, die das Bild von Max Frisch tragen. Die Grundlagen lieferte das Max Frisch-Archiv. Viel Material aus dem Archiv wird ab Mitte März in einer Ausstellung im Museum Strauhof in Zürich zu sehen sein. Wer im realen Leben auf Max Frischs Spuren wandeln möchte, kann dies dann anhand eines Stadtplans tun, auf dem Stationen aus seinem Leben und Werk eingezeichnet sind. Dieser wird ab Mitte März im Max Frisch-Archiv erhältlich sein.

Professionelle Max-Frisch-Interessierte haben den Weg ins Max Frisch-Archiv schon längst gefunden, so der bekannte deutsche Regisseur Volker Schlöndorff, der hier für ein Filmprojekt recherchiert. Auch erste entsprechende Publikationen sind schon erschienen. Die Frisch-Biografie des deutschen Journalisten und Feuilletonchefs der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Volker Weidermann, liegt in den Buchhandlungen. Gespannt sein darf man auch auf die Frisch-Biografie von ETH-Literaturprofessor Andreas Kilcher, die im Frühjahr erscheinen soll. Der Skeptiker Max Frisch allerdings hat sich als Autor gegen biografische Festlegungen hintersinnig verwahrt: «Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält, oder ein ganze Reihe von Geschichten…»

 
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