Veröffentlicht: 04.06.09
Signalweg bei Herzversagen

Was Herzen zum Kippen bringt

Ein Signal-Molekül reicht, um eine fatale Kette von Ereignissen in Gang zu setzen, die letztlich in ein tödliches Herzversagen führen können. Das zeigen die Forschungsarbeiten von Jaya Krishnan aus der Gruppe von Wilhelm Krek, Professor für Zellbiologie.

Peter Rüegg
32 Millionen Herzversagen pro Jahr weltweit: ETH-Forscher entdeckten eine wichtige molekulare Grundlage, die die Krankheit auslöst. (Bild: capnmaddmatt/flickr)
32 Millionen Herzversagen pro Jahr weltweit: ETH-Forscher entdeckten eine wichtige molekulare Grundlage, die die Krankheit auslöst. (Bild: capnmaddmatt/flickr) (Grossbild)

Nimmt ein Mensch stark zu, muss sein Herz mehr arbeiten, um das Blut in den Kreislauf zu pumpen. Der Blutdruck steigt. Das Herz selbst vergrössert sich, indem die Herz-Muskelzellen an Masse zunehmen. Damit das Herz wachsen kann, muss die Energie- und Sauerstoffversorgung ebenfalls zunehmen. Bis aber genügend Blutgefässe gewachsen sind, die das Gewebe versorgen, leiden Herz-Muskelzellen unter Sauerstoffmangel.

Zellen stellen Stoffwechsel um

Dies ist der kritische Moment, in dem sie ihren Stoffwechsel umstellen. Ein gesundes Herz verbrennt Fett, krankhaft vergrösserte Herz-Muskelzellen aber Zucker in Form von Glucose, weil diese Energieform unter Sauerstoffmangel rasch Energie liefern kann. Der Schalter quasi, der den Zellstoffwechsel umstellt und durch Sauerstoffmangel aktiviert wird, ist das Protein HIF1-alpha, wie die Forscher in ihrer neuen Publikation in der Fachzeitschrift «Cell Metabolism» zeigen.

Doch HIF1-alpha stellt nicht nur die Weiche auf Glucosenutzung. Das Protein ist ein so genannter Transkriptionsfaktor, der andere Gene aktiviert. Eines der von HIF1-alpha regulierten Gene ist PPARgamma, welches für das entsprechende gleichnamige Protein kodiert. PPARgamma sorgt dafür, dass die Herzzellen Zucker in Fett umwandeln und einlagern. Die Zellen verfetten und sterben ab, die Herzmuskelkontraktion ist gestört - bis hin zum tödlichen Herzversagen.

Ohne HIF1-alpha geht es Mäusen gut

Die Forscher um Krek konnten zeigen, dass Mäusen, denen das HIF1-alpha -Gen fehlt, nicht an Herzkrankheiten leiden, selbst wenn sie wie zivilisationsgeplagte Menschen erhöhten Blutdruck haben, und ihre Herzen verbrannten unter Stress-Bedingungen weiterhin Fett statt Glucose. HIF1alpha-defiziente Mäuseherzen vergrösserten sich auch nicht und brachten eine Leistung ähnlich einem Sportlerherz.

Mit HIF1-alpha haben die Forscher ein Protein identifizert, dessen Wirkung weit über Herzversagen hinausgeht. Das Protein ist ein wichtiger Schalthebel, der «master regulator», der Zellen dazu veranlasst, Glucose in Fett umzubauen. Das Phänomen lässt sich unter Stress-Bedingungen auch bei Insulin produzierenden Beta-Zellen oder Leberzellen beobachten. «Aber weder Leberzellen noch Herzzellen sind dafür gemacht Fett einzulagern, und werden dadurch in ihren Funktionen beeinträchtigt», sagt Krek.

Universelles Signal

Jedes Organ, das sich vergrössert, braucht eine angemessene Blutzufuhr. Und ist damit eine zeitlang O2-Mangel ausgesetzt, der das Protein aktiviert. «HIF1-alpha wird im Herzen aber nur unter pathologischem Stress aktiv», sagt Erstautor Jaya Krishnan. Diesen Signalweg nutzen selbst Tumorzellen, die ebenfalls schnell wachsen und dafür viel Energie und Sauerstoff brauchen. Auch Tumorzellen bauen sich Fette aus Glucose auf.

Gesucht: wirksamer Blocker

Um Herzversagen zu bekämpfen, wäre die einfachste Lösung einen Stoff zu finden, der an HIF1-a bindet, um es zu blockieren. «Eine Pille mit einem einzigen Wirkstoff, und wir könnten Herzversagen verursacht durch Bluthochdruck vermeiden», sagt Krek. Für Transkriptionsfaktoren einen passenden Gegenspieler zu finden, sei jedoch nicht einfach, weil er keine Andockstellen hat, gibt er zu bedenken. Dennoch laufen derzeit Bemühungen, ein entsprechendes Molekül zu entwickeln. An einen raschen Erfolg mag der ETH-Professor nicht glauben. Dennoch ist er überzeugt, dass mit einem wirksamen Gegenmittel dem Zivilisationsleiden Herzversagen der Schrecken genommen werden könnte.

Und noch etwas haben die Forscher entdeckt. Diabetiker erhalten teilweise PPAR-g fördernde Medikamente, um die Insulin-Resistenz zu senken. Mit fatalen Nebenwirkungen auf das Herz. Patienten, die PPAR-g Agonisten erhalten, haben ein höheres Risiko, an Herzversagen zu sterben. Mit ihrer Arbeit zeigen Krishnan und Krek erstmals, weshalb dem so sein könnte.

Herzversagen ist eine der häufigsten Todesursachen in westlichen Industrieländern, zunehmend aber auch in aufstrebenden Ländern wie Brasilien, Russland oder China. In der Schweiz ist jeder dritte Todesfall auf Herz-Kreislauferkrankungen zurückzuführen, in Deutschland gar fast jeder zweite. Zu den Risikofaktoren zählen das Rauchen, einseitige oder fettreiche Ernährung, Stress oder Bewegungsmangel sowie Übergewicht, hoher Blutdruck und Diabetes.

Literaturhinweis:

Krishnan J et al. Activation of a HIF1a-PPARg Axis Underlies the Integration of Glycolytic and Lipid Anabolic Pathways in Pathologic Cardiac Hypertrophy. Cell Metabolism (2009), doi:10.1016/j.cmet.2009.05.005

 
Leserkommentare: