DNS-Puzzle
Durch ihre Vielfältigkeit auf Grund ständiger Mutation entwickeln Viren leicht Resistenzen gegen Medikamente. Die Mutationen sind auch dafür verantwortlich, dass es bisher nicht gelungen ist, einen Impfstoff gegen HIV herzustellen. Um beides in den Griff zu bekommen müssen die vorhandenen Virenstämme im Wirt bekannt sein. Ein neu entwickeltes Verfahren von Forschenden aus der Schweiz und Amerika verspricht nun Hilfe bei der Identifizierung von vielfältigen Viruspopulationen.
Das Verfahren basiert auf einer Hochdurchsatz-DNS- Sequenziertechnik der nächsten Generation, der sogenannten Pyrosequenzierung. Es handelt sich dabei um eine seit 2003 im Einsatz befindliche Technik, mit der dies effizient und kostengünstig durchgeführt werden kann, erklärt Niko Beerenwinkel, Assistenzprofessor am Departement für Biosysteme der ETH Zürich. Er ist Mitautor einer heute in der Fachzeitschrift PLoS Computational Biology publizierten Studie, in der es den Forschenden gelang, die Virenstämme von vier mit dem HI-Virus infizierten Patienten zu identifizieren.
Lichtsignale identifizieren Bausteine
Für
ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die DNS der
HI-Viren mittels der Pyrosequenziertechnik. „Dabei wird die Abfolge der
DNS-Bausteine durch Synthese des komplementären DNS-Strangs bestimmt. Jede neu
eingebaute Base wird durch ein Lichtsignal erkannt. Dieses Verfahren ist zwar
nur für kurze DNS-Segmente zuverlässig, kann dafür aber stark parallelisiert
werden, was letztlich zu einer sehr grossen Anzahl kurzer Segmente führt“,
erklärt Beerenwinkel.
Die
DNS-Segmente der HIV-Proben setzten die Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen nun mit einem von ihnen entwickelten rechnergestützten
Verfahren zu Virenstämmen zusammen. Wie bei einem Puzzle werden dabei passende
DNS-Segmente zu den vollständigen Sequenzen der verschiedenen Stämme
zusammengefügt. Zuvor wisse man weder wie viele, noch welche Stämme in der
Probe enthalten sind und auch nicht welche DNS-Segmente zum gleichen Stamm
gehören, erklärt Beerenwinkel.
Fehlerrate minimiert
Der
Nachteil wäre aber, so Beerenwinkel, dass die Segmente sehr kurz seien und eine
hohe Fehlerrate in sich bergen können. Anhand der von den Forschenden
entwickelten mathematischen und statistischen Werkzeuge zur Fehlerkorrektur
konnten sie mit ihrem Verfahren jedoch die Fehlerrate etwa um den Faktor 30 reduzieren
und die zu den DNS-Segmenten gehörenden Virenstämme zuverlässig bestimmen. Dies
zeigte der Vergleich mit herkömmlichen Methoden, bei der lange DNS-Segmente mit
hoher Genauigkeit bestimmt werden können. Hierfür wählten sie zufällig einzelne
Viren aus der Population aus und bestimmten die Abfolge der einzelnen DNS-Bausteine
mit traditionellen Methoden. Es zeigte sich, so Beerenwinkel, dass die
Ergebnisse sehr ähnlich waren, die Pyrosequenzierung jedoch rascher und
kostengünstiger arbeitet und mit dieser – im Gegensatz zu herkömmlichen
Verfahren – ganze Viruspopulationen leichter erfasst werden können.
Die
entwickelte Methode erlaubt den effizienten Einsatz neuer Sequenziertechniken,
mit der die genetische Vielfalt der ganzen Viruspopulation eines infizierten
Patienten bestimmt werden kann. Dies kann für die medikamentöse Therapie von
Viruserkrankungen und für die Impfstoffentwicklung einen grossen Fortschritt
bedeuten. Denn dadurch könnte es möglich werden, Medikamente gezielter
einzusetzen und somit Resistenzbildungen zu verhindern. Zudem könnte die
Entwicklung von Impfstoffen erleichtert werden.
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