Veröffentlicht: 15.01.08
IODP-Forschungbohrung

Zeitlos das Alter bestimmen

France Girault ist Doktorandin des Departements Erdwissenschaften der ETH Zürich. Sie befindet sich seit dem 19. Dezember auf dem Forschungsschiff Chikyu des Integrated Ocean Drilling Program (IODP). Vom Deck der Chikyu bohren Forscher südwestlich von der Ostküste Japans in die Subduktionszone des Nankai Trogs. Girault berichtet für ETH life über ihre Arbeit als Bord-Mikropaläontologin.

France Girault
France Girault am Mikroskop auf dem IODP-Forschungsschiff Chikyu. Bild: JAMSTEC/IODP
France Girault am Mikroskop auf dem IODP-Forschungsschiff Chikyu. Bild: JAMSTEC/IODP (Grossbild)

Seit vier Wochen lebe und arbeite ich an Bord des 210 Meter langen IODP-Bohrschiffs Chikyu. Insgesamt sind wir 150 Wissenschaftler, Ingenieure, Labortechniker und Besatzungsmitglieder, die an der IODP-Expedition 316 teilnehmen. Im Moment erbohren wir südwestlich von der Ostküste Japans unsere zweite Bohrkernabfolge im Nankai Trog. Meine Aufgabe an Bord ist, die aus den Bohrkernen gewonnenen Fossilien zu bestimmen und darüber eine Altersdatierung der Sedimente und Gesteine zu ermöglichen.

Rund um die Uhr

Das Bohren und die wissenschaftlichen Arbeiten finden rund um die Uhr statt. Eine Hälfte der Leute auf dem Schiff leben und arbeiten zwischen Mittag und Mitternacht, die andere zwischen Mitternacht und Mittag. Es ist an Bord wie bei einer zweispurigen Strassenführung. Wenn ich mich um Mitternacht auf den Weg zum Labortrakt mache, treffe ich auf von der Arbeit erschöpfte Kollegen oder Leute von der Bordbesatzung auf ihrem Weg zum Abendessen. Auf ihren „Guten Abend“-Gruss antworte ich mit „Guten Morgen“, weil ich noch viel zu verschlafen bin, um die wahre Uhrzeit zu realisieren. Im Labor angelangt, fasst meine Kollegin, die Mikropaläontologin Xin Su aus China die Ereignisse ihrer Schicht für mich kurz zusammen und übergibt mir die neusten Daten. Wir schauen noch zusammen die Probe an, an der sie zuletzt gearbeitet hat. Danach bin ich für die nächsten zwölf Stunden allein im Labor, nehme Proben von den Bohrkernen, bereite sie auf und extrahiere daraus die Fossilien, mit deren Hilfe ich versuche, das Alter der Sedimente zu bestimmen.

Datieren der Sedimente

Xin und ich sind die zwei Mikropaläontologinnen an Bord und die ersten, die Proben von den frisch an Deck gebrachten Bohrkernen erhalten. Das Suchen und Analysieren der Mikrofossilien in den Sedimenten ist unser täglicher Job. Da die Mikrofossilien sehr vielfältig sind, hat jede von uns einen bestimmten Bereich übernommen. Xin ist Expertin für Nannofossilien, die für ihre harten Bestandteile Kalk als Bausubstanz benutzen. Ich bin Expertin für zwei bestimmte Gruppen von Mikrofossilien, die Radiolarien und Diatomeen, die ihre Hartteile aus Opal bauen. Diese Mikroorganismen leben zwar heute noch in den Weltmeeren, haben sich jedoch im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte teilweise stark verändert. Einzelne Arten starben aus, während sich andere zu einer oder mehreren neuen Arten weiterentwickelten. Nach Jahrzehnten wissenschaftlicher Studien der Sedimente aller Alter konnten sehr charakteristische Arten von Mikrofossilien bestimmt werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Erdgeschichte erschienen und dann wieder verschwanden. Die Korrelationen von charakteristischer Vergesellschaftungen sowie Erstauftreten und Aussterben bestimmter Arten mit anderen Methoden der Altersdatierung ermöglichten, dass die Mikrofossilien-Alter kalibriert werden konnten. Jeden Tag bestimme ich die Radiolarien und Diatomeen aus den Proben der aktuellen Bohrkerne, um eine erste Alterseinschätzung zu erhalten. Xin macht dies mit denselben Proben für die Nannofossilien. Wenn eine Gruppe von Mikrofossilien nicht in den Proben vorhanden ist oder einige der markanten Arten fehlen, müssen wir unsere Daten mit anderen kombinieren und so das Alter bestmöglich abschätzen. Je mehr Daten wir haben, umso genauer ist die Datierung. Die erste Altersabschätzung der Sedimente ist sehr wichtig für alle Wissenschaftler an Bord, um in den vielen gestörten Sedimentbereichen erkennen zu können, ob sich Sedimente wiederholen oder gar fehlen.

Die geologische Geschichte verstehen

Bei der Altersbestimmung der Sedimente der vorangegangenen Bohrung zeigte sich, dass die Sedimente direkt unter der Mega-Splay-Störung jünger sind, als die, die darüber liegen. Diese unterschiedlichen Alter liefern wichtige Information über die Aktivität und die Bewegungsraten an der Störungszone. Über solche Ergebnisse können die Mechanismen, die zu Erdbeben führen und die tektonische Entwicklung der Nankai Trog Subduktionszone aufzeigen, besser verstanden werden.

 
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