Veröffentlicht: 07.09.07
Neues Verfahren entdeckt Stoffe auf beliebigen Oberflächen

Verdorbenem Fleisch auf der Spur

ETH-Forscher haben ein neues Messverfahren entwickelt, mit dem auch Oberflächen von Lebewesen schnell und unkompliziert untersucht werden können. Die Methode eröffnet nicht nur in der Medizin, sondern auch bei der Kontrolle von Lebensmitteln interessante neue Möglichkeiten.

Felix Würsten
Schematische Darstellung des neuen Messverfahrens: Aus einer Düse wird Stickstoff auf die Probeoberfläche geblasen. Dort nimmt das Gas halbflüchtige Stoffe auf. Der Gasstrom wird anschliessend ins Massenspektrometer geführt, wo er analysiert werden kann.
Schematische Darstellung des neuen Messverfahrens: Aus einer Düse wird Stickstoff auf die Probeoberfläche geblasen. Dort nimmt das Gas halbflüchtige Stoffe auf. Der Gasstrom wird anschliessend ins Massenspektrometer geführt, wo er analysiert werden kann. (Grossbild)

Rund 50 Tonnen verdorbenes Fleisch, darunter auch alte Döner-Spiesse, die verarbeitet, eingefroren, aufgetaut und wieder eingefroren wurden, entdeckte die deutsche Polizei im vergangenen August bei einem Grosshändler in Bayern. Mit Staunen stellten die Beamten fest, dass das Verfalldatum der mangelhaften Ware teilweise seit mehr als vier Jahren abgelaufen war. Der spektakuläre Fund war kein Einzelfall: Falsch deklariertes Elchgulasch und verdorbenes Fleisch in einer Kieler Schule, dazu weitere vergleichbare Fälle in Frankfurt und Oldenburg sorgten alleine im letzten Jahr für Schlagzeilen in unserem nördlichen Nachbarland.

Auch in anderen Ländern beobachten die Behörden immer wieder mit Sorge, dass verdorbene Lebensmittel in den Handel gelangen. Die bisher bekannten Fälle verdeutlichen, wie wichtig eine effiziente Lebensmittelkontrolle ist. Damit eine möglichst umfassende Überwachung überhaupt möglich wird, braucht es jedoch zuverlässige Messverfahren, mit denen grosse Mengen an Proben schnell und kostengünstig analysiert werden können. Die Gruppe von Renato Zenobi, Professor für Analytische Chemie am Laboratorium für Organische Chemie der ETH Zürich, stellt nun in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Angewandte Chemie ein Verfahren vor, das genau diese Anforderungen erfüllt.

Standardgerät als Basis

Die neue Analysemethode stellt eine Weiterentwicklung des Verfahrens dar, das die Gruppe kürzlich der Öffentlichkeit vorstellte. Damals gelang es den Forschern, verschiedene Stoffe in der Atemluft auf einfache Weise nachzuweisen. Nun können sie mit dem erweiterten Verfahren auch Substanzen auf beliebigen Oberflächen mit hoher Präzision aufspüren.

Beide Verfahren basieren auf einem sogenannten Quadrupol-Time-of-Flight-Massenspektrometer (QTOF-Massenspektrometer). "Solche Messgeräte werden heute in vielen Bereichen routinemässig eingesetzt", erklärt Zenobi. Üblicherweise werden Proben für die QTOF-Massenspektrometrie als Lösung zugeführt. Diese wird mit Hilfe eines zugeführten Gases vernebelt, und aus den winzigen Tröpfchen entstehen für die zu analysierende Substanz charakteristischen Ionen, die das QTOF-Gerät misst. Die Zürcher Forscher haben das Prinzip nun quasi auf den Kopf gestellt: Untersucht werden nicht mehr die Substanzen in der Lösung, sondern die Stoffe, die sich im Gas befinden, das zur Herstellung des Sprühnebels benötigt wird. Während bei einer konventionellen Messung der Sprühnebel mit reinem Stickstoff erzeugt wird, nutzten die Forscher bei ihrem ersten Verfahren die ausgeatmete Luft von Probanden als "Zerstäubungsmittel". Dies ermöglichte ihnen, auf einfache Weise die Atemluft der Versuchspersonen zu untersuchen.

Bei der nun neu entwickelten Methode muss niemand mehr in das Gerät blasen. Vielmehr wird aus einer kleinen Düse Stickstoff auf eine beliebige Probenoberfläche geblasen. Wenn das Gas auf die Oberfläche trifft, nimmt es dort halbflüchtige Stoffe auf. Der "angereicherte" Gasstrom wird anschliessend auf ähnliche Weise wie beim ersten Verfahren in das Massenspektrometer geführt, wo die aufgenommenen Stoffe mit hoher Präzision analysiert werden können.

Umrüstung in einer Stunde

"Rein technisch gesehen ist das neu entwickelte Verfahren nichts Aufregendes", hält Zenobi fest. Das konnte Huanwen Chen, der als Postdoktorand in Zenobis Gruppe die Methode entwickelte, eindrücklich demonstrieren, als er zusammen mit seinem Betreuer die neue Methode bei einer Firma vorstellte. Innerhalb einer Stunde hatte Chen das dortige Massenspektrometer so umgerüstet, dass damit die Oberfläche von beliebigen Objekten analysiert werden kann.

Bemerkenswert am neuen Verfahren sind jedoch die vielfältigen Möglichkeiten, die sich eröffnen. "Eine besondere Stärke unseres Ansatzes ist, dass auch Oberflächen von Lebewesen untersucht werden können." Auch im Bereich der Lebensmittelanalytik, so ist Zenobi überzeugt, könnte die Methode zu einem wichtigen Werkzeug werden. "Die Messung einer einzelnen Probe dauert nur wenige Sekunden; man kann also routinemässig grosse Zahlen von Stichproben analysieren." Im Falle der Fleischproben konnten die Wissenschaftler zudem zeigen, dass das Probematerial nicht einmal aufgetaut werden muss. Mit dem umfunktionierten Massenspektrometer lassen sich beispielsweise Spuren von Putrescin und Cadaverin auf den gefrorenen Fleischproben nachweisen. Diese Stoffe werden als Stoffwechselprodukte von Bakterien freigesetzt und gelten – wie schon der Name andeutet – als Indikatoren für eine mangelhafte Qualität.

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten

Auch beim Gemüse könnte die Methode nützliche Hinweise auf gesundheitlich bedenkliche Ware liefern. So haben die Forscher in ihrem Labor Eisbergsalat analysiert. Dabei gelang es ihnen nachzuweisen, welche Salatblätter mit Colibakterien verunreinigt waren und welche nicht. Wie relevant ein solcher Nachweis für die Praxis ist, verdeutlicht Zenobi mit einem Beispiel aus den USA: Im Herbst 2006 erkrankten dort rund 200 Menschen, weil sie Spinat assen, der mit Colibakterien verunreinigt war.

In eine ganz andere Richtung gehen die Untersuchungen, welche die Forscher mit Menschen durchgeführt haben. Die Wissenschaftler klärten bei verschiedenen Probanden ab, welche Substanzen sich auf der Haut finden lassen. Bei einer ersten Versuchsperson, einem 38-jährigen Raucher, konnte das Messgerät Spuren von Nikotin nachweisen. Auch der Konsum von Kaffee hinterlässt auf der Haut einen Abdruck. 30 Minuten nachdem der Proband drei Tassen Kaffee konsumiert hatte, beobachteten die Wissenschaftler eine deutliche Abweichung im gemessenen Signal. Auch Spuren von Sprengstoff, beispielsweise RDX und DMMP, kann auf der Haut von Probanden nachgewiesen werden. "Die Stärke des Verfahrens ist, dass es schnell und nicht-invasiv ist und dass es keine spezielle Probenpräparation benötigt", hält Zenobi fest. Interessant ist auch, dass es differenzierte Analysen ermöglicht: Bei einem zweiten Probanden, einem 33-jährigen Nichtraucher, beobachteten die Forscher verschiedene Spektren, als sie die Haut an der Stirne, auf dem Bauch und an den Füssen analysierten.

Angesichts der zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten erstaunt es nicht, dass Zenobi inzwischen mit verschiedenen Gruppen in Kontakt steht. Nicht nur Lebensmitteltechniker und Sicherheitsexperten interessieren sich für das neue Verfahren, sondern auch Mediziner und Dopingfahnder.