Der Boden ist schuld
Der Klimawandel wird nicht nur das durchschnittliche Klima, sondern auch die Extreme wie Hitzewellen beeinflussen. Darauf weisen Modellierungen der Klimaforschenden hin. Mit weit angelegten Messungen in Südosteuropa konnten sie nun erstmals belegen, dass trockene Böden dabei eine wichtige Rolle spielen. Gegenüber feuchten Sommern steigt die Häufigkeit von Hitzetagen in Sommern mit trockenen Böden auf das Zehnfache an.
Die Temperaturen steigen. Das haben Messungen über ganz Europa ergeben, bei denen die täglichen Mindesttemperaturen, die Maximalwerte ebenso wie die Streuung der Durchschnittstemperaturen analysiert wurden. Vor allem im östlichen Mittelmeerraum zeigte sich dabei, dass die Hitzewellen vermehrt stärker und länger sind sowie häufiger auftreten.
Berechnungen und Modellierungen der Klimaforschenden weisen darauf hin, dass in gewissen Regionen ein Zusammenhang zwischen den Hitzewellen und der Bodenfeuchte besteht. Je trockener die Böden sind, desto wahrscheinlicher sind Hitzewellen. Bislang konnten aber noch keine relevanten Daten gesammelt werden, die diesen Zusammenhang mit Messungen belegen.
Hitzeextreme intensivieren sich
Einer Gruppe von Forschenden um Sonia Seneviratne vom
Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich sowie Martin Hirschi von
MeteoSchweiz ist
es nun gelungen, genau in jener Region, die von der steigenden Anzahl an
Hitzewellen betroffen ist, genügend Daten zu sammeln, um die Modellierungen zu
überprüfen. Die Auswertung von Messdaten aus 275 Wetterstationen aus Zentral-
und Osteuropa ergab, dass sich die Hitzeextreme in der südosteuropäischen
Region mit zunehmender Bodentrockenheit tatsächlich intensivieren.
In Zentraleuropa hat der Niederschlagsindex dagegen kaum Zusammenhang mit den gemessenen Temperaturen. Das Klimaregime und damit der mittlere Bodenfeuchtegehalt scheint also tatsächlich entscheidend zu sein für den Zusammenhang zwischen Niederschlagsmenge und extremen Temperaturen. «Es wirkt als Steuerfaktor für den Einfluss vom Niederschlagsdefizit auf Hitzeextreme», erklärt Sonia Seneviratne. Und: «In Übergangszonen zwischen feuchtem und trockenem Klima ist der Zusammenhang zwischen der Bodenfeuchte und Hitzeextremen am stärksten.»
In Rumänien und Bulgarien wächst der Anteil an heissen Tagen je nach Bodentrockenheit von 4,5 Prozent auf 43 Prozent an, die Länge der Hitzewellen steigt von 1,2 auf 6,9 Tage. In Österreich und Tschechien dagegen zeigt sich bei nassen oder trockenen Sommermonaten kaum ein Zusammenhang mit den registrierten Hitzewellen.
Fehlende
Bodenfeuchte führt also zu einer Intensivierung der Hitzeextreme, jedoch nur in
bestimmten Klima- bzw. Bodenfeuchtezonen. Die Klimamodellierungen, die in
diesem Bereich vorliegen, sind nur halbwegs richtig, weil sie diesen Effekt in
Rumänien und Bulgarien zwar erfassen, in Zentraleuropa aber überschätzen. Diese
Verhältnisse könnten sich allerdings in den kommenden Jahrzehnten als Folge des
Klimawandels und erhöhter Trockenheit ändern.
Verfeinerte Prognosen
Die Messungen, die das Projekt untersuchte, wurden an 275 meteorologischen Stationen in Zentral- und Osteuropa erhoben, und zwar in zwei unterschiedlichen Regionen: In Rumänien und Bulgarien einerseits, wo die Verdunstung wegen trockener Böden oft beschränkt ist, und in Österreich und Tschechien, wo die Verdunstung dank den feuchten Verhältnissen nicht vom Bodenfeuchtegehalt sondern vor allem von der verfügbaren Energie - Sonneneinstrahlung, Lufttemperatur - begrenzt wird. Ausgewertet wurden die Daten mit der so genannten Quantil-Regression, einer Methode, die vor allem in der Ökonometrie und Ökologie Verwendung findet. Mit ihr wurde kürzlich die Entwicklung des Meeresspiegels in der Ostsee untersucht.
Die gewonnenen Erkenntnisse können helfen, die Prognosen für Hitzeextreme zu verfeinern. Denn die Speicherung der Bodenfeuchte verändert sich verhältnismässig langsam. In Gebieten, in denen der Zusammenhang zwischen Bodenfeuchte und Hitzeextremen besonders ausgeprägt ist, wäre es daher bereits Wochen und Monate im Voraus möglich, erhöhte Hitzerisiken festzustellen. Und: Die Massnahmen und Anpassungen können längerfristig geplant werden. Denn die heute in Südosteuropa geltenden Werte könnten mit dem fortschreitenden Klimawandel schon vor Ende des 21. Jahrhunderts für Mitteleuropa gelten.
Klimaforschung mit CECILIA
Ermöglicht
wurde diese Arbeit durch das europäische Forschungsprojekt CECILIA (Central and Eastern Europe Climate
Change Impact and Vulnerability Assessment), an dem 16 Institutionen aus zwölf
Ländern teilgenommen haben. Ziel des Projekts war es, die Auswirkungen des
Klimawandels in Zentral- und Osteuropa auf die Wald- und Landwirtschaft, die
Wasserwirtschaft und die Luftqualität besser zu verstehen. Für
die Analyse wurden drei Indextypen herangezogen: der standardisierte
Niederschlagsindex, ein häufig verwendetes Dürremass, sowie zwei
Temperaturindikatoren aus dem CECILIA-Projekt, der Prozentsatz der heissen Tage
sowie die Maximaldauer der Hitzeextreme.
Literaturhinweis
Hirschi M, Seneviratne SI, Alexandrov V, Boberg F, Boroneant C, Christensen OB, Formayer H, Orlowsky B, Stepanek P. Observational evidence for soil-moisture impact on hot extremes in southeastern Europe. Nature Geoscience, 12 December 2010. doi:10.1038/ngeo1032
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