Veröffentlicht: 02.02.10
Dossier Biodiversität: Darmflora

Vetternwirtschaft im Darm

Die biologische Vielfalt spielt auch im Darm: Je mehr verschiedene Bakterien den Darm bevölkern, desto schwerer haben es Krankheitserreger sich anzusiedeln. Monokulturen hingegen machen Keimen die Besiedelung leicht.

Peter Rüegg
Analyse der Darmbakterien: Eubakterien leuchten grün, Lactobacillus reutteri erscheint rot, die übrigen Bakterien blau. (Bild: B. Stecher /ETH Zürich)
Analyse der Darmbakterien: Eubakterien leuchten grün, Lactobacillus reutteri erscheint rot, die übrigen Bakterien blau. (Bild: B. Stecher /ETH Zürich) (Grossbild)

Im menschlichen Darm tummeln sich Billionen von Mikroben verschiedenster Arten, darunter das berühmte Bakterium Escherichia coli, kurz E.coli. Diese Mikroben bilden zusammen die Darmflora, die ein komplexes Ökosystem im Kleinen ist. Diese Darmflora ist eine eingeschworene «Community», die Eindringlingen das Leben schwer machen kann. Sie schützt den Wirt dieser Lebensgemeinschaft wirkungsvoll vor Infektionen. Dies zeigt eine neue Forschungsarbeit von Bärbel Stecher, Oberassistentin aus der Gruppe von Wolf-Dietrich Hardt am Institut für Mikrobiologie der ETH Zürich.

Maus mit einfacher Darmflora geschaffen

In Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Professor Andrew Macpherson vom Inselspital Bern haben die ETH-Forscher eine Maus untersucht, in deren Darm nur eine einfache Darmflora aus acht Bakterienstämmen vorkommt. In ihren Experimenten infizierten die Forscher Mäuse der neuen Linie mit Salmonellen sowie normale Mäuse, die über eine intakte und komplexe Darmflora mit rund 500 verschiedenen Mikrobenarten resp. Bakterienstämmen verfügen.

Mäuse mit einfacher Darmflora waren hoch anfällig für die Salmonellen, die eine Enterocolitis, eine dauerhafte und heftige Darmerkrankung, auslösen konnten. Nicht so die konventionellen Mäuse, deren diverse Darmflora die Tiere vor der Krankheit schützte. In beiden Fällen tummelten sich in etwa gleich viele Mikroben in den Darmlumen der Tiere.

Vielfalt dank Artgenossen

Die veränderten Mäuse konnten jedoch relativ rasch eine vielfältige Abwehr gegen Krankheitskeime aufbauen, wenn sie mit normalen Tieren drei Wochen im gleichen Käfig lebten. Mäuse fressen den Kot ihrer Artgenossen. Dadurch nehmen sie die Mikroben von anderen Tieren auf, werden also «geimpft».

Dabei bewahrheitet sich die Volksweisheit «Gleich und Gleich gesellt sich gern». Dominiert beispielsweise ein bestimmter Stamm von E.coli die Darmflora, so können andere, artverwandte Bakterien, wie zum Beispiel Salmonellen, den Darm leichter besiedeln. Sind Lactobazillen die dominierende Form innerhalb der Darmflora, können sich auch andere Lactobazillen leichter ansiedeln. Die Quintessenz: Sind ähnliche Arten im Darm bereits vorhanden, können sich verwandte Arten besser ansiedeln. «Das trifft leider sowohl für gesundheitsfördernde wie auch für krankmachende Bakterien zu», resümiert Wolf-Dietrich Hardt.

Wertvolles Modell

Was für Mäuse stimmt, könnte sich zumindest teilweise auch auf Menschen übertragen lassen. Jeder Mensch hat eine spezifische Darmflora. Das Mausmodell hilft deshalb herauszufinden, weshalb es Menschen gibt, die Darmerkrankungen scheinbar magisch anziehen und andere nicht. Leute, die sehr empfindlich für Durchfall sind, haben eventuell eine hohe Zahl von E.coli-Bakterien in der Darmflora.

«Für uns ist das Mausmodell sehr wertvoll», sagt Wolf-Dietrich Hardt. Früher habe man Mäuse mit dem Antibiotikum Streptomycin – das die Darmflora abtötet - behandeln müssen, um sie danach mit Salmonellen infizieren zu können. Bei der «neuen» Maus ist das nicht mehr nötig. Die Forscher denken deshalb daran, in Zukunft zu erforschen, wie sie «gute» Bakterien in die Maus bringen können, um zu beobachten, wie der Schutzschild gegen Krankheitserreger aufgebaut wird. Zudem kann die Forschung dazu beitragen, den Einsatz von Probiotika in der Ernährung auf eine solidere, wissenschaftliche Basis zu stellen.

Literaturhinweis

Stecher B, Chaffron S, Käppeli R, Hapfelmeier S, Freedrich S, et al. Like Will to Like: Abundances of Closely Related Species Can Predict Susceptibility to Intestinal Colonization by Pathogenic and Commensal Bacteria. PLoS Pathog 6(1), 2010: e1000711. doi:10.1371/journal.ppat.1000711

 
Leserkommentare: