Veröffentlicht: 14.09.09
Landmanagement

Eine Wiese ist schnell verbaut

Warum wirkt die Raumplanung in der Schweiz nicht nachhaltig? An einer Tagung zum Thema «Landmanagement für eine nachhaltige Raumentwicklung» waren sich Fachleute einig: Die gesetzlichen Grundlagen wären vorhanden, doch der Vollzug des geltenden Rechtes bereitet Probleme. Warum das so ist, erläutert Adrienne Grêt-Regamey, Professorin für Planung von Landschaft und Urbanen Systemen.

Martina Maerki
Notstand beim Vollzug der Raumplanung: Siedlungen und Strassen fressen immer mehr Land. (Bild: P. Rüegg)
Notstand beim Vollzug der Raumplanung: Siedlungen und Strassen fressen immer mehr Land. (Bild: P. Rüegg) (Grossbild)

«Eigentlich müssten wir sagen: Die Schweiz ist gebaut!», meinte ein Teilnehmer der Tagung «Landmanagement für eine nachhaltige Raumentwicklung» an der ETH Zürich auf dem Hönggerberg fast verzweifelt. Nicht ohne Grund, wie ein Blick auf die Statistiken zeigt.

Grassierender Landfrass

Gemäss dem Bundesamt für Statistik wuchs die besiedelte Fläche in der Schweiz innerhalb von zwölf Jahren um 327 Quadratkilometer. Plastischer drückt es ein Artikel in der NZZ am Sonntag vom 6. September 2009 aus: Pro Sekunde wird in der Schweiz ein Quadratmeter Kulturland von Strassen und Bauten verschluckt.

Den Landfrass stoppen möchten nicht nur die Vertreter des Landschaftsschutzes mit ihrer Landschaftsinitiative. Die Tagung an der ETH versammelte unter der Schirmherrschaft des Fachbereichs PLUS - Planung von Landschaft und urbanen Systemen des Instituts für Raum- und Landschaftsentwicklung (IRL) der ETH Zürich und des Schweizerischen Verbands für Geomatik und Landmanagement geosuisse die Vertreter vieler weiterer Fachverbände. Das Ziel war, gemeinsam anhand von Praxisbeispielen herauszufinden, wie kluges Landmanagement dabei helfen kann, den Umgang mit der Ressource Boden nachhaltiger zu gestalten.

Den Vollzug fördern

Ein für Laien eher überraschendes Ergebnis der Tagung: Während in der Öffentlichkeit noch die Diskussionen um das geplante neue Schweizer Raumplanungsgesetz Wellen schlagen, ist man sich unter Fachleuten einig, dass das Raumplanungsgesetz als solches nicht das Problem ist. Adrienne Grêt-Regamey, als Inhaberin der Professur für Planung von Landschaft und Urbanen Systemen Schirmherrin der Tagung, bestätigt dies: «Die gesetzlichen Grundlagen der Raumplanung sind in der Schweiz eigentlich gut. Insofern sind radikale Gesetzesänderungen nicht nötig. Probleme bereitet vielmehr der Vollzug der Gesetze.»

Für Grêt-Regamey steht deshalb die Frage im Mittelpunkt, wie man den Vollzug der Gesetze verbessern und gleichzeitig die bestehenden räumlichen politischen Grenzen überwinden kann. Was beispielsweise könnte einzelne Landeigentümer, Gemeinden oder Kantone motivieren, über Gemeinde- oder Kantonsgrenzen hinaus zusammenzuarbeiten, um beispielsweise zusammenhängende Erholungsräume oder sinnvolle Bauvorhaben planen zu können? Wenn jeder nur in seinen vorgegebenen Grenzen denkt, ist die Schweiz raumplanerisch ein einziger Flickenteppich. «Dabei gibt es sogar Baulandreserven, nur nicht gerade da, wo sie gebraucht werden oder Sinn machen würden», führte einer der Tagungsreferenten aus. Naheliegend wäre da beispielsweise so etwas wie eine «Baulandbörse», eine Art Tauschbörse für Landnutzungsrechte, wie ein weiterer Tagungsteilnehmer in die Diskussion einbrachte – nur, wer sollte diese organisieren und beaufsichtigen, relativierte er gleich selbst.

Den tatsächlichen Wert der Bodenressourcen ermitteln

Grêt-Regamey und viele ihrer Fachkollegen beschäftigt in diesem Zusammenhang noch ein viel grundsätzlicheres Problem. Wie nämlich soll man den Wert eines Stücks Bauland mit dem Wert einer Grünzone vergleichen? Rein nach dem monetären Wert? Dann wäre nach heutigen Kriterien das Bauland immer mehr wert als die Grünzone. Eine schlechte Ausgangslage, wenn es darum geht, unbebaute Räume zu erhalten . «Wir müssen zeigen, dass Bodenressourcen viele verschiedene Leistungen für den Menschen erbringen, welche eine wesentliche Grundlage für die Wohlfahrt heutiger und künftiger Generationen darstellen», betont die Forscherin.

Boden besitzt nicht nur als Bauland einen Wert, Boden ist auch fruchtbares Land, Erholungszone, Heimat oder Grundwasserquelle. Vor einer Nutzungsplanung muss die Landbedeckung erfasst werden, um das Potential der Bodenressource wahrzunehmen. An der Tagung zeigte der Beitrag des Direktors des Schweizerischen Tourismusverbandes, dass die Tourismusbranche sich inzwischen durchaus bewusst ist, dass die Landschaft einen wichtigen Wert besitzt. Doch welchen Wert hat Erholung oder identitätsstiftende Heimat konkret? In je einem Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) geht Grêt-Regamey dieser Frage weiter nach.

Professorin für Planung von Landschaft und Urbanen Systemen

Adrienne Grêt-Regamey ist seit einem Jahr Inhaberin der Professur für Planung von Landschaft und Urbanen Systemen (PLUS) am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung IRL der ETH Zürich, wo sie die Nachfolge von Prof. em. Willy A. Schmid antrat. Die Forschung am PLUS konzentriert sich auf die Integration der Ziele nachhaltiger Entwicklung, wirtschaftlicher Lebensfähigkeit und «good governance» in der räumlichen Planung. Dabei setzen Grêt-Regamey und ihre Mitarbeiter unter anderem auf die Weiterentwicklung von 3D-Visualisierungen landschaftlicher Veränderungen als Brücke für die Verständigung und Mitwirkung der gesellschaftlichen Akteure.