Veröffentlicht: 10.09.10
Science

FCKW-Verbot zeigt Wirkung

So leicht zeigt schnelles Handeln Wirkung und so einfach machte dies das Montrealer Protokoll von 1987: Die Reduktion der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) scheint zu wirken und hilft offenbar, die vor UV-Strahlung schützende Ozonschicht zu regenerieren.

Simone Ulmer
Thomas Peter vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich sieht im FCKW-Verbot ein bemerkenswert gelungenes Beispiel eines Umweltabkommens.(Bild: ETH Zürich)
Thomas Peter vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich sieht im FCKW-Verbot ein bemerkenswert gelungenes Beispiel eines Umweltabkommens.(Bild: ETH Zürich) (Grossbild)

Für Jörg Mäder und Thomas Peter vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich ist es tatsächlich eine Überraschung, wie ihre jüngste, in Atmospheric Chemistry and Physics zur Diskussion gestellte Publikation in den Medien Anklang findet. Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die wesentlich zur Schädigung der Ozonschicht beitragen, sind in der Diskussion ums Klima heute kaum noch Thema, obwohl auch sie neben ihrer ozonzerstörenden Wirkung Treibhausgase sind. Der ETH-Professor Thomas Peter erklärt im Interview, warum es im Umfeld der Ozondiskussion vergleichsweise einfach war, Verordnungen durchzubringen, die nahezu alle Länder akzeptierten, und warum das bei der CO2-Reduktion so schwierig ist.

Herr Peter, Sie sind überrascht, dass Ihre Studie heute in den Medien Aufmerksamkeit erregt. Warum?
Die Bedeutung der Studie war uns wohl bewusst. Aber dass sie für eine breite Öffentlichkeit noch interessant ist, hatten wir so nicht erwartet. Auch weil sie nach einem fast durchstandenen «Review-Prozess» bei der Wissenschaftszeitschrift «Nature» abgelehnt wurde. Aber bisweilen kann es passieren, dass auch wertvolle Studien in einer hinter verschlossenen Türen stattfindenden Begutachtung nicht bestehen. Deshalb haben wir einen weiteren Versuch unternommen und unsere Studie zur öffentlichen Diskussion gestellt. Der erste Gutachterkommentar ist positiv ausgefallen.

Die Vermutung, dass das Montrealer Protokoll Wirkung zeigte, ist nicht neu, wurde aber nie klar nachgewiesen.
Bisher hat man zwar deutlich gesehen, dass die globalen atmosphärischen Chlorkonzentrationen, die in erster Linie für den chemischen Abbau des Ozons verantwortlich sind, zurückgehen. Dasselbe gilt für das Brom, welches auch Ozon angreift und das wir lange in Feuerlöschern verwendet haben. Aber der Nachweis im Ozon selber ist schwierig. Das liegt daran, dass die lokal an einem Standort vermessene Dicke der Ozonschicht starken natürlichen Schwankungen unterliegt , über die sich eine menschgemachte langsame Abnahme der Ozonschicht legt. Das Problem ist: Wie können wir das nachweisen? Und wie können wir nachweisen, dass dieser Prozess durch einen politischen Prozess gestoppt und sogar wieder umgekehrt wurde?

Sie haben aber offenbar eine gute Methode gefunden, um den Nachweis zu erbringen. Der erste Kommentar zu Ihrer Studie hebt die klare und einfache Vorgehensweise hervor.
Die Ozonmessungen von einer Bodenstation aus sind an sich sehr einfach, aber daraus Änderungen über mehrere Jahrzehnte von 5 bis 10 Prozent abzulesen, ist eine Herausforderung. Das Problem ist ein statistisches, für das wir Langzeitmessungen brauchen. Jörg Mäder hat deshalb weltweit Daten von all denjenigen Messstationen genommen, die über Jahrzehnte praktisch täglich die Dicke der Ozonschicht gemessen haben. Er analysierte, wie stark die Variationen und Trends sind, und welche Faktoren dazu beitragen, zum Beispiel Temperaturänderungen als Mass der Klimaveränderung oder Chlorzunahmen als Mass chemischer Einflüsse. Auf Grund dieser Daten erhielten wir ein Bild davon, an welchen Messstationen die Dicke der Ozonschicht zu-, und wo sie abgenommen hat. Die Anzahl der Messstationen mit signifikanter Zunahme überwog bei weitem.

Und wie kamen Sie zu Ihrer Schlussfolgerung?
Mittels einer statistischen Analyse der Daten kommen wir zum Schluss, dass der gemessene Anstieg im Ozon nur im Zusammenhang mit dem Montrealer Protokoll erklärt werden kann. Hierfür haben wir verglichen, wie die Messungen an den Stationen hätten aussehen müssen, wenn die Chlor- und Bromkonzentrationen in der Stratosphäre weiterhin linear angestiegen wären, im Gegensatz zu der tatsächlich beobachteten Chlor- und Bromabnahme nach dem Montrealer Protokoll: der Vergleich dieser beiden Szenarien zeigt deutlich, dass der Ozonanstieg in den letzten Jahren bei den meisten Stationen nur durch das Wirksamwerden des Montrealer Protokolls erklärt werden können.

Warum wird das Verbot erst rund sechs Jahre später in den stratosphärischen Chlor- und Bromkonzentrationen sichtbar?
Zum einen beträgt die typische Austauschzeit zwischen Troposphäre und Stratosphäre zwei Jahre, die Schadstoffe gelangen dadurch erst verzögert in die Stratosphäre. Dann kommt noch hinzu, dass die ursprüngliche Variante des Montrealer Protokolls nur sehr begrenzte Einschränkungen der FCKW-Produktion vorsah und erst durch spätere Folgeabkommen nachgebessert wurde. Dies hat den Effekt verzögert.

Eine Verordnung hat Erfolg gebracht. Warum war das im Fall der FCKWs so einfach und warum ist das so schwierig, wenn es darum geht, die klimabeeinflussenden Treibhausgase zu reduzieren?
Die FCKW-Problematik war im Vergleich zur CO2-Problematik letztlich ein Spaziergang. Letztere hängt mit dem Rückgrat unserer industrialisierten Gesellschaft zusammen – der Energiewirtschaft – und bewegt sich in ganz anderen Grössenordnungen. Und dennoch bleibt es interessant, dass damals ein weltweites Umweltabkommen so erfolgreich initialisiert werden konnte, und bis heute hält. Aus psychologischer Sicht gibt es interessante Beobachtungen dazu. Wir haben dazu am Department für Umweltwissenschaften während eines Studentenprojektes eine Fallstudie durchgeführt, in der wir Presseberichte nach Montreal und nach Kyoto verglichen. Unter anderem ergab die statistische Auswertung, dass der Begriff «Gesundheit» in den Ozon-Artikeln viel häufiger als Argument für das Montrealer Protokoll angeführt wurde, als das in der Diskussion um das Kyoto Protokoll zum Klimaschutz gemacht wird. Vermutlich war das Risiko, durch eine verminderte Ozonschicht an Hautkrebs zu erkranken, ein starkes Motiv dafür, dass fast alle Staaten das Montrealer Protokoll unterschrieben. Auch gab es in der damaligen Situation nicht die Diskussion von «Gewinnern» und «Verlierern», weil jeder sich von einer Erkrankung bedroht fühlte. Niemand identifiziert sich jedoch mit den Menschen, die in eine Schlammlawine geraten, in Überschwemmungsgebieten leben oder denen bei einem Hurrikan das Dach auf den Kopf fällt – alles Ereignisse, die durch die Klimaveränderung häufiger werden könnten.

Jetzt können wir uns über den positiven Effekt der FCKW-Verordnungen freuen. Aber wie wird sich der Klimawandel auf die Ozonschicht auswirken?
Das Klima hat Einfluss auf die Ozonschicht. Umgekehrt sind aber auch die FCKW und das Ozon selbst Treibhausgase. Zwischen der Chemie, der Atmosphäre und dem Klima besteht somit ein komplexer Zusammenhang. Wir wissen, dass Treibhausgase wie CO2 die Temperatur am Boden und in der Troposphäre erhöhen, hingegen kühlen Treibhausgase die Stratosphäre. Letzteres führt dazu, dass die chemischen Reaktionen sich verlangsamen und Ozon langsamer abgebaut wird. Also erst einmal ein positiver Effekt, der die Ozonheilung unterstützt. Vermutlich wird unsere Ozonschicht Ende des Jahrhunderts deshalb sogar dicker sein als in den letzten Tausend Jahren. Ob das aber gut ist, ist die Frage. Wird zu viel UV-Strahlung gefiltert, kann es bei den Menschen zu Vitamin D-Mangel kommen. Aber das wird frühestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eintreten.

Was passiert in den Polarregionen?
In den nordpolaren Gebieten rechnen wir damit, dass die Heilung der Ozonschicht ungefähr so voranschreitet wie in den mittleren Breiten. Im Gegensatz dazu wird sich das Ozonloch unter den speziellen Bedingungen, die am Südpol herrschen, erst später, vielleicht um 2070 oder 2080, schliessen.

Zur FCK-Problematik:

Die Ozonschicht in 15 bis 40 Kilometern Höhe, in der Stratosphäre, schützt das Leben auf der Erde vor schädlicher UV-Strahlung. Fluorchlorkohlenwasserstoffe schädigen die Ozonschicht, so dass mehr UV-Strahlung auf der Erde auftrifft. Dies kann beim Menschen Hautkrebs verursachen. 1985 wurde erstmals das Ozonloch über der Südpolarregion beschrieben. 1987 wurde das Montrealer Protokoll ratifiziert und trat 1989 in Kraft. Es verpflichtet die Staaten, den Einsatz von FCKW, etwa in Sprays, zu senken und schliesslich vollständig darauf zu verzichten. Es wurde in den vergangenen Jahren auf der Basis neuer Erkenntnisse mehrfach nachgebessert und beinhaltet mittlerweile auch FCKW-Ersatzstoffe und bromhaltige Halone, wie sie in Feuerlöschern verwendet werden.

 
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