Kreationismus: Intelligent Design keine Theorie

So hat das "Factum"-Magazin seinen Chefwissenschaftler Ruedi Stutz zur Verteidigung von ID aufgeboten. Und Herr Stutz erfüllt die Erwartungen voll und ganz. Schwurbelei und Worthülsenwerfen auf höchstem Niveau, Aufstellen und Abfackeln von Strohmännern en masse.

Herr Stutz ist zweifellos unter den Schweizer ID- Vertretern eine herausragende Persönlichkeit, obwohl sein Buch "Die Millionen fehlen" in eher als Vertreter der YEC- Richtung erscheinen lässt. (YEC = Young Earth Creationism, Denkrichtung in etwa: Erdalter 6000 Jahre, Schöpfung in 7 Tagen). ID ist Kreationismus unter einem sehr dünnen Deckmäntelchen der "Wissenschaft", die eigentlich in den USA vom Disco(very) Institut, in Deutschland von "Wort und Wissen" sowie neuerdings auch von muslimischen Exponenten vertreten wird.

Nun ist der eigentliche Zweck von ID nicht Wissenschaft sondern es geht um die Vermittlung eines bestimmten Weltbildes mit den entsprechenden gesellschaftlichen Konsequenzen. Hier liegt die eigentliche Gefahr der Bewegung. Sie wurde ja schliesslich von evangelikalen Predigern und Politikern stark gemacht und die Weiterverbreitung geschieht nicht im wissenschaftlichen Diskurs, sondern über "Pressure Groups".

Wenn es nur um das Zulassen von alternativen Schöpfungstheorien ginge, wieso dann nur die biblische? Wieso nicht alle der etwa 400 belegten von den Inuit bis zu den Amazonasstämmen? Wieso nicht ID im Sinn von naturalistischen Vorgängen wie Panspermie oder Eingriffe von extraterrestrischen, jedoch nicht übernatürlichen Schöpfern? Warum nicht die Entstehung des Menschen in Einklang mit den originellen Strafplanet- Thesen von Scientology? Und was ist mit den in sich erstaunlich schlüssigen Thesen des Herrn Erich von Däniken? Müssten die nicht Alle im Sinn von Ausgewogenheit ebenfalls im Biologieunterricht gelehrt werden?

IDler und Kreationisten scheuen sich nicht davor, wissentlich oder aus Mangel an Kenntnissen der Evolutionstheorie krude Unwahrheiten anzudichten. beispielsweise:

- Weder erklärt die Evolutionstheorie die Entstehung des Universums noch die Entstehung des Lebens auf der Erde. - Die Evolutionstheorie hat nie erklärt, dass der Mensch von Affen abstammt. - Seit den ersten Publikationen von Darwin stecken 150 Jahre Forschung mit Irrwegen, Weiterentwicklung, Verwerfungen, Ergänzungen und ist schon längst über den "Darwinismus" hinausgewachsen. - Die Evolutionstheorie macht keine Aussagen über Existenz oder Abstinenz einer allmächtigen Gottheit. - Die Evolutionstheorie muss - wie jede andere wissenschaftliche Theorie auch - methodologisch naturalistisch sein, um zu falsifizierbaren Ergebnissen zu kommen. - "Sozialdarwinismus" ist ein Begriff, der nicht in der Evolutionstheorie vorkommt - Darwin hat nie vom Recht des Stärkeren, sondern stets vom Vorteil des am besten (an seine Umwelt) Angepassten gesprochen.

Leider wird oft vergessen, dass die Evolutionstheorie nicht nur von der eigenen Disziplin erforscht wird, sondern dass unser heutiges evolutionäres Weltbild auch von unterschiedlichsten fachfremden Ergebnissen über Kreuz gestützt wird und im Sinne eines Fachwerkbaus eine gewisse Stringenz entwickelt hat.

Durch diese Fülle an Erkenntnissen hat der Grossteil aller Religionsvertreter, nicht nur der monotheistischen die Evolutionstheorie als die plausibelste wissenschaftliche Erklärung zur Entstehung der Arten auf diesem Planeten akzeptiert. Wenn ein Grüppchen Unentwegter und mit der jetztigen Welt Unzufriedener sich alternative Thesen (nicht Theorien im wissenschaftlichen Sinn) ausgedacht hat, sei ihnen das unbenommen. Aber solche haben in einer öffentlichen Schule in einem wissenschaftlichen Fach nichts zu suchen. Hardcorefundis dürfen ja in der Schweiz und in Deutschland eigene Schulen nach "biblischen Grundsätzen" betreiben und ihre Nachkommen in einem abgeschotteten Paralleluniversum nach Gutdünken verbilden.
Für den Rest der Ausbildungsstätten gilt jedoch, gut belegte Wissenschaft den Vorzug vor einem Gedankengebäude, das sich einzig auf die Schrift eines vorderasiatischen Hirtenvolks stützt, zu geben.

Konrad Graber - 09.09.08

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