Kreationismus: Antwort auf den Kommentar "Evolution ist keine Tatsache"

Zu Herrn Stutz.

1. Wie Information durch Evolution entstehen kann, ist seit Jahren (eher Jahrzehnten) bekannt: ein Gen wird dupliziert, die Kopie verändert sich. Offensichtlich hat man dann neue Informationen im Genom! Was "spezifizierte" Information sein soll, wurde von ID nie klar definiert; letztlich läuft es auf "Information ist dann spezifiziert, wenn ich sage, dass sie es ist!" hinaus.

2. Mit der Behauptung eines Schöpfers könnte man genausogut erklären, wenn jedes Lebewesen unterschiedlich aufgebaut wäre - die Evolution macht dagegen die klare Vorhersage, dass alle Lebewesen im Wesentlichen aus den gleichen Bausteinen bestehen sollten. Also ist diese Beobachtung ein Punkt für die Evolution - natürlich kein Beweis! (wie schon anderswo erwähnt, können wissenschaftliche Theorien *nie* bewiesen werden!). Außerdem hat die Behauptung eines Schöpfers große Probleme damit, zu erklären, warum auch offensichtliche genetische "Fehler" (sog. junk DNA) in vielen Lebewesen praktisch gleich auftreten. Beispiel: unter allen Säugetieren sind nur die Primaten (Menschenaffen und Menschen) nicht in der Lage, Vitamin C selbst zu erzeugen - und im Genom zeigt sich, dass das dafür zuständige Gen in beiden auf dieselbe Art "deaktiviert" ist.

3. Das Zitat hier wäre selbst dann kein Zirkelschluss, wenn es falsch wäre, dass der Mensch durch Evolution entstand; Herr Stutz sollte nachlesen, was "Zirkelschluss" eigentlich bedeutet. Dass der Mensch zu komplex ist, um von selbst entstehen zu können, ist eine durch nichts belegte Behauptung. Nicht-reduzierbare, auch komplexe, Systeme können durch Evolution entstehen, sind also kein Hinderungsgrund. ID in der Form "das und das kann durch Evolution nicht entstehen, also muss es Gott getan haben" ist *nie* eine gute Erklärung - sondern nur ein "argument from ignorance" und "god of the gaps". Schlechte Wissenschaft *und* schlechte Theologie.

4. Das ist eigentlich nur eine Wiederholung von 1. und genauso falsch.

5. Die hier gebrachte Definition von Makroevolution ist falsch. Als Makroevolution wird jede Form von Evolution auf dem Niveau von Arten und darüber (also alles ab dem Entstehen neuer Arten) bezeichnet, nicht das Entstehen neuer Baupläne und Organe. Makroevolution in diesem Sinne wurde in der Tat beobachtet, sowohl im Labor als auch in der Natur. Dass das Entstehen neuer Baupläne und Organe nicht direkt beobachtet werden konnte, ist kein Wunder - das dauert ja auch mindestens Tausende von Jahren! Allerdings gibt es Berge von indirekten Belegen dafür, dass dies in der Tat möglich ist (Beispiel: es gibt zahlreiche Fossilien, die den Übergang von Reptilien zu Wirbeltieren zeigen, und in diesen sieht man gut, wie sich durch kleine Schritte die Knöchelchen des Ohrs entwickelt haben).

6. *seufz* Das alte "zweite Gesetz der Thermodynamik"-Argument. Gibt es denn tatsächlich *immer* noch Leute, die das benutzen? Und dann wundern sich manche, wenn man sich über Kreationisten lustig macht?

Mein guter Herr Stutz: die Entropie muss nur in *abgeschlossenen Systemen* zunehmen. Die Erde ist kein abgeschlossenes System. Also muss auf der Erde die Entropie nicht zunehmen. Also ist Evolution möglich. So einfach ist das.

Im übrigen besagt "das Naturgesetz der Entropie" (richtige Formulierung: "zweiter Hauptsatz der Thermodynamik") eben *nicht*, dass "alle Ordnungen mit der Zeit zerfallen". Das ist eine popularisierte Version dieses Gesetzes, die in manchen Spezialfällen so zutrifft - aber nicht seine eigentliche Aussage. Entropie ist eben i. A. nicht dasselbe wie Unordnung...

7. Die kambrische Explosion widerspricht in keinster Weise dem Stammbaum (warum auch immer Herr Stutz das meint), und während dieser "Explosion" sind Arten auch nicht "plötzlich" entstanden. Erstens dauerte diese "Explosion" ca. 10 Millionen Jahre (!), und zweitens sind für viele der darin entstandenen Arten Vorläufer bekannt.

Dass ID voraussagen würde, dass Arten "plötzlich" entstehen, ist übrigens auch falsch. Der klassische Kreationismus sagt das, ja - aber ID sagt *überhaupt nichts* dazu, wie neue Arten etc. entstehen! ID besteht im Wesentlichen nur darin, angebliche Fehler und Unzulänglichkeiten der Evolutionstheorie zu behauptet, macht aber keinerlei *positive* Aussagen.

8. Die Evolutionstheorie wird von einem Großteil der christlichen Kirchen unterstützt (einschließlich der katholischen) - die Behauptung, sie wäre atheistisch, ist also schlichtweg lächerlich. Und wieder sieht man, warum sich viele Leute über Kreationisten lustig machen...

"Atheistische Religion" ist ein Widerspruch in sich. Eine Religion schließt automatisch einen Glauben an Götter ein (oder zumindest an übernatürliche Wesenheiten). Atheisten glauben an keine Götter. Also ist offensichtlich der Atheismus keine Religion. Wieder eine absolut lächerliche Aussage. (Herr Stutz versteht unter "Religion" anscheinend etwas völlig anderes als die meisten Leute...)

Das Dawkins-Zitat ist sinngemäß richtig übersetzt, unterstützt aber in keinster Weise die Behauptung von Herrn Stutz hier. Sagt ihm der Begriff "non sequitur" etwas?

9. Die Herkunft der Naturgesetze ist in der Tat nicht mit Evolution zu erklären - hat auch keiner je behauptet! Die Evolution beschäftigt sich schließlich nur mit der Entstehung neuer biologischer Arten, weiter nichts! Reiner Strohmann von Herrn Stutz hier. Dass die Naturgesetze aber nur deshalb, weil sie von der Evolution nicht erklärt werden können, von einer "Intelligenz" (warum sagen Sie nicht "Gott", Herr Stutz? geben Sie doch zu, dass Sie das meinen!) geschaffen worden sein müssen, ist ein weiteres totales non sequitur. Und auch hier ist ID aus den o. g. Gründen nicht im Mindesten hilfreich.

10. ID stützt sich in der Tat auf einige naturwissenschaftliche Beobachtungen - ignoriert aber leider weit mehr andere und ist damit nicht wissenschaftlich. Das Hauptproblem von ID ist: aus "intelligente Wesen können komplexe Systeme erschaffen" folgt nicht automatisch "jedes komplexe System wurde von einem intelligenten Wesen erschaffen". Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass (spätestens seit Darwin) Mechanismen bekannt sind, mit denen komplexe Systeme auch von sich aus entstehen können! Zwei Beispiele aus der Physik: Sterne und Wirbelstürme sind beides *äußerst* komplexe Systeme (man kann auch argumentieren, dass die "nicht-reduzierbar" sind); trotzdem wird Herr Stutz wohl kaum behaupten, dass Sterne und Wirbelstürme einen intelligenten Designer benötigen...

Was die Analogie mit dem Computerprogramm zeigen soll und warum Herr Stutz meint, dass solche Programme aus dem "materiellen Nichts" entstehen, ist mir schleierhaft. Wenn er darauf hinaus will, dass Computerprogramme immer einen menschlichen "Designer" benötigen, dann sollte er sich vielleicht mal mit "genetischen Algorithmen" beschäftigen...

Björn Feuerbacher - 05.09.08

Artikel lesen