Veröffentlicht: 19.10.07
Neue ETH-Studie im Fachmagazin „Nature“

CO₂-Gehalt im Meer bestimmt das Klima

Könnte die atmosphärische CO₂-Konzentration drastischer ansteigen als bisher angenommen? Klimaforscher der ETH Zürich haben am Donnerstag im Fachmagazin „Nature“ ihre neusten Erkenntnisse publiziert.

Franziska Schmid
Benthische Foraminiferen (Bilder: Magali Schweizer, ETH Zürich)
Benthische Foraminiferen (Bilder: Magali Schweizer, ETH Zürich) (Grossbild)

Die Luft enthält Treibhausgase wie CO2, von denen man heute weiss, dass sie für die Erwärmung der Erde verantwortlich sind, da die Konzentration seit einigen Jahren kontinuierlich ansteigt. Im Gegensatz zur Atmosphäre ist die CO2-Konzentration in den Meeren sechzigmal höher. Im globalen Kohlenstoff-Kreislauf bindet das Meer einen Teil des atmosphärischen CO2, gibt aber auch wieder CO2 in die Atmosphäre ab. Etwa ein Viertel des menschlichen CO2-Ausstosses wird auf natürliche Art und Weise von den Meeren absorbiert. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie der CO2-Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre im Hinblick einer sich erwärmenden Welt funktioniert. Die neu vorliegende Studie zeigt, dass während der Eiszeit mehr CO2 im Ozean gespeichert werden konnte als heute.

Praktisch stillstehende Wassermassen

Ein Forscherteam der ETH Zürich nahm gemeinsam mit nordamerikanischen Kollegen Messungen an Sedimenten des Meeresbodens vor. Diese Sedimente stammen von Bergen, die sich in einer Tiefe von zirka drei Kilometern unter der Wasseroberfläche des subarktischen Pazifik befinden. Dort sind die Wassertemperaturen nahe dem Gefrierpunkt und die Verhältnisse sehr stabil, da sich die tiefen Wassermassen praktisch nicht mit dem Wasser der Oberfläche mischen. Um die Zirkulation des Wassers zu messen, wird die Radiocarbonmethode angewandt, die auf dem radioaktiven Zerfall des Kohlenstoff-Isotops 14C basiert. Messungen haben ergeben, dass das tiefe Pazifikwasser seit über 2000 Jahren nicht mehr an der Oberfläche war.

Winzige Einzeller verraten CO2-Austausch

Um zu sehen, wie sich die Situation im Vergleich zur letzten Eiszeit verändert hat, untersuchten die Forschenden Schlamm aus dem subarktischen Pazifik, der sich zirka einen Meter unter dem heutigen Meeresgrund befindet und etwa 20'000 Jahre alt ist. Aus diesem Schlamm werden winzigkleine kalkschalige Einzeller, sogenannte Foraminiferen, unter dem Mikroskop ausgelesen und anschliessend mit Massenspekrometern gemessen. Diese Foraminiferen schlossen die Kohlenstoffisotopensignatur des Seewassers ihrer Zeit – ähnlich wie in einer Zeitkapsel – ein. Dem Forschungsteam ist es nun gelungen, den 14C-Gehalt genau zu messen. So konnten sie zeigen, dass das Wasser in den Tiefen der Ozeane während der Eiszeit weniger CO2 mit der Atmosphäre austauschte als heute.

Ernüchterndes Resultat

Das Team suchte ausserdem nach Schlüsselindikatoren, die etwas über die chemische Zusammensetzung des Eiszeit-Wassers aussagt. Sie fanden aussergewöhnlich klare Beweise dafür, dass dieses Wasser mehr an C02 aus der Atmosphäre gebunden hatte als das Wasser zur heutigen Zeit. Die neusten Forschungsergebnisse zeigen, dass die Ozeane im Allgemeinen mehr CO2 binden können, wenn sie kalt sind.

Ozeane, die sich durch die Klimaveränderung erwärmen, geben mehr CO2 in die Atmosphäre ab. Für das Klima hat diese Erkenntnis weitreichende Folgen. Die vom Menschen verursachte Erwärmung der Ozeane trägt zur zusätzlichen Bildung von Treibhausgasen bei, allen voran an CO2. Die damit verbundene positive Rückkoppelung mit der Atmosphäre führt in der Folge dazu, dass sich die Erderwärmung noch stärker beschleunigt.

Samuel Jaccard, Assistent an der ETH Zürich und einer der beiden Hauptautoren der Studie meint: «Auch wenn wir bei einem so komplexen System wie dem Klimasystem nicht direkt von der natürlichen kalten Vergangenheit auf die durch Menschen veränderte, warme Zukunft schliessen können, zeigen unsere Resultate, dass die anthropogene Erwärmung eine weitere kritische Rückkopplungen auf die CO2-Bilanz bewirkt.»