Veröffentlicht: 13.12.10
Science

Der Boden ist schuld

Der Klimawandel wird nicht nur das durchschnittliche Klima, sondern auch die Extreme wie Hitzewellen beeinflussen. Darauf weisen Modellierungen der Klimaforschenden hin. Mit weit angelegten Messungen in Südosteuropa konnten sie nun erstmals belegen, dass trockene Böden dabei eine wichtige Rolle spielen. Gegenüber feuchten Sommern steigt die Häufigkeit von Hitzetagen in Sommern mit trockenen Böden auf das Zehnfache an.

Gaby Attinger
Ausgetrocknete Böden fördern, verlängern und verstärken Hitzewellen. (Bild: © Hannah Förster, www.hannah-foerster.org)
Ausgetrocknete Böden fördern, verlängern und verstärken Hitzewellen. (Bild: © Hannah Förster, www.hannah-foerster.org) (Grossbild)

Die Temperaturen steigen. Das haben Messungen über ganz Europa ergeben, bei denen die täglichen Mindesttemperaturen, die Maximalwerte ebenso wie die Streuung der Durchschnittstemperaturen analysiert wurden. Vor allem im östlichen Mittelmeerraum zeigte sich dabei, dass die Hitzewellen vermehrt stärker und länger sind sowie häufiger auftreten.

Berechnungen und Modellierungen der Klimaforschenden weisen darauf hin, dass in gewissen Regionen ein Zusammenhang zwischen den Hitzewellen und der Bodenfeuchte besteht. Je trockener die Böden sind, desto wahrscheinlicher sind Hitzewellen. Bislang konnten aber noch keine relevanten Daten gesammelt werden, die diesen Zusammenhang mit Messungen belegen.

Hitzeextreme intensivieren sich

Einer Gruppe von Forschenden um Sonia Seneviratne vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich sowie Martin Hirschi von MeteoSchweiz ist es nun gelungen, genau in jener Region, die von der steigenden Anzahl an Hitzewellen betroffen ist, genügend Daten zu sammeln, um die Modellierungen zu überprüfen. Die Auswertung von Messdaten aus 275 Wetterstationen aus Zentral- und Osteuropa ergab, dass sich die Hitzeextreme in der südosteuropäischen Region mit zunehmender Bodentrockenheit tatsächlich intensivieren.

In Zentraleuropa hat der Niederschlagsindex dagegen kaum Zusammenhang mit den gemessenen Temperaturen. Das Klimaregime und damit der mittlere Bodenfeuchtegehalt scheint also tatsächlich entscheidend zu sein für den Zusammenhang zwischen Niederschlagsmenge und extremen Temperaturen. «Es wirkt als Steuerfaktor für den Einfluss vom Niederschlagsdefizit auf Hitzeextreme», erklärt Sonia Seneviratne. Und: «In Übergangszonen zwischen feuchtem und trockenem Klima ist  der Zusammenhang zwischen der Bodenfeuchte und Hitzeextremen am stärksten.»

In Rumänien und Bulgarien wächst der Anteil an heissen Tagen je nach Bodentrockenheit von 4,5 Prozent auf 43 Prozent an, die Länge der Hitzewellen steigt von 1,2 auf 6,9 Tage. In Österreich und Tschechien dagegen zeigt sich bei nassen oder trockenen Sommermonaten kaum ein Zusammenhang mit den registrierten Hitzewellen.

Fehlende Bodenfeuchte führt also zu einer Intensivierung der Hitzeextreme, jedoch nur in bestimmten Klima- bzw. Bodenfeuchtezonen. Die Klimamodellierungen, die in diesem Bereich vorliegen, sind nur halbwegs richtig, weil sie diesen Effekt in Rumänien und Bulgarien zwar erfassen, in Zentraleuropa aber überschätzen. Diese Verhältnisse könnten sich allerdings in den kommenden Jahrzehnten als Folge des Klimawandels und erhöhter Trockenheit ändern.

Verfeinerte Prognosen

Die Messungen, die das Projekt untersuchte, wurden an 275 meteorologischen Stationen in Zentral- und Osteuropa erhoben, und zwar in zwei unterschiedlichen Regionen: In Rumänien und Bulgarien einerseits, wo die Verdunstung wegen trockener Böden oft beschränkt ist, und in Österreich und Tschechien, wo die Verdunstung dank den feuchten Verhältnissen nicht vom Bodenfeuchtegehalt sondern vor allem von der verfügbaren Energie - Sonneneinstrahlung, Lufttemperatur - begrenzt wird. Ausgewertet wurden die Daten mit der so genannten Quantil-Regression, einer Methode, die vor allem in der Ökonometrie und Ökologie Verwendung findet. Mit ihr wurde kürzlich die Entwicklung des Meeresspiegels in der Ostsee untersucht.

Die gewonnenen Erkenntnisse können helfen, die Prognosen für Hitzeextreme zu verfeinern. Denn die Speicherung der Bodenfeuchte verändert sich verhältnismässig langsam. In Gebieten, in denen der Zusammenhang zwischen Bodenfeuchte und Hitzeextremen besonders ausgeprägt ist, wäre es daher bereits Wochen und Monate im Voraus möglich, erhöhte Hitzerisiken festzustellen. Und: Die Massnahmen und Anpassungen können längerfristig geplant werden. Denn die heute in Südosteuropa geltenden Werte könnten mit dem fortschreitenden Klimawandel schon vor Ende des 21. Jahrhunderts für Mitteleuropa gelten.

Klimaforschung mit CECILIA

Ermöglicht wurde diese Arbeit durch das europäische Forschungsprojekt CECILIA (Central and Eastern Europe Climate Change Impact and Vulnerability Assessment), an dem 16 Institutionen aus zwölf Ländern teilgenommen haben. Ziel des Projekts war es, die Auswirkungen des Klimawandels in Zentral- und Osteuropa auf die Wald- und Landwirtschaft, die Wasserwirtschaft und die Luftqualität besser zu verstehen. Für die Analyse wurden drei Indextypen herangezogen: der standardisierte Niederschlagsindex, ein häufig verwendetes Dürremass, sowie zwei Temperaturindikatoren aus dem CECILIA-Projekt, der Prozentsatz der heissen Tage sowie die Maximaldauer der Hitzeextreme.

Literaturhinweis

Hirschi M, Seneviratne SI, Alexandrov V, Boberg F, Boroneant C, Christensen OB, Formayer H, Orlowsky B, Stepanek P. Observational evidence for soil-moisture impact on hot extremes in southeastern Europe. Nature Geoscience, 12 December 2010. doi:10.1038/ngeo1032