Veröffentlicht: 10.01.11
Science

Reparatur am Erbgut schützt vor Krebs

Wenn eine Zelle ihr Erbgut verdoppelt, können sich dabei Fehler einschleichen. Werden diese nicht rechtzeitig behoben, verursachen sie möglicherweise Krebs. ETH-Forscher haben nun ein neues Protein entdeckt, das Schäden am Erbgut repariert und dadurch vor Krebs schützen könnte.

Claudia Hoffmann
In Zellen mit intaktem Mms22L-Protein ist die DNS im Zellkern (blau) vor Schäden geschützt (linkes Bild). Fehlt dagegen Mms22L, sammeln sich Fehler an, die hier mit Hilfe eines grünen Farbstoffs sichtbar gemacht wurden (rechts). (Bild: zVg Matthias Peter / ETH Zürich)
In Zellen mit intaktem Mms22L-Protein ist die DNS im Zellkern (blau) vor Schäden geschützt (linkes Bild). Fehlt dagegen Mms22L, sammeln sich Fehler an, die hier mit Hilfe eines grünen Farbstoffs sichtbar gemacht wurden (rechts). (Bild: zVg Matthias Peter / ETH Zürich) (Grossbild)

Wenn Krebs entsteht, sind dafür Schäden am Erbgut, der DNS, verantwortlich. Diese können durch Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel Zigarettenrauch oder UV-Strahlung, verursacht werden. Sie treten aber auch bei natürlichen Prozessen in Zellen auf, zum Beispiel bei einer Zellteilung. Denn dafür muss eine Zelle zunächst ihre DNS verdoppeln, um sie anschliessend gleichmässig auf zwei Tochterzellen zu verteilen. Bei der Verdoppelung, der so genannten Replikation, können sich Fehler in die neu gebildete DNS einschleichen, welche die Funktion der Zelle beeinträchtigen und sie zu einer Krebszelle entarten lassen können.

Nun haben Forscher um Matthias Peter, Professor am Institut für Biochemie der ETH Zürich, ein Protein entdeckt, dass gezielt solche Replikationsschäden beseitigt. Bei der Replikation stellt die Zelle anhand der vorhandenen DNS eine identische Kopie her. Dass dabei Fehler auftreten, ist nichts Ungewöhnliches. «Die DNS-Replikationsmaschinerie arbeitet zwar sehr genau, aber sie ist nicht perfekt», erklärt ETH-Postdoktorand Wojciech Piwko. Ab und zu setzt sie falsche Bausteine ein, oder es treten auch Brüche im DNS-Strang auf.

Umso wichtiger ist es, dass solche Fehler erkannt und beseitigt werden. Das Mms22L genannte Protein heftet sich an schadhafte Stellen der neu gebildeten DNS an. Dorthin lotst es weitere Proteine, die den Defekt reparieren. Dadurch schützt Mms22L das Erbgut vor Schäden und verhindert so die Krebsentstehung.

Fehler treten häufig auf

Einige an der Reparatur beteiligten Proteine waren bereits bekannt, wie etwa das Protein Cul4. Funktioniert Cul4 nicht korrekt, ist die DNS-Replikation gestört. Veränderte Mengen des Proteins finden sich bei bestimmten Krebsarten, wie zum Beispiel Brustkrebs. Wie die Funktion von Cul4 mit der Entstehung von Krebs zusammenhängt, war jedoch bisher nicht vollständig geklärt. Denn Cul4 überwacht eine Vielzahl weiterer Proteine, die ebenfalls an der Reparatur beteiligt sind. Deren genaue Funktion ist jedoch grösstenteils unbekannt.

Das Ziel der Forscher war nun, die Rolle dieser Proteine zu klären. Dabei nützten sie aus, dass Zellen den Zustand ihrer DNS sehr genau überprüfen. Werden Mängel festgestellt, verlängert sich die Zeit zwischen der Replikation und der anschliessenden Zellteilung um mehrere Stunden, um Fehler zu beseitigen. «An dieser langen Zeitspanne erkennen wir, dass mit der DNS etwas nicht in Ordnung ist», sagt Wojciech Piwko.

Die Forscher massen nun die Dauer dieser Kontrollphase bei einer menschlichen Zelllinie, in der sie gezielt einzelne Proteine ausgeschaltet hatten. Während die Phase bei normalen Zellen etwa drei Stunden dauerte, verlängerte sie sich bei einigen der behandelten Zellen auf bis zu zehn Stunden - zum Beispiel, wenn das Protein Mms22L abgeschaltet wurde.

Um nachzuweisen, dass die Ursache für die Verzögerung tatsächlich Fehler in der DNS waren, markierten die Forscher schadhafte Stellen mit einem grünen Farbstoff. Während die DNS normaler Zellen nahezu farblos blieb, war die von Zellen, denen Mms22L fehlte, grün gesprenkelt. Das zeigte den Forschenden, dass die bei der Replikation entstandenen DNS-Schäden ohne Mms22L nicht mehr repariert werden konnten.

Helfer und Lotse

Wie Mms22L funktioniert, ist noch nicht bis ins Detail geklärt. Zusätzliche Versuche ergaben aber, dass es die DNS nicht selbst repariert, sondern vielmehr die Rolle eines Helfers spielt. Es bindet an ein weiteres Protein, das wiederum eine ganze Schar von Reparaturproteinen herbeiruft. Erst dieser Reparaturkomplex merzt die DNS-Fehler schliesslich aus. Matthias Peter und sein Team sind deshalb davon überzeugt, dass Mms22L eine Schlüsselrolle beim Schutz der DNS spielt, indem es den Reparaturprozess koordiniert.

Umgekehrt könnte das, was bereits von Cul4 bekannt ist, auch auf Mms22L zutreffen: Ist seine normale Funktion gestört, könnte dies Krebs auslösen. Um das nachzuweisen, untersuchen die Forscher nun Zellen, die sie aus Krebsgeweben von Patienten isoliert haben. Finden sich darin veränderte Mengen von Mms22L, wäre das ein Hinweis darauf, dass es tatsächlich an der Krebsentstehung beteiligt war. Denkbar wäre dann auch, dass die Messung von Mms22L zukünftig für die Diagnose bestimmter Krebsarten verwendet werden könnte.

Literaturhinweis

Piwko W et al. RNAi-based screening identifies the Mms22L-Nfkbil2 complex as a novel regulator of DNA replication in human cells. The EMBO Journal 29, 4210-4222 (26 November 2010) doi:10.1038/emboj.2010.304

 
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