Veröffentlicht: 08.03.10
Stress-Studie

Elektronischer Assistent schützt vor Stress

ETH-Forscher entwickeln elektronische Stress-Assistenten, die den Stresspegel im Alltag messen sollen. Ein Schritt auf dem Weg zur besseren Prävention von Burnout und Depressionen.

Peter Rüegg
Der Sensor an den Fingern misst die Hautleitfähigkeit, ein Indikator für Stress (Bild: Institut für Elektronik / ETH Zürich).
Der Sensor an den Fingern misst die Hautleitfähigkeit, ein Indikator für Stress (Bild: Institut für Elektronik / ETH Zürich). (Grossbild)

Stress ist an sich eine gesunde Reaktion. Droht Gefahr, bereitet sich der Körper auf eine Höchstleistung vor. Ist man jedoch ständigem Stress ausgesetzt und hat man kaum Gelegenheit, sich zu erholen, wird Stress chronisch. Es können sich Herzkreislaufkrankheiten oder psychische Leiden wie Depressionen entwickeln. In EU-Ländern gilt Stress als zweitwichtigste Ursache für arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme.

Um den Stresspegel im Alltag messen und zur Stress-Prävention beitragen zu können, haben ETH-Forscher um Bert Arnrich, Cornelia Setz und Gerhard Tröster vom Institut für Elektronik einen elektronischen Stress-Assistenten entwickelt, den die Forscher in einer kürzlich veröffentlichten Publikation beschrieben haben.

Zur Bestimmung des Stresspegels nutzten die Forscher verschiedene Indikatoren, darunter die Hautleitfähigkeit an den Fingern, die Herzschlag- und Atmungsrate sowie den Gehalt des Stresshormons Cortisol im Speichel. Zudem massen sie die Bewegung von Beinen, Füssen und Armen und bestückten einen Stuhl mit Drucksensoren, die aufzeichnen können, wie häufig eine Person ihre Sitzhaltung ändert.

Gestresste Probanden

Um zu prüfen, ob ihr Messsystem den Stresspegel zuverlässig bestimmen kann, führten die ETH-Forscher eine gross angelegte Studie in Zusammenarbeit mit den Psychologen Roberto La Marca und Ulrike Ehlert vom Psychologischen Institut der Universität Zürich durch. Für ihre Stress-Untersuchung wurden über 30 Probanden unter dem Vorwand eingeladen, an einem einfachen Rechen-Test teilzunehmen. In Wirklichkeit mussten sie unter Zeit- und sozialem Druck am Computer bestimmte Mathematik-Aufgaben lösen.

Konnte ein Proband gut rechnen, wählte das Programm automatisch schwierige Aufgaben. Dadurch gelang es keinem Probanden, mehr als die Hälfte der gestellten Aufgaben zu lösen, auch wenn er mathematisch noch so versiert war. Zusätzlich wurde den Probanden ständig gezeigt, dass ihre Leistungen im Vergleich zu einem «Normkollektiv» unterdurchschnittlich seien. Schliesslich setzte die Untersuchungsleiterin die Versuchsteilnehmer mit harten Beurteilungen ihrer Leistungen zusätzlich unter Stress. «Der hier simulierte Zustand kommt der Situation am Arbeitsplatz sehr nahe», sagt Roberto La Marca. In einer zweiten Runde konnten die Probanden die Aufgaben schliesslich ein zweites Mal ohne Zeitdruck und Druck seitens der Untersuchungsleiter lösen.

Assistent misst Stress genau

Die Resultate der Studie zeigten, dass der Stress-Assistent gut funktionierte: In 83 Prozent der Fälle konnte das System den Stresspegel aufgrund der Messung der Hautleitfähigkeit richtig erkennen. Denn bei Stress sondert der Körper mehr Schweiss ab, insbesondere an den Handflächen und an den Fusssohlen, was die Leitfähigkeit der Haut erhöht. «Der erhaltene Wert ist sehr hoch», sagt Arnrich.

Auch die Drucksensoren im Stuhl eignen sich für die Stresserkennung. In 73 Prozent der Fälle konnte damit Stress zuverlässig erkannt werden. Unter Stress bewegten sich die meisten Probanden viel häufiger auf dem Stuhl hin und her, einige erstarrten aber auch.

«Eine Methode allein reicht nicht aus, um Stress zuverlässig zu bestimmen», betont Arnrich. Nur über deren Kombination und den Ausschluss anderer Faktoren wie etwa körperlicher Arbeit, die einen schwitzen macht, könnten die Forscher Aussagen über den Stresspegel einer Person machen.

Feuerwehr und Manisch-Depressive

Der Oberassistent von Professor Gerhard Tröster will nun die elektronische Stress-Erkennung in zwei neuen, von der EU finanzierten Projekten weiter vorantreiben. So möchte er damit den Stress und den Gesundheitszustand von Feuerwehrmännern untersuchen. Feuerwehrleute arbeiten im Einsatz unter hohem Zeitdruck und unter hoher mentaler Belastung, was sie stressanfällig macht. Zudem möchten die Forscher herausfinden, ob ihre Methoden bei Patienten verwendet werden können, die unter manisch-depressiven Störungen leiden. So möchten sie untersuchen, ob sich die Manie- und Depressions-Zustände messen lassen und wie stark sie jeweils sind. «Dies würde die Arbeit von Psychotherapeuten unterstützen, indem sie den Therapieerfolg messen können», hofft Arnrich.

Um Stress am Arbeitsplatz dauerhaft zu überwachen und frühzeitig zu erkennen, bedarf es allerdings noch weiterer Forschung. «Einige der Sensoren sind derzeit noch zu unbequem», gibt Arnrich zu bedenken. Weiter müssen die Wissenschaftler geeignete Methoden entwickeln, damit sie aus den gemessenen Daten zuverlässig den Stresspegel des täglichen Lebens erkennen.

Sensoren in den Socken?

Die Technologie könnte vorerst aber in Einzelfällen helfen, Stress präventiv zu überwachen und den Nutzern eine Rückmeldung über ihren Stresspegel zu geben. Um den Tragekomfort der Sensoren zu erhöhen, denken die Forscher um Arnrich bereits einen Schritt weiter. Die Hautleitfähigkeit lässt sich auch am Fuss messen, da dessen Innenseite bei Stress ähnlich wie die Handfläche reagiert: mit vermehrter Schweissabgabe. Entsprechende Sensoren könnten in normale Socken integriert werden. So könnte es demnächst möglich werden, einem Betroffenen oder seinem Arzt rund um die Uhr Daten über den täglichen Stresspegel zu liefern und damit stressbedingten Erkrankungen vorzubeugen.

Literaturhinweis

Setz C, Arnrich B, Schumm J, La Marca R, Troester G, Ehlert U. Discriminating Stress from Cognitive Load using a Wearable EDA Device. IEEE Trans Inf Technol Biomed. 2009 Nov 10. Online Publication.

Arnrich B, Setz C, La Marca R, Tröster G, Ehlert. What does your chair know about your stress level? IEEE Trans Inf Technol Biomed. 2009. Online Publication.

 
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