Veröffentlicht: 12.06.09
Immunologie

Interleukin-21 hält Abwehrzellen fit

Interleukin-21 spielt bei der Abwehr chronischer viraler Infektionen eine wichtige Rolle. Zu diesem Schluss kamen vor kurzem gleich drei Forscherteams, eines davon an der ETH Zürich. «Science» war das Thema brisant genug für gleich drei Veröffentlichungen in «ScienceExpress». Denn die Entdeckung bedeutet Hoffnung für gezielte Therapien gegen HIV, Hepatitis C, B oder Tumore.

Maja Schaffner
Mit Hilfe des Botenstoffes Interleukin-21 haben Abwehrzellen mehr Ausdauer im Kampf gegen chronische Virusinfektionen, wie zum Beispiel HIV auf diesem Bild. (Bild: Sebastian Kaulitzki/ iStockphoto)
Mit Hilfe des Botenstoffes Interleukin-21 haben Abwehrzellen mehr Ausdauer im Kampf gegen chronische Virusinfektionen, wie zum Beispiel HIV auf diesem Bild. (Bild: Sebastian Kaulitzki/ iStockphoto)

Chronische Viruserkrankungen , wie beispielsweise HIV, Hepatitis C oder B, schwächen das Immunsystem: Anstatt über lange Zeit konstant gegen die Erreger zu kämpfen, macht es irgendwann schlapp. Zytotoxische-T-Lymphozyten (T-Killerzellen), die virusinfizierte Zellen abtöten, vermehren sich im Anfangsstadium einer chronischen Viruserkrankung mehr als zehntausendfach. Im Verlauf des langwierigen Kampfes gegen die chronischen Viren ermüden sie jedoch, verlieren ihre Abwehrfunktion oder sterben ab. Bei HIV ist das der Punkt, an dem Aids ausbricht.

T-Killerzellen brauchen IL-21

ETH-Wissenschaftler der Gruppe von Manfred Kopf, Professor am Institut für Integrative Biologie, untersuchten an Mäusen, was zu diesem Einbruch der T-Killerzellen führt. «Wir vermuteten einen Zusammenhang mit Interleukinen», erklärt Kopf. Diese körpereigenen Botenstoffe des Immunsystems kontrollieren Wachstum, Reifung, Differenzierung und Tod von Immunzellen. Momentan sind mehr als 60 davon mit unterschiedlichen Eigenschaften bekannt.

Für ihre Experimente konzentrierten sich die ETH-Forscher auf Interleukin-21 (IL-21). Sie verwendeten Mäuse, die auf ihren T-Killerzellen keine Rezeptoren für Interleukin-21 hatten. Diese Zellen wurden deshalb durch IL-21 nicht beeinflusst. Das Resultat der Experimente: Die Mäuse waren besonders anfällig für chronische Virusinfektionen.

Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die T-Killerzellen ohne IL-21 Rezeptor im Falle einer Infektion mit einer chronischen Viruserkrankung besonders schnell ermüdeten und abstarben. Die stetige Zufuhr von IL-21 scheint also für eine gute «Kondition» der T-Killerzellen und damit des gesamten Immunsystems wichtig zu sein.

T-Helferzellen bilden IL-21

Die Forscher konnten ausserdem nachweisen, woher das IL-21 stammt: Es wird von den T-Helfer-Lymphozyten (T-Helferzellen) hergestellt. Diese Immunzellen unterstützen die T-Killerzellen im Kampf gegen chronische Viruserkrankungen. Kopf und seine Kollegen konnten zeigen, dass IL-21 nur im Fall von chronischen Virusinfektionen gebraucht wird, nicht aber bei akuten Virusinfektionen, wie zum Beispiel beim Grippevirus.

Wie das Zusammenspiel zwischen T-Helferzellen, T-Killerzellen und Virus genau funktioniert, daran wird weiter geforscht. Kopfs Gruppe interessiert dabei besonders, wie die Produktion von IL-21 und die Bildung der Rezeptoren während einer chronischen Infektion gesteuert werden. Auch die Frage, ob die Menge IL-21 oder die Zahl der IL 21-Rezeptoren über den Verlauf chronischer Viruserkrankungen entscheiden, wird die Gruppe in Zukunft beschäftigen.

IL-21 als Therapie bei chronischen Viruserkrankungen?

Der Gedanke, das Immunsystem, das gerade mit einer chronischen Virusinfektion kämpft, durch Gaben von IL-21 zu unterstützen, liegt nahe. Ob ein bereits geschwächtes Immunsystem dadurch wieder gestärkt werden kann, ist noch nicht geklärt.

Natürlich wecken die Resultate Hoffnungen für die Therapie von chronischen Viruserkrankungen beim Menschen. Auch für die Bekämpfung von Tumoren könnte IL-21 von Bedeutung sein. Denn auch hier kämpfen T-Killerzellen mit Hilfe der T-Helferzellen einen langwierigen Kampf.

«Bevor aber Interleukin-21 für Therapien gegen chronische Virusinfektionen beim Menschen in Frage kommt, muss überprüft werden, inwiefern sich die im Mausmodell gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen und dessen Viruserkrankungen übertragen lassen», schwächt Kopf allzu grosse Hoffnungen ab. Die Arbeit wird den Forschern jedenfalls nicht so schnell ausgehen

Literatur:
Fröhlich A, et al. Science. Published online May 28, 2009. doi: 10.1126/science.1172815
Elsaesser H, et al. Science. Published online May 7, 2009. doi: 10.1126/science.1174182
Yi J, et al. Science. Published online May 14, 2009. doi: 10.1126/science.1175194

 
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