Veröffentlicht: 20.02.08
Nanotechnologie

Grosse Ingenieurleistungen im kleinen Massstab

Mit Drähten aus einzelnen Kohlenstoffatomen könnten die heutigen Mikrochips um ein Vielfaches verkleinert werden. Die Carbon Nanotubes (CNT) wurden in den vergangenen Jahren erforscht und an ersten Anwendungen experimentiert. Nun liegt es am Nano-Engineering, Produktionstechnologien zu entwickeln, mit welchen CNT-Anwendungen auch für den Massenmarkt gängig werden.

Samuel Schläfli
Ein Carbon Nanotube (CNT), mittels Dielektrophorese auf dem Chip platziert. Die vier Kontaktpunkte dienen unter anderem der Widerstandsmessung mit einem Vierpunktemessverfahren.
Ein Carbon Nanotube (CNT), mittels Dielektrophorese auf dem Chip platziert. Die vier Kontaktpunkte dienen unter anderem der Widerstandsmessung mit einem Vierpunktemessverfahren. (Grossbild)

Im Jahr 1991 stellte Sumio Iijima in einem Nature Paper die Eigenschaften einer neuen Ordnungsform von Kohlenstoffatomen vor. Die beschriebenen Carbon Nanotubes (CNT) gleichen mit ihrer dreidimensionalen Struktur sowie der hexagonalen Anordnung der Kohlenstoffatome einem aufgerollten Maschendraht. Physiker um den ganzen Erdball waren begeistert von den viel versprechenden Eigenschaften des Materials: Solider als Stahl soll es sein, besser Wärme leitend als Diamant, 1000 Mal bessere Stromleiter-Eigenschaften als Kupfer werden ihm nachgesagt und je nach Verschränkung können die CNT als Halbleiter oder Leiter eingesetzt werden.

Die Grundlagenforschung hat in den vergangenen Jahren mittels theoretischer Herleitungen und Einzelversuchen gezeigt, dass der Aufbau von Transistoren – dem Basiselement jedes Computers – mittels CNT als Halbleiter möglich ist. Durch die CNT könnten Mikrochips für Computer um ein Vielfaches verkleinert werden. Dies ist speziell vor dem Hintergrund interessant, dass die Grenzen der Miniaturisierung mit herkömmlichen Chipmaterialien bald ausgeschöpft sein werden und die Industrie dringend alternative Technologien für weitere Innovationen benötigt. „Wir kennen heute zwar die Eigenschaften der CNT relativ gut. Wenn es aber darum geht, wie solche Systeme, die von blossem Auge unsichtbar und extrem anfällig auf äussere Störungen sind, gebaut werden sollen, dann stehen wir noch ganz am Anfang“, sagt Dimos Poulikakos, Professor am Laboratorium für Thermodynamik in Neuen Technologien (LTNT). „Was wir an unserem Labor betreiben ist deshalb eigentlich Grundlagenforschung in den Ingenieurwissenschaften“, sagt Poulikakos.

Ein elektrisierendes, selbstorganisierendes System

Timo Schwamb, Professor Poulikakos` Doktorand am LTNT, hat vergangenen November ein Paper in Nano Letters publiziert, das neue Möglichkeiten zur Positionierung von CNT in Nano Elektromechanischen Systemen (NEMS) beschreibt. Schwamb nutzte bei seinen Experimenten die Dielektrophorese, ein aus der Elektrotechnik bestens bekanntes Verfahren, erstmals mit einer hohen Erfolgsrate bei NEMS mit mehr als zwei Elektroden. Damit wird das Anwendungsspektrum von CNTs für die Nanotechnologie stark vergrössert. Auf einem Mikrochip, der zuvor mit einem Tropfen CNT-Lösung versehen wurde, legt Schwamb ein inhomogenes elektrisches Feld an. Dabei hat der elektrische Kreislauf an derjenigen Stelle eine Lücke, an welcher die CNT platziert werden soll. Und genau dort entstehen die stärksten bipolaren Kräfte, durch welche die CNT schliesslich angezogen und ausgerichtet wird.

Mit dem im Paper beschriebenen Verfahren kann Schwamb zusätzlich ein Vierpunkte-Messverfahren in das NEMS einführen. Damit können Verfälschungen bei der Widerstandsmessung, welche durch die Lotstellen der eingesetzten CNT verursacht werden, ausgemerzt werden. Da sich jedoch bei vier auf einer Ebene liegenden Elektroden deren elektrische Felder in die Quere kommen und damit die Positionierung der CNT stören würden, entschied sich der Doktorand für ein dreidimensionales Versuchsdesign: „Mit einem kleinen Trick führen wir zwar vier Elektroden für das Vierpunktemessverfahren ein, erzeugen aber ein elektrisches Feld, das demjenigen von nur zwei Elektroden gleicht, und nutzen dies für das Platzieren der CNT“, erklärt Schwamb. Dieser Trick sieht wie folgt aus: In einen dreischichtigen Mikrochip (Leiter/Isolator/Leiter) wird eine 0.5 Nanometer grosse Spalte gefräst und zwar so, dass die unterste Schicht auf beiden Seiten noch minim in den Leerraum heraus ragt. Nun können die beiden für die Vierpunktmessung benötigten Elektroden quasi in der dritten Dimension, unterhalb der beiden anderen Elektroden „versteckt“ werden und stören somit die Dielektrophorese nicht mehr.

Bei der diffizilen Arbeit am Chip im Bereich von wenigen Nanometern erhielt das LTNT von der EMPA Unterstützung. Mit einem Ionenstrahl konnten die dortigen Experten Spalten und Treppen in die dreischichtigen Siliziumchips fräsen und in einem späteren Schritt mittels Elektronenstrahlen winzige Kontaktierungspunkte zwischen Trägerchip und CNT löten. „Mit der neuen Methode konnten wir zwei bekannte Verfahren, die Dielektrophorese und die Vierpunkte-Messtechnik, für die Anwendung in der Nanotechnologie derart miteinander kombinieren, dass damit erstmals das Potenzial zur Massenproduktion von Nanogeräten besteht“, resümiert Schwamb. Die Ausbeute bei der erfolgreichen Positionierung von CNT über vier Kontaktpunkte konnte dadurch von ca. 3 Prozent auf 40 Prozent gesteigert werden.

Nano-Engineering: Gelebte Schweizer Ingenieurstradition

Laut Schwamb wird es nun in einem nächsten Schritt darum gehen, mit dem neuen Ansatz erste Geräte wie Transistoren, Temperatur-, oder Drucksensoren zu bauen und deren Eigenschaften in vielfältiger Weise zu testen. Die Integration von Nanomaterialien in massenproduktionstauglichen Verfahren sei jedoch nach wie vor eine der grössten Herausforderungen der Nanotechnologie. Der bedeutende Vorteil des im Paper beschriebenen Ansatzes besteht aber darin, dass er nicht auf die CNT beschränkt ist, sondern auch für andere Nanopartikel mit interessanten Eigenschaften genutzt werden kann.

Poulikakos erkennt im Nano-Engineering auch ein Stück Schweizer Zukunft: „Die Schweiz sollte nicht nur ihren traditionellen Spitzenplatz auf dem Gebiet von Ingenieursleistungen im Bau von Grossmaschinen verteidigen, sondern sich auch im Nanobereich als Vorreiter platzieren.“ Wann der erste CNT-Computer mit exorbitanter Rechenleistung auf den Markt kommt und ob dies in der Schweiz sein wird, dazu will Poulikakos jedoch noch keine Prognosen anstellen.