Veröffentlicht: 21.09.09
Hochleistungsrechnen

Monte Rosa im Rampenlicht

Auf einen Sprung unter die Top Five der schnellsten Rechner Europas: Das Schweizer Hochleistungsrechenzentrum (CSCS) in Manno bei Lugano feiert seinen neuen Supercomputer.

Simone Ulmer
CSCS-Direktor Thomas Schulthess zusammen mit ETH-Präsident Ralph Eichler und Fritz Schiesser, Präsident des ETH-Rats, weihen den neuen Supercomputer des CSCS in Manno ein (v. l. n. r.). (Alle Bilder: Michele De Lorenzi/ETH Zürich)
CSCS-Direktor Thomas Schulthess zusammen mit ETH-Präsident Ralph Eichler und Fritz Schiesser, Präsident des ETH-Rats, weihen den neuen Supercomputer des CSCS in Manno ein (v. l. n. r.). (Alle Bilder: Michele De Lorenzi/ETH Zürich) (Grossbild)

«She’s a beauty» schrieb John West, Direktor einer der vier Hochleistungsrechenzentren des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, in seinem Internet-Blog «InsideHPC», nachdem der Hochleistungsrechner Monte Rosa im Mai dieses Jahres installiert und sich erste Bilder via Internet verbreitet hatten. In seiner vollen Pracht konnten am vergangenen Freitag die zahlreich geladenen Gäste aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft den Supercomputer bewundern. Doch während das Gebirgsmassiv in aller Stille erklommen werden kann, sind am CSCS Kopfhörer empfohlen. Selbst durch das Panzerglas, das vom normalen Bürotrakt Einblick in den Rechnerraum gibt, ist das Getöse der Maschine noch leise zu vernehmen.

Der rasante Sprung nach vorne

Sowohl ETH-Präsident Ralph Eichler, der den Festakt offiziell eröffnete, wie ETH-Ratpräsident Fritz Schiesser zeigen sich erfreut über die rasante Entwicklung, die das CSCS in den vergangenen Monaten durchlief. «Mich hat beeindruckt, wie rasch das CSCS Monte Rosa installiert und den Forschern zur Verfügung gestellt hat», sagt Fritz Schiesser. Denn bereits ein halbes Jahr nachdem der Bund den neuen Rechner durch Massnahmen des zweiten Konjunkturpakets ermöglichte, wird er offiziell eingeweiht. Freigegeben für die Nutzer ist er seit Juli; bereits einige Tage danach war er voll ausgelastet. In der Rangliste der 500 schnellsten Rechner der Welt belegt Monte Rosa Platz 4 innerhalb Europa und Platz 23 weltweit.

Schiesser sieht die Feier als ein gutes Signal für Bundesbern; dieser Tage ist die Botschaft zum Voranschlag 2010 versandt worden, in welcher der Bundesrat die Finanzierung der nationalen Strategie für das Hochleistungsrechnen bis 2011 darlegt. «Ich hoffe auf die Unterstützung des Parlaments», sagt Schiesser. Für ihn ist ein entscheidender Punkt, dass der Grundstein für die Beschaffung eines Petaflop-Rechners und eines neuen Gebäudes in Lugano-Conaredo gelegt werden kann, ohne dass dabei auf andere Bildungs- und Forschungsvorhaben verzichtet werden muss.

Unsichtbares sichtbar machen

Die schnelle Auslastung des neuen Rechner zeigt den Bedarf der Forscher, die komplexe Modelle in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, sowie der Klimaforschung, Medizin, Biologie, Chemie, Physik und Materialwissenschaften berechnen möchten. Modelle können beispielsweise sichtbar machen, was mit dem blossen Auge oder gar dem Elektronenmikroskop, oder einem Weltraumteleskop nicht möglich ist.

Dies zeigt Marcella Carollo, Professorin am Institut für Astronomie der ETH Zürich und Nutzerin des Monte Rosa Rechners mit ihren Computeranimationen, in denen sie die Strukturbildung im Universum simuliert. Dabei gelang es der Forscherin eindrücklich zu zeigen, was der Unterschied von 3’328 Prozessoren des Vorgängers von Monte Rosa zu 14'762 Prozessoren des neuen Rechners ausmacht: Aus einer schwach aufgelösten schwarz-weiss-Animation des Universums wird eine farbige Animation, in die Carollo hinein zoomt. Im Zeitraffer sind Materie, dunkle Materie und Gase verschiedener Temperaturen zu sehen und welche Strukturen sie während Milliarden von Jahren bilden.

Carollo erklärt, wie diese Simulationen eine Brücke zwischen Theorie und Experimenten schlagen: Sie ermöglichen verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Bedingungen durchzuspielen und mit theoretischen Erkenntnissen und Experimenten zu vergleichen. So können Simulationen bei offenen Fragen weiterhelfen, beispielsweise warum nach der Entstehung des Universums, nach ein paar Milliarden Jahren, die Sternenbildung ihren Höhepunkt erreichte und seitdem um den Faktor zwanzig abnahm, oder wie die Umgebung einer Galaxie deren Entwicklung bestimmt. Gebannt lauschten die Gäste der passionierten Astronomin, die ihnen erklärte, was Hochleistungsrechnen für sie bedeutet: Prozesse sichtbar machen, um zu «verstehen, was wir machen». Sie ist begeistert von den Möglichkeiten, die ihr und ihrem Team durch das CSCS mit seinem Hochleistungsrechner geboten werden. Damit bestätigt sie, was Ulla Thiel, Vizepräsidentin Europa von Cray zuvor sagte: «Ich bin erfreut wie sehr das CSCS die Wissenschaft statt die Rechner in den Mittelpunkt stellt. Viel mehr als an anderen europäischen Rechenzentren liegt beim CSCS der Schwerpunkt bei der Lösung von grossen Fragen in der Forschung.»

«She’s a beauty» scheint eine treffende Bezeichnung, denn wie bei den Schönheitsköniginnen ist der erreichte Rang der Superrechner von kurzer Dauer. Das schildert Anwar Osseyran, Direktor des Hochleistungsrechenzentrums Sara in den Niederlanden und Vorsitzender des Advisory Board des CSCS, in seinem spannenden Abriss über die Entwicklung der Supercomputer und deren exponentiell steigenden Anzahl von Prozessoren.

Die grossen Fragen sind der Motor

Thomas Schulthess, Direktor des CSCS betont, dass es beim Wettrennen nicht um den schnellsten Rechner geht, sondern darum, den Forschenden schneller Einblick in komplexe wissenschaftliche Fragestellungen zu ermöglichen. Als Beispiel nennt er die Klimasimulationen für die Schweiz, die heute eine maximale Auflösung von 35 Kilometern haben. In ihnen sind die Alpen zu erkennen, nicht aber deren Föntäler , die Wetterküchen der Schweiz. Rhone- und Rheintal würden erst ab einer Auflösung von rund zwei Kilometern sichtbar, wofür die 10’000fache Rechenleistung notwendig wäre. Für eine Auflösung von 550 Metern müsste die Rechenleistung gar um das Millionenfache steigen.

In der Vergangenheit stieg die Leistung der Supercomputer alle zehn Jahre um das Tausendfache. Demnach wäre 2018 ein Exaflop-Rechner zu erwarten, der zehn Millionen Prozessoren enthält. «Oder gar hundert Millionen?» fragt Schulthess. Die Frage könne heute wohl niemand beantworten. Dank dem CSCS und Monte Rosa habe die Schweiz aber die Möglichkeit an der Antwort mitzuarbeiten und gemeinsam mit den Herstellern zukünftige Rechnerarchitekturen zu entwickeln. «Die Schweiz und die ETH sollten sich dabei mit neuen Ideen engagieren.»

Den Ferrari fahren lernen

Die Referenten sind sich einig – und dem zustimmenden Nicken der geladenen Gäste aus Politik und Wissenschaft nach zu urteilen auch sie – dass die Investition in das Hochleistungsrechen einen strategischen Wettbewerbsvorteil für die Schweizer Forschung und die Wirtschaft darstellt. In den kommenden Jahren gilt es nun für das CSCS, in enger Zusammenarbeit mit seinen Nutzern zu zeigen, was für neue Möglichkeiten Simulationen als drittes Standbein der Wissenschaft - neben Theorie und Experiment - eröffnen. Dabei müssen die Nutzer lernen, wie sie ihre Forschung dank der neuen Maschinen am besten vorwärtstreiben. Wie Ralph Eichler in seiner Begrüssungsrede bereits sagte, braucht es zur effizienten Nutzung des Hochleistungsrechner einen Führerschein, «damit der Ferrari nicht wie ein Fiat gefahren wird.»

Monte Rosa

Der Supercomputer gehört zur jüngsten Generation einer Serie von Installationen des Typs Cray XT am CSCS. Die Baureihe verknüpft hochleistungsfähige Prozessoren mit einem speziell für das Hochleistungsrechnen entwickelten Kommunikationsnetzwerk, das die Grundlage für das massiv parallele Rechnen bildet. Beim sogenannten massiv parallelen Rechnen wird eine einzelne Rechenaufgabe auf Tausende Prozessoren verteilt. „Monte Rosa“ besteht aus 14'762 Prozessoren, die bis zu 141 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde durchführen können. Die Speicherkapazität des Hauptspeichers beträgt 29,5 Terabyte, was ungefähr jener von 30'000 Laptops entspricht. Für die vom Superrechner produzierten Daten steht ein Festplattenspeicher von 290 Terabyte zur Verfügung. Trotz der Verzehnfachung der Rechnerleistung der Vorgängermaschine des CSCS hat sich die Grösse des Rechners nicht wesentlich verändert. Die enorme Verdichtung der Rechnerleistung brachte die Infrastruktur des jetzigen Gebäudes jedoch an seine Grenzen. Dank eines neuartigen Kühlkonzepts, mit Flüssigkühlung, ist diese jedoch deutlich effizienter und somit umweltschonender als die Luftkühlung des Vorgängermodells.

 
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