Veröffentlicht: 23.07.08
Synthetische Biologie

Blocker gegen Blocker

Synthetische Biologie trägt Früchte: Mit einem weit verbreiteten Lebensmittelzusatz lässt sich der Tuberkulose-Erreger austricksen. Dies zeigt eine Arbeit von Forschern am Departement Biosysteme (D-BSSE), die gestern in PNAS veröffentlicht wurde.

Peter Rüegg
Mycobacterium tuberculosis: ETH-Forscher entdeckten einen Weg, der die Tuberkulose-Erreger empfindlicher auf ein bestimmtes Antibiotikum machen könnte (Bild: http://phil.cdc.gov)
Mycobacterium tuberculosis: ETH-Forscher entdeckten einen Weg, der die Tuberkulose-Erreger empfindlicher auf ein bestimmtes Antibiotikum machen könnte (Bild: http://phil.cdc.gov) (Grossbild)

Nicht allzu lange ist es her, da erkrankten auch in der Schweiz Menschen an Tuberkulose (Tb). Erst in den vergangenen Jahrzehnten hat zumindest hierzulande die Krankheit ihren Schrecken weitgehend verloren und die darauf spezialisierten Höhenkliniken richteten sich neu aus. Doch nun ist die Krankheit weltweit wieder auf dem Vormarsch. Die WHO registriert rund neun Millionen Neuerkrankungen jährlich, rund 50 Millionen Leute sind mit einem Stamm von Mycobacterium tuberculosis infiziert, der gegen die Antibiotika Isoniazid und Rifampicin resistent ist. Einzig Ethionamid, das mit Isoniazid strukturell verwandt ist, wirkt. Nachteil: In hohen Dosierungen verabreicht ist dieses Mittel tödlich. Um die Erreger zu bekämpfen, sind jedoch oft hohe Gaben nötig.

Mit einem Trick den Block

Denn auch gegen Ethionamid ist das Mycobacterium gerüstet. Es produziert nämlich ein Eiweiss, das EthR, welches die Produktion des Enzyms EthA blockiert und somit verhindert, dass EthA das Ethionamid von einer inaktiven Vorstufe in eine für den Tb-Erreger tödliche Substanz umwandelt. Mit anderen Worten: das Mycobacterium hat das Rüstzeug, das Antibiotikum sowohl scharf wie auch unschädlich zu machen, indem es seine Umwandlung unterbindet.

Dieser Mechanismus - von ETH-Forschern um Martin Fussenegger als Achillesferse erkannt - ist erst vor kurzem entdeckt worden. Mit einem Ansatz aus der synthetischen Biologie ist es nun dem Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften am Departement Biosysteme (D-BSSE) und seiner Forschungsgruppe gelungen, den Blocker EthR aus dem Verkehr zu ziehen. Das Antibiotikum Ethionamid wird so sehr viel wirksamer, und es könnte, so die Hoffnung Fusseneggers, in kleineren Dosen eingesetzt werden, so dass es für Patienten nicht mehr giftig wäre.

Lucky punch, aber kein Zufall

Die Forscher bauten das gesamte Gen-Netzwerk des Mycobakteriums, das für diesen Signalweg nötig ist, in eine Säugetierzelle ein und testeten damit verschiedene Substanzen, die EthR blockieren könnten. Auf ihrer Suche stiessen die Biologen auf eine Substanz, die sich als EthR-Blocker hervorragend eignet: 2-Phenyl-Ethylbutyrat.

Dieser Stoff mit dem komplizierten Namen ist ein alltäglicher Lebensmittelzusatz und in vielen Ländern, darunter den USA, zugelassen. Diese Substanz sei weit verbreitet und deshalb auch günstig erhältlich, sagt Fussenegger. Als Glücksfall bezeichnet er, dass sie so rasch genau auf diesen Stoff gestossen sind. Zufall war es indes nicht, denn um EthR auszuspielen, braucht es Substanzen mit bestimmten Eigenschaften, die sich mittels Synthetischer Biologie sehr schnell eingrenzen lassen.

Auf der Suche nach Geld für Mäusetests

Martin Fussenegger ist nun auf der Suche nach Geld, um die Kombination an Mäusen testen zu können. Die Mäuseversuche würden rund 10 Monate dauern und zwischen 800'000 und 900'000 Franken kosten. Dieses Projekt, sagt er, könne nicht in seiner Gruppe zu Ende geführt werden, wohl aber sei es nur noch ein kleiner Schritt, um die Kombitherapie von Antibiotika und 2-Phenyl-Ethylbutyrat auch an Menschen testen zu können, gerade weil die Substanz als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen ist. „Um Millionen von Menschen zu helfen, ist das eine geringe Summe“, gibt er zu bedenken.

Fussenegger ist überzeugt, dass die geplanten Tests an Mäusen positiv verlaufen werden und dass diese Kombination auch für Menschen gut verträglich ist. „Jedes künstliche, neu synthetisierte Mittel birgt ein um Grössenordnungen höheres Risiko als dieser gut bekannte Stoff“, betont er. Auch sei zu überdenken, ob man jedes wirkungslos gewordene Antibiotikum mit einem anderen ersetzen wolle und könne. Jedes Antibiotikum sei relativ rasch nach seiner Markteinführung stumpf geworden, sagt er, die Kombinationstherapie mache es für Bakterien jedoch schwieriger, Resistenzen dagegen zu entwickeln. „Die gefundene Substanz greift in einen für das Mycobacterium wichtigen Stoffwechselweg ein. Deshalb wird es für das Bakterium viel schwerer sei, sich daran anzupassen", sagt der ETH-Professor.

Von Spielerei zu ernsten Anwendungen

Noch gibt es wenige Beispiele, bei denen sich der konkrete Nutzen der Synthetischen Biologie so deutlich aufzeigen lässt, wie bei dieser Forschungsarbeit von Martin Fussenegger und seinen Mitarbeitenden. 2005 hat beispielsweise der Amerikaner Jay Keasling mit vergleichbaren Ansätzen gearbeitet, um in Hefen Artemisin als Antimalariamittel künstlich herzustellen.

Die Synthetische Biologie ist eine junge Fachrichtung innerhalb der Biologie. Das Vorgehen erinnert an den Bau von elektronischen Geräten, für die man gut charakterisierte Bauteile, wie Kondensatoren oder Transistoren, nimmt und daraus Schaltkreise aufbaut, die sich gut kontrollieren lassen. Analog bauen Synthetische Biologen künstliche biologische Systeme mit einzelnen Komponenten, etwa einzelnen Genen und Enzymen, von denen genau bekannt ist, wie sie reagieren und welche Produkte dabei entstehen

Literaturhinweis

Weber W et al. A synthetic mammalian gene circuit reveals antituberculosis compounds. PNAS, online publication July 9 2008, doi:10.1073/pnas.0800663105

 
Leserkommentare: