Veröffentlicht: 19.08.10
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Kunst im Bann der Natur

Die graphische Sammlung präsentiert in ihrer aktuellen Ausstellung Naturfotografien und wissenschaftliche Zeichnungen. Diese erforschen die Natur mit künstlerischen Mitteln und zeigen nicht zuletzt die Natur selbst als herausragende Künstlerin.

Samuel Schlaefli
Die kleine Insel Lokrum vor Dubrovnik ist das Motiv, das der kroatische Künstler Antun Maracic täglich vor Augen hat und mit seiner Kamera immer wieder von neuem «erforscht». (Bild: Antun Maracic)
Die kleine Insel Lokrum vor Dubrovnik ist das Motiv, das der kroatische Künstler Antun Maracic täglich vor Augen hat und mit seiner Kamera immer wieder von neuem «erforscht». (Bild: Antun Maracic) (Grossbild)

Obschon die Natur von vielen als die grösste Künstlerin überhaupt betrachtet wird, werden deren Kunstwerke oft erst auf den zweiten Blick wahrgenommen. Es braucht jemand, der ein Auge für die Schönheit der Naturwerke hat und bereit ist, einen Moment länger hinzuschauen, zu beobachten, das Gesehene zu «erforschen». Die Künstler, die in der aktuellen Ausstellung «Der Natur» der Graphischen Sammlung der ETH Zürich zu sehen sind, verbindet die Fähigkeit zum Beobachten und «Erforschen» ihrer Sujets. So mancher würde an den festgefrorenen Methangas-Blasen am Langensee vorbeigehen, die lebhafte Skulpturen im winterlichen Eis herausbilden. Luca Galli hat angehalten und das Phänomen über Jahre hinweg fotografiert. Entstanden sind schwarz-weisse Abstraktionen, deren organische Formen an Werke von Hans Arp erinnern.

Der Künstler als Forscher

Paul Tanner, der Leiter der Graphischen Sammlung, will mit der Ausstellung nicht Künstler im Dienst der Wissenschaft zeigen, sondern vielmehr Künstler, die wie Wissenschaftler arbeiten. Diese analytische Herangehensweise zieht sich durch die gesamte Ausstellung. Auch wenn das Handwerk und das Interesse hinter den Bildern zum Teil komplett unterschiedlich ist: Jochen Lempert zum Beispiel, selbst Biologe, macht Tiere zu Protagonisten seiner Kunst, indem er diese gleich auf dem Fotopapier selbst ablichtet. Die Charakteristik seiner Fotogramme entsteht am Ende durch die Bewegung der Tiere. Pietro Mattioli hingegen ist weniger vom Tier selbst, sondern von dessen Werk fasziniert; eine ganze Fotoserie widmet er der fragilen Schönheit von Spinnennetzen. Andere an der Ausstellung gezeigte Künstler, werfen ihren forschenden Blick auf die Landschaften in ihrer Nähe. Der Kroate Antun Maracic fotografiert in regelmässigen Abständen die kleine Insel vor Dubrovnik, die er von seinem Büro aus tagtäglich sieht. Entstanden ist eine Art intimes Porträt von Maracics «persönlicher» Insel.

Alte Techniken ergänzt mit neuen Mitteln

Im Gang vor der Graphischen Sammlung hat Paul Tanner der Ausstellung einen Teil mit wissenschaftlichen Zeichnungen angefügt. Die meisten stammen im Gegensatz zu den Fotografien aus der eigenen Sammlung. «Wissenschaftliches Zeichnen bedingt eine innige Auseinandersetzung mit einem bestimmten Phänomen. Ich sehe darin eine Art Forschung mit zeichnerischen Mitteln», erklärt Tanner seine Faszination für die Zeichnungen. Obschon solche Zeichnungen heute, wo Wissenschaft fast ausschliesslich am Computer illustriert wird, wie aus einer anderen Zeit wirken, ist Tanner überzeugt, dass die Gattung nicht ausstirbt. «Die Mittel haben sich einfach geändert: Früher standen Bleistift und Aquarell für die Darstellung von biologischen Organismen zur Wahl; heute ist die Palette durch den Computer erweitert. Kreativität ist jedoch in beiden Fällen nötig», so Tanner. Dass das klassische wissenschaftliche Zeichnen noch längst nicht tot ist, zeigen auch vier Diplomarbeiten des Studiengangs «Illustration Non Fiction» der Hochschule Luzern, die in der Ausstellung zu sehen sind. Hier finden sich auch Beispiele, wie herkömmliche Techniken um digitale Möglichkeiten erweitert werden: Die Studentin Julia Carabain hat einen Nashornkäfer feinsäuberlich zerlegt und die einzelnen Glieder in Bleistiftzeichnungen vergrössert abgebildet. Daraus entstanden anschliessend Vektorgrafiken, anhand derer sich die Mechanik des Käfers auf einem grossen Poster bestens studieren lässt. Eine sinnliche Art von Forschung, die derjenigen in den Labors punkto Ästhetik einiges voraus hat.

Die Ausstellung «Der Natur» dauert bis am 15. Oktober 2010.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr (Mittwoch bis 19 Uhr). Samstag und Sonntag geschlossen.
Der Eintritt ist frei.

Hauptgebäude der ETH Zürich, Raum E 52, Rämistrasse 101.
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