Veröffentlicht: 09.09.08
LHC-Experimente am CERN

Spannung vor dem ersten Strahl

Am Mittwoch, den 10. September, soll im weltweit grössten Teilchenbeschleuniger am CERN bei Genf der erste Protonenstrahl in Umlauf gebracht werden. Das von der Wissenschaftsgemeinschaft mit Spannung erwartete historische Ereignis kann via Webcast mitverfolgt werden.

Beat Gerber / Marie-Christine Sawley
Voller Einsatz vor dem Start: Schweizer Forschungsgruppe des PSI sowie der ETH und Uni Zürich beim Einbau des Pixeldetektors am CMS. (Foto: H.R. Bramaz)
Voller Einsatz vor dem Start: Schweizer Forschungsgruppe des PSI sowie der ETH und Uni Zürich beim Einbau des Pixeldetektors am CMS. (Foto: H.R. Bramaz) (Grossbild)

Seit zwei Jahrzehnten arbeiten über 10'000 Forschende und Ingenieure am gewaltigsten wis­senschaftlichen Experiment, das die Menschheit je unternommen hat. Der Grosse Hadronen-Speicherring LHC am CERN ist ein kreisförmiger, unterirdischer Teilchenbeschleuniger mit einem Umfang von 27 Kilometern, der zwei Teilchenstrahlen mit extrem hoher Energie zum Zusammenstoss bringen wird.
Aufgrund dieser Kollisionen zwischen Protonen (in einigen Experimenten auch zwischen Blei-Ionen) kann man tiefer denn je ins Innerste der Materie vordringen. Es entstehen physikalische Verhältnisse, wie sie kurz nach dem Urknall vor 14 Milliarden Jahren geherrscht hatten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versprechen sich dadurch wesentliche neue Erkenntnisse über die Elementarteilchen wie auch über die Existenz neuer Teilchen (zum Beispiel das Higgs-Boson). Ebenso können bisher unverstandene Phänomene der Materie, des Raums und der Zeit erforscht werden.

Bedeutender Beitrag der Schweizer Forschung

Die Schweizer Forschung hat bedeutende Beiträge für das LHC-Projekt geliefert. Beteiligt an diesen umfangreichen Arbeiten für die Experimente ATLAS, CMS und LHCb mit riesigen Detektoren sind die ETH Zürich und Lausanne, das Paul Scherrer Institut PSI sowie die Universitäten Zürich, Bern, Genf und Basel.
Am Mittwoch, den 10. September, fällt nun der Startschuss für das ehrgeizige Projekt. Es soll der erste Protonenstrahl im LHC zirkulieren. Auf diesen geschichtsträchtigen Moment wartet die Wissenschaftsgemeinschaft und mit ihr die interessierte Öffentlichkeit gespannt. Auch an der ETH kann über eine Video-Schaltung das Geschehen live sowohl am Bildschirm wie auch auf der Leinwand mitverfolgt werden.

Der CMS-Detektor – ein extrem starkes Mikroskop

Ein Detektor an einem Beschleuniger lässt sich vergleichen mit einem ausserordentlich starken Mikroskop. Bei den LHC-Experimenten sammeln und analysieren die verschiedenen Detektoren die Daten, die aus den Signalen der aus den Kollisionen entstehenden Teilchen stammen.
Der CMS-Detektor wurde gebaut, um die Energie und den Impuls von Photonen, Elektronen, Myonen und andern Teilchen mit hoher Genauigkeit zu messen. Daraus resultiert eine ausgezeichnete Massenauflösung für die zerfallenden Teilchen. CMS besteht aus einem mächtigen inneren Silizium-Tracker (Mikrostreifen und Pixel), einem hochpräzisen elektromagnetischen Kalorimeter (aus Blei-Wolframat-Kristallen), gefolgt von einem Hadronen-Kalorimeter aus Messing und Kunststoff-Szintillatoren. Gegen aussen befindet sich die supraleitende Hochmagnetfeld-Spule, die mit einem mehrschichtigen Myonen-System gekoppelt ist.

CMS-Kennzahlen

  • Die grösste je gebaute supraleitende Magnetspule
  • Enthält den grössten Silizium-Detektor (205 m2 Sensorfläche)
  • Das schwerste je gebaute physikalische Instrument
  • Hat ein Magnetfeld 100’000-mal stärker als jenes der Erde
  • Produkt einer weltweiten Kollaboration zwischen 2500 Wissenschaftlern aus 184 Institutionen in 38 Ländern
  • Enthält das grösste für ein einzelnes Experiment gebaute Set von Szintillator-Kristallen
  • Gewicht 12’500 Tonnen, Durchmesser 15 Meter, Länge 21,6 Meter
  • Magnetfeld 4 Tesla

Die Schweiz ist eines der 38 Länder, die in der CMS-Kollaboration mitarbeiten – mit drei Institutionen und einer Beteiligung von 16 Prozent an den gesamten Kosten des Detektors. Die ETH Zürich, das Paul Scherrer Institut PSI sowie die Universitäten Zürich und Basel (bis 2004) leisteten als Vollmitglieder der Kollaboration wesentliche Beiträge zur Inbetriebnahme und den Betrieb des CMS. Die Schweizer Institutionen waren verantwortlich und massgeblich beteiligt an zahlreichen technologischen Entwicklungen, wie dem Pixeldetektor und den Blei-Wolframat-Kristallen, dem fortschrittlichen Fotodioden-Detektor und dem supraleitenden Kabel für die Magnetspule. Ausserdem spielt die ETH Zürich eine führende Rolle beim Engineering und der Integration des CMS-Experiments.
Die Teilnahme am CMS-Experiment ist eine zentrale Mission der mitwirkenden Forschungsinstitutionen und Ausbildungsstätten. Doktorierende werden in diesen Institutionen ausgebildet, um später wissenschaftliche und industrielle Führungskräfte zu werden. Mit ihrem Einsatz am CMS erhalten die Nachwuchsforscher eine einzigartige Gelegenheit, in einem internationalen und kollegialen Umfeld ihre Ideen einfliessen zu lassen.

Die folgenden Gruppen sind in der CMS-Kollaboration involviert:

ETH Zürich, Universität Zürich, PSI, Universität Basel (bis 2004)

Professoren: Günther Dissertori, Ralph Eichler (bis 2007), Christophorus Grab, Hans Hofer (emeritiert, 2001), Urs Langenegger, Felicitas Pauss, Claude Amsler, Roland Horisberger, Ludwig Tauscher (bis 2004) und Dr. Quentin Ingram, Dr. Dieter Renker.

Live-Übertragung

Video-Schaltung am Mittwoch, 10. September, in den Auditorien HG D16.2 (ETH Zentrum) und HCI J3 (ETH Hönggerberg):
12:00 – 12:25 Medienkonferenz (auf Englisch und Französisch) mit CERN-Generaldirektor Robert Aymar und LHC-Projektleiterin Lyn Evans.
12:25 – 13:15 Schaltung ins Zentrum des CMS-Detektors mit Kommentaren von Forschenden der ETH Zürich, des PSI und der Universität Zürich