Veröffentlicht: 28.09.10
Science

Methan, das aus Pflanzen kommt

Von Sibirien über die Schweizer Alpen bis hin zu den Hochgebirgen Zentralafrikas: Über vergleichbare Mechanismen gelangt das Treibhausgas Methan aus Moorböden in die Atmosphäre. Der Methankreislauf in Mooren ist aber sehr komplex, und es ist umstritten, wieviel Methan in die Atmosphäre emittiert wird. ETH-Professor Josef Zeyer trägt die verschiedenen Puzzleteile zusammen.

Peter Rüegg
Isolde Erny installiert die zur Messung des Methans im Boden nötigen Metallrohre. (Alle Bilder: Peter Rüegg / ETH Zürich)
Isolde Erny installiert die zur Messung des Methans im Boden nötigen Metallrohre. (Alle Bilder: Peter Rüegg / ETH Zürich) (Grossbild)

Das Sommerwetter lockt, die Sonne spiegelt sich in dem kleinen See auf einer Alp im Kanton Uri. Eigentlich wollen sie hoch hinaus, aber erstaunt bleiben Wanderer stehen. Am Ufer zwischen von Gletscher abgeschliffenen Granitfelsen stecken junge Leute dünne Metallrohre in den Sumpf. Spritzen, Sonden und Schläuche hängen an den Rohren. Styroporplatten liegen auf dem weichen Boden, eine Leiter verbindet die Platten, auf denen Forscher vom Fachbereich Umweltmikrobiologie stehen – ein Postdoc, zwei Studentinnen und ETH-Professor Josef Zeyer.

Seit rund zwei Jahren untersuchen die Mikrobiologen den Methankreislauf in alpinen Mooren im Kanton Uri und auf der Alpe Piora im Nordtessin. Sie möchten wissen, wie und warum aus Mooren das natürlich gebildete Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt, und sie möchten vor allem die Mengen genau angeben können. Denn Methan ist klimawirksam: eine Tonne Methan ist je nach Angaben 20 bis 30 Mal klimawirksamer als eine Tonne CO2.

Übertragbare Erkenntnisse

In der Geobotanik besagt eine Hypothese, dass von den Polen bis zum Äquator Lebensräume mit Pflanzengesellschaften existieren, die ähnliche Strukturen und Funktionen haben. Das gilt auch für Moore. Die polaren Moore in den riesigen arktischen Tundraflächen auf Meereshöhe haben einen vergleichbaren Aufbau wie unsere alpinen Moore auf 2000 Meter über Meer. Diese wiederum sind verwandt mit den Mooren am Äquator auf über 4000 Meter, beispielsweise mit den Ökosystemen im Ruwenzori-Gebirge. Erkenntnisse, die in unseren alpinen Mooren gewonnen werden, sind somit zum Teil nach Norden und Süden übertragbar.

Die alpinen Moore in der Schweiz sind für den Fachbereich Umweltmikrobiologie zum Modellsystem geworden. Sie sind gut erreichbar und in ihnen lässt sich der Methankreislauf quantifizieren und den Einfluss der Pflanzen studieren. Die Vegetation in den Mooren wächst an der Oberfläche und vermodert zum Teil im Untergrund unter Ausschluss von Sauerstoff. Bakterien im Moorboden gewinnen aus den toten Pflanzen Energie und produzieren dabei als Endprodukt Methan. Das Gas steigt schliesslich durch Boden und Wasser an die Oberfläche. Doch auf dem Weg nach oben setzen methanoxidierende Mikroorganismen das Gas um und bilden daraus Wasser und Kohlendioxid, so dass man an der Wasseroberfläche kaum mehr Methan nachweisen kann.

Rechnung ohne Pflanzen gemacht

In diesem Kreislauf spielen die grünen Pflanzen eine wichtige Rolle. Insbesondere die Seggen haben zahlreiche Gas-Leitgefässe, in denen Sauerstoff von den Blättern in die Wurzeln transportiert wird. Dieselben Leitgefässe können Methan im Wurzelbereich aufnehmen und an den methanoxidierenen Mikroorganimsen vorbei zu den Blättern transportieren, die es in die Atmosphäre abgeben. Damit erschweren diese Pflanzen jedoch die Quantifizierung des Methankreislaufes. Um zu messen, wie viel Methan durch die Pflanzen entweicht, platzieren die ETH-Forscher Plexiglashauben eines bestimmten Volumens über dem Wasser und den Seggen. Damit konnten sie zeigen, dass über 95 Prozent des im Untergrund gebildeten Methans via Pflanze direkt in die Atmosphäre gelangt. Die gleichen Phänomene wie in den alpinen Mooren hat Zeyer während eines Forschungsaufenthaltes im Sommer 2008 auch im Lena-Delta in Sibirien nördlich des Polarkreises erlebt: Moore in der Tundra, mit vergleichbaren Pflanzengesellschaften, die Methan transportieren.

Komplexe Modelle

Die Modellierung der Methanumsätze in den Mooren ist sehr schwierig. Ein Ziel des Fachbereiches Umweltmikrobiologie ist, ein Modell zu entwickeln, das all die Stoffflüsse, die Mitspieler und Gegenspieler sowie die wesentlichen Umweltbedingungen erfasst und letzten Endes abzuschätzen vermag, wie gross der natürliche Methanausstoss aus arktischen und alpinen Mooren ist. Um die Ergebnisse breiter abzustützen, wurden in diesem Sommer auch alpine Moore im Wallis, im Berner Oberland und im Engadin untersucht.

Dass die Moore im Kanton Uri und auf der Alpe Piora global gesehen keinen wesentlichen Beitrag leisten, ist Zeyer klar. «Der Flächenanteil solcher Gebiete ist in der Schweiz vernachlässigbar klein», sagt er. Nicht aber derjenige der riesigen Tundren Sibiriens, Kanadas und Alaskas. «Wenn wir ein Modell haben, können wir klarer abschätzen, wie viel Methan aus solchen Ökosystemen austritt.»

Senke für Kohlenstoff – oder Quelle?

Heute gelten natürliche Moore als Kohlenstoffsenken. Das Wachstum von Torfmoosen führt zu einer kontinuierlichen Zunahme der Biomasse. Nach jeder Vegetationsperiode stirbt das Moos ab, und in der darauf folgenden Saison wächst es wieder weiter. Die abgestorbenen Pflanzenteile werden jedoch nur zum Teil abgebaut, zu sauer und zu nährstoffarm ist das Milieu, und zu wenig Sauerstoff gelangt in die Tiefe, wo Mikroorganismen wirken könnten. Dadurch wächst das Moor immer höher und speichert viel Kohlenstoff. Für das Klima ist aber auch die Freisetzung von Methan relevant. Die Wissenschaft fragt sich deshalb, was unter dem Strich übrig bleibt, wenn einerseits Kohlendioxid ins Moor eingebaut und andererseits Methan freigesetzt wird und in die Atmosphäre gelangt?

Im Kanton Uri wurden bisher mehrere Messkampagnen durchgeführt, auch im Winter, wenn die alpinen Moore unter einer dicken Schneedecke verschwinden und Lawinen den Zugang erschweren. Die Mikroorganismen arbeiten dann in der Tiefe der Moore weiter. Das Methan kann aber nicht entweichen, weil an der Oberfläche Eis und Schnee liegen und das Moor abriegeln. Im Sommer jedoch gibt das Moor pro Quadratmeter und Tag bis zu 0,3 Gramm Methan ab. Zum Vergleich: eine Milchkuh produziert pro Tag rund 300 Gramm Methan.

Gefrorener Moorboden

Für die Forschung ist deshalb wesentlich, wie sich methanproduzierende und methankonsumierende Mikroorganismen in der Tiefe verteilen und wie aktiv sie sind. «Man müsste dazu Bohrkerne entnehmen, was aber in einem Moor sehr schwierig ist», sagt Josef Zeyer. Der Untergrund lässt sich wie ein Schwamm zusammendrücken, was die Bodenstruktur zerstört.

Seine Gruppe testet deshalb Gefriermethoden. Dazu versenken die Wissenschaftler ein kleines Rohr im Boden und kühlen dieses auf minus 80 Grad ab. Der Boden rund um das Rohr gefriert zunehmend, am Schluss lässt sich eine gefrorene Probe aus dem Moor ziehen. So bleibt die Bodenstruktur erhalten. Im Labor kann schliesslich die Schichtung Zentimeter für Zentimeter untersucht werden. Selbst das Wurzelgewebe der Pflanzen und die DNA der Mikroorganismen bleiben perfekt erhalten. So können die Forscher die Gene und ihre Expression im Labor analysieren und kommen damit dem Geheimnis der Methanentstehung im Moor einen Schritt näher.

 
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