Veröffentlicht: 24.07.09
Fokusprojekt Avalon

Generalprobe bestanden

Bei der Weltmeisterschaft im Roboter-Segeln vor der portugiesischen Küste hat das ETH-Team mit seinem Boot «Avalon» den dritten Platz errungen. Die WM war zugleich der Test für die grosse Atlantiküberquerung im September.

Christine Heidemann
Bei der Weltmeisterschaft im Roboter-Segeln vor der portugiesischen Küste musste sich Avalon erstmals im Meer beweisen. Bis auf ein paar Kleinigkeiten lief alles perfekt. (Bild: SSA/ETH Zürich)
Bei der Weltmeisterschaft im Roboter-Segeln vor der portugiesischen Küste musste sich Avalon erstmals im Meer beweisen. Bis auf ein paar Kleinigkeiten lief alles perfekt. (Bild: SSA/ETH Zürich) (Grossbild)

Die Erleichterung ist den Studenten Gion-Andri Büsser und Hendrik Erckens anzumerken. Die harte Arbeit der letzten Monate hat sich gelohnt. Bei der «World Robotic Sailing Championship» in Portugal musste sich ihr im Rahmen der Fokusprojekte entwickelter Segelroboter «Avalon» lediglich zwei Booten geschlagen geben: dem österreichischen «Roboat» und dem portugiesischen «FASt». Und das auch nur, weil es bei Avalon «kleinere Probleme mit der Software» gab. Sonst, davon sind die beiden Projektleiter der Gruppe „Studenten Segeln Autonom“, kurz SSA, überzeugt, hätte ihr unbemannter Segler die Bugspitze vorn gehabt. Denn Avalon ist mit seinen vier Metern Länge nicht nur das grösste Boot unter den Konkurrenten im Roboter-Segeln; mit einer Maximalgeschwindigkeit von sechs Knoten ist es auch das schnellste.

Bei dem Rennen, das vom 6. bis 12. Juli in Portugal stattfand, galt es aber nicht nur den Weltmeister zu küren, sondern die zur «International Microtransat Challenge» im Herbst gemeldeten Roboter-Segler einem letzten grossen Härtetest zu unterziehen: Sind die Boote technisch tatsächlich in der Lage, die Atlantiküberquerung zu bewältigen?

Zwar war die WM im Vergleich zur bevorstehenden Herausforderung eine Spazierfahrt; die längste Geradeausstrecke betrug nicht mehr als 300 Meter, während bei dem Wettbewerb im Herbst rund 7000 Kilometer zu bewältigen sind. Dennoch zeigte sich bei den vier Rennen vor der portugiesischen Küste ganz klar, welches Team wo noch nachbessern muss und wie gut oder schlecht der eigene Segler im Vergleich zur Konkurrenz unterwegs ist.

Erste Bewährungsprobe im Meer

«Die WM war sehr hilfreich und wir haben viel gelernt», sagt Gion-Andri Büsser. Nicht zuletzt, weil sich der ETH-Segler in Portugal erstmals im Meer beweisen musste. Zuvor hatten die Studenten ihn ausschließlich in Seewasser testen können.

Dabei zeigte sich, dass Avalon auf geraden Strecken, selbst bei stärkeren Winden, problemlos Kurs hält, jedoch bei den Wendemanövern mitunter kurzzeitig die Orientierung verliert. Und so mussten seine Entwickler mehrmals auf Fernsteuerung umschalten, um den Roboter-Segler wieder auf die nächste Boje ausrichten zu können. Das ist im Wettkampf verboten und wird mit Punktabzug bestraft, was das ETH-Team letztlich den Sieg kostete.

Doch die Maschinenbau-Studenten nehmen es gelassen: «Immerhin tüftelt das österreichische Team bereits seit drei Jahren an seiner Software, unsere Gruppe dagegen erst seit drei Monaten», so Hendrik Erckens. Ausserdem habe man höchstens zwei Sekunden eingreifen müssen, dann sei Avalon wieder auf Kurs gewesen. Die SSA-Gruppe ist daher sicher, die Software bis Herbst im Griff zu haben. Unter anderem wollen die Studenten weitere Testfahrten im Mittelmeer durchführen. Vor der französischen Küste soll Avalon erstmals Strecken bis zu 200 Seemeilen am Stück segeln.

Auch die Kraftübertragung vom Motor auf das Segel sei noch nicht perfekt, so die Projektleiter. Das Getriebe müsse noch robuster werden. Aber auch das sei eine Kleinigkeit, zumal alle anderen Komponenten, dank der großzügigen finanziellen und technischen Unterstützung engagierter Industrievertreter, einwandfrei funktionierten. Etwa der eigens für Avalon konstruierte Baum aus Kohlefasern, dessen Drehpunkt nicht, wie bei bemannten Segelbooten üblich, am Mast, sondern weiter hinten liegt, wodurch der Energieverbrauch gesenkt wird. Schließlich muss die Stromversorgung für zwei bis vier Monate reichen. Solange, schätzen die Veranstalter, wird die Transatlantik-Regatta dauern.

Ausreichend Energiereserven

Damit Avalon nicht auf halber Strecke die Energie ausgeht, haben die acht Jungingenieure das ganze Deck mit Solarzellen bestückt und als Reserve noch eine 28-Liter-Methanol-Brennstoffzelle an Bord. «Allein damit, so haben wir errechnet, könnte Avalon einen Monat lang fahren.» Die Energieversorgung sei also gesichert.

Weniger kalkulierbar dagegen seien Risiken wie starke Stürme, denen Avalon nicht ausweichen könne, oder entgegenkommende kleinere Schiffe, sagt Gion-Andri Büsser. Denn während grössere Boote Positionsdaten aussenden, anhand derer Avalon eine Ausweichroute kalkulieren kann, ist der ETH-Segler bei kleineren Schiffen ohne Funk darauf angewiesen, dass diese ihm Platz machen.

Wer den Schöpfern von Avalon zuhört, meint, es nicht nur mit erfahrenen Maschinenbauern, sondern auch mit gestandenen Weltumseglern zu tun zu haben: Die Konstruktion der einzelnen Bootskomponenten geht Büsser und Erckens ebenso locker über die Lippen wie das Regime der Passatwinde. Doch weit gefehlt: Zwar haben alle im Team ein wenig Segelerfahrung, doch das meiste Wissen mussten sie sich aneignen, wie Hendrik Erckens gesteht: «Am Anfang war für uns alles neu. Aber der Transatlantikwettbewerb hat uns ungeheuer motiviert.» Und so holten sich die acht Studierenden Rat bei Bekannten und Experten und trieben Industriesponsoren auf, die das ehrgeizige Vorhaben heute vollständig finanzieren.

Genau dieses Engagement ist bei den Fokusprojekten der ETH gefragt. Ein Produkt soll von der Idee bis zur Fertigstellung im Team verwirklicht werden, indem die Studierenden das theoretische Wissen aus den Vorlesungen praktisch anwenden und vertiefen.

Weltrekord im Visier

«Es ist fantastisch, wenn man sieht, was entstanden ist», resümiert Gion-Andri Büsser. Auch wenn es viel mehr Arbeit sei, als Vorlesungen zu besuchen. Jetzt müsse man nur noch über den Atlantik kommen. Dann sei das oberste Ziel erreicht - und ein Weltrekord noch dazu. Denn wenn die Roboter-Segler im Herbst von Irland aus Kurs auf die Karibik nehmen, steuern sie gleichzeitig einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde an: Noch nie zuvor ist einem autonomen Segler die Überquerung des Atlantik gelungen.

Ob es die acht Pioniere schaffen und auf welcher Route sich Avalon durch die Wellen des Atlantik kämpft, kann übrigens jeder ab Herbst per Google Earth auf der SSA-Webseite mitverfolgen - und dabei kräftig die Daumen drücken.

 
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