Veröffentlicht: 13.08.10
Science

Feuer nicht zu löschen

Die Brände in Russland können wohl kaum gelöscht werden und nun sollen auch noch radioaktiv verseuchte Regionen brennen. Momentan geht es um Bewältigung der Situation. Bis die wirklichen Folgen der Feuerbrunst erfasst sind, dauert es noch lange, davon ist der ETH-Professor Hans Rudolf Heinimann überzeugt.

Simone Ulmer
Ein russischer Feuerwehrmann im Kampf gegen die Flammen. (Bild: Keystone)
Ein russischer Feuerwehrmann im Kampf gegen die Flammen. (Bild: Keystone) (Grossbild)

Zwischen 550 und 650 Brandherde wüten seit Ende Juli in Russland. Laut Angaben der NASA vom 8. August 2010 sind rund 7300 Quadratkilometer Wald- und Torfland bereits verbrannt oder stehen noch in Flammen. Das sind etwa eineinhalb Promille der russischen Gesamt-Waldfläche und entspricht etwa der Fläche des Kantons Graubünden.

Nur noch Einzelobjekte zu retten

Dass die Brände gelöscht werden können, ist für Hans Rudolf Heinimann, Professor am Institut für terrestrische Ökosysteme an der ETH Zürich, ausgeschlossen: «Man muss sich darauf beschränken, wichtige Infrastruktur zu schützen und eine weitere Ausbreitung einzudämmen». Eine normale Vorgehensweise ist dabei, Schneisen in die Wälder zu schlagen, um dem Feuer unüberwindbare Barrieren entgegenzustellen. Doch in Russland brennen nicht nur Wälder, sondern auch Torfböden in bis zu eineinhalb Metern Tiefe. Hier braucht es deshalb zudem tiefe Gräben, um zu verhindern, dass sich das Feuer unterirdisch weiter ausbreitet. Aber Heinimann schätzt die Lage als so gravierend ein, dass es dafür bereits zu spät ist und deshalb nur noch Einzelobjekte geschützt werden können – wichtige Verkehrsverbindungen oder Siedlungen.

Für Heinimann birgt die Feuersbrunst vier unterschiedliche Risiken in sich: Die Belastung der Atmosphäre, des Ökosystems, der Ökonomie und der menschlichen Gesundheit. Der zu erwartende CO2-Ausstoss sei gigantisch und würde jenen, der jährlich durch die Industrie verursacht würde, weit übertreffen, davon ist der Wissenschaftler überzeugt. Die Borealen Wälder der Nordhalbkugel, die sich durch ein kaltgemässigtes Klima mit Nadelwäldern und Mooren auszeichnen, speichern etwa einen Drittel des Kohlenstoffs in ihren Böden und zwei Drittel oberirdisch, betont Heinimann. Durch das Feuer wird der Kohlenstoff teilweise mobilisiert und gelangt als CO2 in die Atmosphäre. Hinzu kommt der durch die Verbrennung erzeugte Feinstaub (Rauchpartikel), der die Atmosphäre belastet. Für das Wald-Ökosystem sieht der Forscher eher Chancen, da Feuer ein «belebender» Faktor für die Ökosystem-Dynamik ist und nicht selten verschwunden geglaubte Arten wieder zum Vorschein bringt. Ökonomisch bedeuten die Brände für die Regierung hohe Einbussen, da es mindestens etwa 50 Jahre dauern wird, bis in den Brandgebieten wieder Nutzungskonzessionen vergeben werden können.

«Grosse Unbekannte»

Atmosphärenphysiker schätzen die Folgen der Brände für das Klima zum Teil unterschiedlich ein. Momentan ist es noch schwierig, die Auswirkungen wirklich abzuschätzen. Die ETH-Professorin Ulrike Lohmann geht vorerst nicht davon aus, dass die Brände Klimawirkung haben. Sie und ihr Institutskollege, ETH-Professor Thomas Peter, sehen aber im Moment die Rauchpartikel als «grosse Unbekannte». Entscheidend sei, ob innerhalb der nächsten Tage mit dem Wind ein Teil der Rauch- und Russpartikel in die Arktis verfrachtet wird und sich dort auf dem Eis absetzt. «Da das Eis dadurch dunkler würde, würde es mehr Sonnenstrahlung absorbieren und rascher schmelzen», sagt Peter. «Das wäre dann ein sehr unerwünschter Klimaeffekt.»

Wenn dies aber nicht geschieht, sieht auch Peter die Effekte eher als gering an und keinen Unterschied zu jenen, verursacht durch die jährliche Entwaldung der tropischen Urwälder. Peter hofft aber, dass die Krise zumindest hilft, die wenig klimabewusste Haltung des Kremls zu verbessern.

Seit Anfang dieser Woche scheint nun aber auch das befürchtete Szenario eingetroffen zu sein: Die Brände sollen radioaktiv verseuchte Regionen erreicht haben, Folgen der Katastrophen in der Wiederaufbereitungsanlage und dem Lager von radioaktivem Material in Majak (1957) und dem Reaktorunfall von Tschernobyl (1986). Wälder, vor allem die Rinden, Nadeln und Blätter sowie die Böden zeigten sich nach der Katastrophe von Tschernobyl als wichtige «Senken» etwa für die Radioisotope Cäsium-137 und Strontium-90. Brennen solche Wälder, kann nun erneut Radioaktivität freigesetzt werden. Mit einer Halbwertszeit von etwa 30 Jahren sind diese radioaktiven Isotope relativ langlebig. Die nach dem Unfall von Majak vor mehr als 50 Jahren freigesetzten 137Cs- und 90Sr-Mengen sind folglich noch zu etwa einem Viertel vorhanden, die nach Tschernobyl vor knapp 30 Jahren noch etwa zur Hälfte. «Beim Brand kann ein Teil davon als Staub wieder aufgewirbelt und – je nach meteorologischen Bedingungen – mit dem Wind über Hunderte von Kilometern verfrachtet werden», sagt Peter. «Menschen, die diese Partikel einatmen oder sonst irgendwie aufnehmen, erhöhen ihr Erkrankungsrisiko. Das würde in erster Linie direkt vor Ort arbeitende Personen wie etwa die Feuerwehrleute betreffen».

Majak und Tschernobyl

Der Unfall in der Anlage Majak (1957) soll bezüglich der Menge der dabei freigesetzten Strahlung der Katastrophe von Tschernobyl ebenbürtig sein. Die radioaktive Belastung von Gewässern und Böden war im Vergleich jedoch eher lokal und beschränkte sich auf einen Umkreis von etwa 20'000 Quadratkilometern. Erst im Jahr 1989 gestand die russische Regierung offiziell die Katastrophe ein.

 
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