Veröffentlicht: 14.04.08
Neue Hinweise zur Entstehung der Erde

Risse im Fundament

Chondritische Meteoriten haben eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie die Sonne and gelten daher als zuverlässige Zeugen, wie der solare Nebel, aus dem sich die Planeten bildeten, zusammengesetzt war. Daraus lässt sich ableiten, wie die Erde als Ganzes chemisch aufgebaut ist. ETH-Forscher konnten nun zeigen, dass diese für die Geologie fundamentale Annahme nicht ganz korrekt ist.

Felix Würsten
So wie auf dieser künstlerischen Darstellung könnte es früher einmal auch im Sonnensystem ausgesehen haben. Fraglich ist, wie homogen der solare Nebel war, aus dem sich die Planeten bildeten. (Bild NASA)
So wie auf dieser künstlerischen Darstellung könnte es früher einmal auch im Sonnensystem ausgesehen haben. Fraglich ist, wie homogen der solare Nebel war, aus dem sich die Planeten bildeten. (Bild NASA) (Grossbild)

Bereits vor etlichen Jahren haben Geochemiker herausgefunden, dass die Erde als Ganzes chemisch genau gleich zusammengesetzt sein muss wie die sogenannten chondritischen Meteoriten. Diese bestehen aus der genau gleichen Mischung von Elementen wie die Sonne, und man nimmt daher an, dass sie die Zusammensetzung des solaren Nebels widerspiegeln, aus dem die Planeten entstanden. Diese Schlussfolgerung ermöglicht den Geologen viele wichtige Rückschlüsse. Zum Beispiel lässt sich so berechnen, aus welchen Elementen der Erdkern aufgebaut ist.

Dieses geochemische Fundament wird nun durch eine neue Publikation zwar nicht gerade erschüttert, aber es bekommt immerhin doch einige Risse. Eine Forschergruppe, an der auch Bernard Bourdon, Professor für Isotopengeochemie an der ETH Zürich, beteiligt ist, kam kürzlich in der Fachzeitschrift Nature aufgrund ihrer Untersuchungen zum Schluss, dass die Erde doch eine leicht andere Zusammensetzung hat als die chondritischen Meteoriten.

Wenig plausible Theorie

Ausgangspunkt für die Studie war die Feststellung eines anderen Teams, dass das Element Neodym in den Gesteinen, die man an der Erdoberfläche findet, eine etwas andere Isotopenzusammensetzung hat als in den Meteoriten. Da Neodym ein lithophiles Element ist und demnach im Erdkern nicht vorkommt, postulierte das Team, es müsse im Erdmantel ein verstecktes Reservoir geben, das eine andere Zusammensetzung aufweist als der restliche Erdmantel. Auf Grund der starken Konvektion im Erdmantel, welche zu einer kontinuierlichen Durchmischung der Gesteine führt, erschien der Gruppe um Bourdon diese These jedoch wenig plausibel. Sie suchte daher nach einer anderen Erklärung.

Die Wissenschaftler haben die Samarium- und Neodymisotope in Gesteinen der Erde sowie in Meteoriten vom Mars und vom Asteroiden Vesta genauer unter die Lupe genommen und die Werte mit Literaturdaten von Mondgesteinen ergänzt. Die beiden Elemente Samarium und Neodym sind eng miteinander verknüpft: Die Isotope Samarium-147 und Samarium-146 zerfallen nämlich in die Tochterisotope Neodym-143 und Neodym-142. Misst man die Isotopenzusammensetzung der beiden Elemente, kann man auf Grund der sehr unterschiedlichen Halbwertszeiten dieser Zerfälle Vorgänge rekonstruieren, die sich in der Frühphase des Sonnensystems abspielten.

Die neuen Daten zeigen nun, dass auch die Gesteine des Mondes und des Mars eine Isotopenzusammensetzung aufweisen, die sich signifikant von derjenigen der chondritischen Meteoriten unterscheidet. Hingegen stimmen die Werte gut mit denjenigen der irdischen Gesteine überein: Erde, Mond und Mars hatten demnach ein um rund fünf bis acht Prozent höheres Samarium-Neodym-Verhältnis als die chondritischen Meteoriten. "Die Abweichung ist nicht gross", hält Bourdon fest. "Aber sie ist doch so markant, dass sie mit dem klassischen Modell nicht vereinbar ist."

Wie homogen war der solare Nebel?

Die Tatsache, dass die drei Himmelskörper Erde, Mond und Mars eine gleiche Isotopenzusammensetzung haben könnten, zeigt nach Ansicht von Bourdon, dass die Theorie eines versteckten Reservoirs im Erdmantel nicht haltbar ist. "Unsere Analysen deuten darauf hin, dass sich in den ersten 30 Millionen Jahren unseres Sonnensystems ein Prozess abgespielt haben muss, der zu einer ungleichen Verteilung der Materie im Sonnensystem führte." Nach Ansicht der Wissenschaftler kommen zwei Möglichkeiten in Frage: Die erste ist, dass das Material im solaren Nebel bereits vor der Planetenbildung nicht mehr homogen verteilt war, eine Theorie, welche Astrophysiker durchaus für plausibel halten. Für diese Erklärung spricht unter anderem auch, dass die Meteoriten des Asteroiden Vesta, der sich etwas weiter weg von der Sonne befindet als der Mars, eine andere Isotopenzusammensetzung hat als die Gesteine von Erde, Mond und Mars. Die Daten deuten darauf hin, dass Vesta eine ähnliche Zusammensetzung haben könnte wie die chondritischen Meteoriten, welche ebenfalls aus dem Asteroidengürtel stammen.

Die zweite Erklärung geht davon aus, dass sich auf den ersten planetaren Körpern, den sogenannten Planetesimalen, eine Kruste bildete. Dabei wiesen Kruste und Mantel dieser Körper eine jeweils andere Zusammensetzung auf. Als die Planetesimale miteinander zusammenstiessen, wurde gemäss dieser Theorie ihre Kruste weggesprengt. Übrig blieben Körper, welche eine andere Isotopenzusammensetzung hatten als der ursprüngliche solare Nebel. Aus diesen wiederum entstanden später die heutigen Planeten.

Literaturhinweis

G. Caro et.al.: Super-chondritic Sm/Nd ratios in Mars, the Earth and the Moon. Nature 452, p.336-339 (2008).

 
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