Veröffentlicht: 18.07.08
Astrophysik

Galaktische Magnetfelder stärker als erwartet

Der Ursprung von Magnetfeldern in Galaxien ist für Astronomen noch immer ein Mysterium. Gängige Theorien gehen von einer stetigen Verstärkung über Milliarden von Jahren aus. Die jüngsten Ergebnisse von Simon Lillys Gruppe widersprechen dieser Annahme und zeigen, dass auch junge Galaxien bereits starke Magnetfelder besitzen.

Samuel Schlaefli
Was entspricht dem Magnetfeld von erdnahen Galaxien bei Milliarden von Lichtjahren entfernten Quasaren (gross: „Whirlpool“-Galaxie; klein: Quasar OC-65)? (Bild: www.mpifr-bonn.mpg.de)
Was entspricht dem Magnetfeld von erdnahen Galaxien bei Milliarden von Lichtjahren entfernten Quasaren (gross: „Whirlpool“-Galaxie; klein: Quasar OC-65)? (Bild: www.mpifr-bonn.mpg.de) (Grossbild)

„Unter Astronomen gibt es einen Witz: Um die Entstehung des Universums zu verstehen, untersuchen wir Galaxien auf Strahlungen, Gase, Temperaturen, chemische Zusammensetzung und vieles mehr. Was danach unerklärlich bleibt, das schreiben wir den Magnetfeldern zu“, sagt Simon Lilly, Professor am Institut für Astronomie der ETH Zürich. Noch immer ist die Entstehung der Magnetfelder in Galaxien ein Mysterium, das schlecht erforscht ist. Bisher ging man davon aus, dass sich formende Galaxien kurz nach dem Big Bang vor 13.8 Milliarden Jahren noch sehr schwache Magnetfelder besassen und die Stärke der Felder über mehrere Milliarden von Jahren exponentiell anwuchs. So will es zumindest die Dynamotheorie (siehe Kasten), welche bis heute oft für die Erklärung der Entstehung von Magnetfeldern bemüht wird. 

Statistisches Vorgehen für exakten Beweis

In der aktuellen Ausgabe von „Nature“ gingen Martin Bernet, Francesco Miniati und Simon Lilly den Magnetfeldern von jungen Galaxien auf den Grund. Die daraus hervorgegangenen Ergebnisse sind überraschend: Entgegen den gängigen Dynamo-Erklärungsmodellen, konnte das Team anhand einer statistischen Auswertung von bestehenden und neu dazu gewonnenen astronomischen Daten belegen, dass selbst bei sehr jungen Galaxien bereits ein starkes Magnetfeld zu beobachten ist.
Technisch ist das Eruieren der Stärke von Magnetfeldern, die viele Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt liegen, schwierig und sehr zeitaufwendig. Dies ist sicher mit ein Grund, weshalb in diesem Bereich noch fast keine Forschung betrieben wurde. Mit der Faraday Rotation (FR) als Messgrösse kann jedoch die Stärke eines magnetischen Feldes an der Polarisation des Lichts im Radiobereich abgelesen werden. Wenn linear polarisiertes Licht durch eine magnetisierte Gaswolke einer Galaxie strahlt, rotiert die Polarisationsebene des Lichtes. Die Drehung der Polarisationsebene ist umso größer, je stärker das Magnetfeld ist. Dieser Effekt wurde bereits 1845 von Michael Faraday beschrieben. Als Strahlungsquellen für die Messung der Magnetfelder in den davorliegenden Galaxien benutzten die Forscher Quasare. Dies sind extrem lichtstarke Objekte, deren Strahlung höchstwahrscheinlich durch die Existenz von supermassiven schwarzen Löchern im Zentrum der Galaxien zu erklären ist. 

Beobachtungen in Chile

Die Wissenschaftler um Lilly konnten für ihre Auswertungen auf FR-Messungen von Quasaren des Astronomen Philipp Kronberg von der University of Toronto zurückgreifen. Martin Bernet, Doktorand bei Lilly und Miniati, hat von 300 dieser FR-Messungen die Beziehung zwischen der Faraday Rotation und der Rotverschiebung des Lichts der Quasare untersucht. Die Rotverschiebung wird in der Astronomie zur Bestimmung des Alters von Galaxien und deren Entfernung herangezogen. Aus der statistischen Verteilung der erhaltenen Werte formulierten die Forscher eine These: „Die beobachtete stärkere Rotation des Quasarlichts mit höherer Rotverschiebung ist auf einen längeren Weg und die damit einhergehende grössere Wahrscheinlichkeit mit Magnetfeldern anderer Galaxien in Berührung zu kommen zurückzuführen“. Zum Überprüfen der These wählten die Astronomen 76 Quasare aus dem ursprünglichen Kronberg-Sample aus und beobachteten mit dem Very Large Telescope (VLT) in Chile wie viele Magnesium-Absorptionslinien in den Spektren der Quasare enthalten sind. Aus früheren Untersuchungen weiss man, dass fast jede Galaxie entlang der Sichtlinie eines Quasars (Weg des Lichts zwischen Quasar und Teleskop) Magnesium-Absorption zeigt. Die Forscher konnten damit bestimmen, wie viele Galaxien zwischen unserer Galaxie und dem Quasar liegen und aus dem Vergleich der FR-Werte der Sichtlinien mit und ohne Magnesium-Absorption das Magnetfeld der Galaxien bestimmen. Die Berechnungen ergaben für die Magnetfelder der Galaxien einen Wert von circa 10 μGauss, also einem Feld, das rund eine Million Mal schwächer ist als das Erdmagnetfeld. Dies entspricht in etwa den Werten der Milchstrasse, also unserer eigenen Galaxie.
Mit den Ergebnissen konnten die Wissenschaftler beweisen, dass auch junge, weit entfernte Galaxien bereits ein starkes gross-skaliges Magnetfeld besitzen. Dies zu einem Zeitpunkt, als das Universum erst ein Drittel seines heutigen Alters hatte. Diese Erkenntnis widerspricht der gängigen Dynamotheorie, nach welcher sich Magnetfelder über Milliarden von Lichtjahren durch stetige Verstärkung exponentiell aufbauen. „Das Magnetfeld einer Galaxie muss sich während der Evolution viel rascher entwickeln als wir bisher angenommen haben. Relativ früh stellt sich danach ein Gleichgewicht des Feldes ein, das über sehr lange Zeit bestehen bleibt“, erklärt Lilly.

Magnetfelder ins Bewusstsein der Astronomen rücken

Zweifel an der Dynamotheorie bestand in der wissenschaftlichen Gemeinde schon lange. Auch Kronberg äusserte während seiner dreissigjährigen FR-Messungen immer wieder Bedenken an den bisherigen Modellen. Der Beweis fehlte jedoch bis heute. Die aktuelle „Nature“-Publikation zeichnet laut Lilly vor allem die hohe Qualität der VLT-Messungen sowie die für die Astronomie ungewöhnlich klare Beantwortung der ursprünglichen Fragestellung aus. „Ich könnte mir vorstellen, dass unsere neu eingeführte Methodik und die Kombination von Faraday Rotation-Messungen mit Daten von Teleskopen wie dem VLT ein neues Fenster zum entfernten Universum öffnen“, mutmasst Lilly.

Wie die Autoren in der Konklusion des „Nature“-Artikels vermerken, sollen die Ergebnisse auch zum Überdenken der bisherigen astronomischen Praxis anregen, in welcher die Magnetfelder oft ignoriert werden. Lilly und sein Team werden weiter aus dem eben erst geöffneten Fenster spähen und weiter in die Geheimnisse der Magnetfelder vordringen. Dazu haben die Forscher bereits weitere Beobachtungszeit am Teleskop zugesprochen erhalten. Die Vergrösserung des Quasar-Samples und die genaue Lokalisation der magnetischen Felder in den Galaxien sind die nächsten Schritte zu einem umfassenderen Verständnis des „Mysteriums Magnetfeld“.

Die Dynamotheorie

Ein Dynamo wandelt mechanische Energie in magnetische Energie um. Die Dynamotheorie ist ein Erklärungsversuch für den Mechanismus, mit welchem Himmelkörper ein Magnetfeld aufbauen. In astronomischen Objekten wie Planeten, Sternen oder Galaxien kommt es zum Dynamoeffekt, wenn turbulente Strömungen bestehen und eine nicht-uniforme (differentile) Rotation herrscht. Dieser sogenannte Alpha-Omega-Dynamo kann gross-skalige Magnetfelder generieren – selbst wenn das Anfangsfeld chaotisch war.

Bernet M., Miniati F., Lilly S., Kronberg P. & Dessauges–Zavadsky M.: Strong magnetic fields in normal galaxies at high redshift. Nature (17 July 2008) 454: 302-304, doi:10.1038/nature07105